Daniel Matt ist seit zwei Jahren mit der mathematischen Ausstellung „IMAGINARY - Mit den Augen der Mathematik" des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach in Deutschland und zunehmend auch im Ausland unterwegs. Mit dem mathematisch und sozial engagierten Österreicher sprach Thomas Vogt vom Medienbüro Mathematik der DMV:

andreasdanielmatt


 (Foto: privat)

Lieber Herr Matt, was war ihr erstes mathematisches Erlebnis?
Ich erinnere mich nicht genau, aber ich war ein Computerspieler und hatte mich von Anfang an gefragt wie Atari, Intellivision und später Schneider CPC und C64 funktionieren. Zu Beginn der 80er Jahre hatte ich auch schon kleine Programme geschrieben, die z.B. Zahlenfolgen berechnen.

Sagen Sie bitte in wenigen Worten, worin für Sie heute die Faszination Mathematik besteht?
Ich finde Mathematik faszinierend, weil sie eine so umfassende, riesige Wissenschaft ist, die stetig wächst. Weil Mathematik so vielfältig ist, es tausende Untergebiete gibt. Weil sie so abstrakt sein kann und sich eigene Welten (Sprach- und Denkwelten) aufbaut, die irgendwie logisch sind. Weil sie aber auch konkret sein kann, ob in Technik oder auch als Visualisierungen, wie wir sie bei der Ausstellung haben. Ich bin auch fasziniert über die Kultur der Mathematik, ihre Geschichte, ihre Menschen und ihre vielen Verbindungen zu anderen Wissenschaften. Man kann sich hier aussuchen, wo und wie tief man sich hineindenkt. Und man braucht eigentlich nur seinen Kopf dazu. Wenn man will auch Bleistift, Papier, Computer, Bücher und Menschen.

Was verbirgt sich hinter der Ausstellung „IMAGINARY - Mit den Augen der Mathematik"?
IMAGINARY ist eine interaktive Wanderausstellung, die verschiedene Gebiete der Geometrie, darunter z.B. die algebraische Geometrie und Singularitätentheorie auf attraktive Weise erklärt. Attraktiv sind z.B. die Installationen, die wie Computerspiele virtuelle Welten darstellen oder die es den BesucherInnen ermöglichen auf einfache Weise mit dem Finger Formeln in wunderbare Formen zu verwandeln. Die Idee ist es auch aktuelle Forschung und offene Fragen zu vermitteln. Für die Ausstellung sind verschiedene Programme entwickelt worden, z.B. das Programm SURFER, das kostenlos auf der Webseite www.imaginