Unsere Mathemacherin der Monate Juni und Juli 2019 ist Bianca Violet von IMAGINARY. IMAGINARY, das als  Projekt der Wissenschaftskommunikation im Jahr 2008 in der deutschen Provinz (Oberwolfach) seinen Anfang nahm, steht inzwischen weltweit für Mathematik-Kommunikation auf höchstem Niveau bezüglich Inhalten und Präsentation. Die Gründungsväter des erfolgreichen Projekts, Gert-Martin Greuel und Andreas Daniel Matt, erhielten bereits im Jahr 2013 zusammen mit ihrem Team den Medienpreis der Deutschen Mathematiker Vereinigung. Zuvor war Andreas D. Matt schon Mathemacher des Monats. Genug des Guten? Keineswegs! Denn auch nach 11 Jahren Arbeit gehen den Macherinnen und Machern von IMAGINARY nicht die Ideen aus, das "Projekt" ist inzwischen eine gemeinnützige GmbH und sprudelt nur so von neuen Ideen. Von diesen berichtet uns die Mathemacherin Bianca Violet.

Studiert hat die inzwischen 44-Jährige  an der TU Berlin und dort 2009 ihr Diplom in Mathematik gemacht, Hauptfach Differentialgeometrie. Parallel zum Studium hat sie auch eine Ausbildung als Film- und Videoeditorin gemacht, um dann, fasziniert von IMAGINARY, für dieses einzigartige Projekt der Mathematik-Kommunikation zu arbeiten. Seit 2016 ist sie bei IMAGINARY dauerhaft als Chief Creative Officer angestellt und ist - typisch für ein Projekt, das aus der  Wissensschaft heraus entstanden ist -  für allerlei größere und kleinere Aufgaben zuständig.

Über ihren Ein- und Aufstieg bei IMAGINARY sprach Bianca Violet mit Thomas Vogt.

Wann und Für welches Projekt sind Sie zu IMAGINARY gestoßen?

Ich habe 2008 das erste Mal von IMAGINARY gehört, bzw. gelesen, und zwar in einem Artikel im Spektrum der Wissenschaften. Dort wurde zur Teilnahme an einem Mathematik-Kunst-Wettbewerb aufgerufen. Es wurde die  SURFER-Software vorgestellt, und ich war sofort Feuer und Flamme, habe zu Hause viel damit herumgespielt und Bilder und Animationen damit erstellt. So bin ich dann mit dem Team in Kontakt gekommen und habe freiberuflich immer mal wieder bei einzelnen Projekten mitgewirkt. Offizielle Mitarbeiterin bei IMAGINARY bin ich seit 2014.

Bianca2 1Bianca Violet

Foto: Peter Legiša

Was waren bis heute so die Höhepunkte während Ihrer Zeit bei IMAGINARY?

Besonders am Herzen liegen mir Projekte, an denen ein großer Teil der IMAGINARY-Community beteiligt war. So zum Beispiel die IMAGINARY-Ausstellung zum ICM 2014 in Seoul, Südkorea, oder die permanenten Inhalte, die wir für das Mathematikon in Heidelberg zusammengestellt haben. Und bei den bisherigen beiden IMAGINARY-Konferenzen (2016 in Berlin und 2018 in Uruguay) kam die Community richtig - also real live - zusammen,  um gemeinsam an Projekten zu arbeiten und sich auszutauschen. Die IMAGINARY Konferenz 2020 (IC20) ist gerade in Planung ...

Was läuft in diesem Sommer so an Projekten?

IMAGINARY wird im Juni an der Ecsite-Konferenz teilnehmen, die größte Europäische Konferenz zu (interaktiver) Wissenschaftskommunikation. Wir werden zu vier verschiedenen Sessions beitragen, auch zur Vorkonferenz,  wo wir zum Beispiel gemeinsam mit den Teilnehmenden individuelle Tattoos von Algebraischen Flächen mit der SURFER-Software erstellen werden. Außerdem arbeiten wir an einer neuen Ausstellung zu künstlicher  Intelligenz - I.AM.AI. Ein Exponat ist bereits an verschiedenen Standorten in Deutschland im Einsatz, es heißt AI Jam: Besucher*innen können ausprobieren, wie ein neuronales Netzwerk - die künstliche Intelligenz -
auf ihre spontan selbstgespielte Musik (mit einem Keyboard und Drum Pads) ‘antwortet’, so dass eine Art Duett entsteht.

Und was können Sie in Deutschland empfehlen..?

IMAGINARY ist im Schwarzwald ‘aufgewachsen’, als Projekt des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach (MFO). Im Ort haben wir aktiv am MiMa, dem Museum für Mineralien und Mathematik, mitgewirkt. Im Deutschen Museum in München gibt es seit 2011 drei permanente interaktive Exponate von IMAGINARY im sogenannten Mathematischen Kabinett. Im Erlebnisland Mathematik in Dresden sind wir mit einem Exponat  vertreten, und an der Universität in Tübingen ist IMAGINARY Teil der Dauerausstellung Mind and Shape. Von Mai bis Oktober dieses Jahr tourt unser (oben schon genanntes) Exponat AI Jam auf der MS Wissenschaft, dem schwimmenden Science Center, auf 30 Stationen durch Deutschland und Österreich, und außerdem auch von April bis September mit der Mitmach-Ausstellung Science Station - Wissenschaft im Bahnhof. In Heidelberg gibt es wie schon genannt das Mathematikon. Das ist ein Einkaufszentrum, das wir mit mathematischen Inhalten beleben durften. Es gibt zwischen den beiden dortigen Supermärkten einen großen Touchscreen mit  mathematischen Spielen, eine Bildergalerie im Parkhaus, mathematische Inhalte auf den Kassenbändern und sogar Rätsel in den Waschräumen. Und ebenfalls in Heidelberg gibt es jetzt ganz aktuell in der Mathematik und Informatik Station (MAINS) der Heidelberg Laureate Forum Foundation IMAGINARYs neueste Ausstellung “La La Lab - Die Mathematik der Musik”...

Was hat es mit La La Lab auf sich?

Das ist unsere neue Ausstellung, die sich mit Mathematik und Musik beschäftigt. Es gibt mehr als 20 interaktive Exponate zum Ausprobieren und Experimentieren, es ist für jeden etwas dabei: man kann einfach Spaß haben und lernt etwas Neues, das gilt für Teenager genauso wie für zum Beispiel Musikwissenschafler*innen. Seit Mai ist die Ausstellung in Heidelberg geöffnet, und die Inhalte sind auch online auf der IMAGINARY-Plattform verfügbar - open source, wie alles bei IMAGINARY.

...sie das ideelle Fundament der meisten Dinge und Theorien ist, die uns umgeben. Und das stelle ich mir nicht wie eine Basis aus klobigen Bausteinen vor, sondern eher wie eine supercoole unsichtbare Urschleimknete, die alles durchdringt! :-)
 

Was plant IMAGINARY (oder Sie) für die nächsten Jahre?

La La Lab wollen wir auch an anderen Orten zeigen und natürlich auch erweitern (wir haben schon eine lange Liste von möglichen, zusätzlichen Exponaten und add-ons, so eine Art Wunschzettel). Unser Fokus für die  Entwicklung neuer Exponate liegt aber in der nahen Zukunft bei der I.AM.AI Ausstellung, die ab Mai 2020 nacheinander für mehrere Monate an drei deutschen Standorten installiert werden wird. Wir haben uns  vorgenommen, alle zwei Jahre eine IMAGINARY-Konferenz zu organisieren, idealerweise immer in einem anderen Land, auf allen Kontinenten. Das Besondere an so einer IMAGINARY-Konferenz ist, dass es vor Ort nicht nur spannende Vorträge gibt, sondern auch richtig gemeinsam in verschiedenen Workshops gearbeitet wird, bei denen am Ende der Konferenz ein Ergebnis angestrebt wird, welches von anderen in der Wissenschaftskommunikation benutzt werden kann. Das kann ein interaktives Programm sein, ein Workshopkonzept, ein hands-on Exponat mit Bauanleitung, ein Lehrplan für einen neuen Studiengang und so weiter. IMAGINARY ist darin involviert, den 14. März (auch bekannt als Pi-Day) weltweit ab 2020 als Internationalen Tag der Mathematik zu etablieren und zu feiern, und zwar jedes Jahr mit einem neuen mathematischen Thema.

Was machen Sie sonst noch so? Andere Projekte der Öffentlichkeitsarbeit?

Ich bin seit 2017 Chair des Filmfestivals der Bridges Konferenz, eine jährliche, internationale Konferenz über Mathematik und Kunst, die ich auch jedes Jahr sehr gern besuche.

Machen Sie eigentlich noch Mathematik?

Ich mache Mathematik-Kommunikation, also keine Forschung, doch genauso wichtig, wie ich finde, und das macht mir unheimlich Spaß!

 

LINKS:
Homepage von IMAGINARY
Das Projekt SURFER
Informationen zu La La Lab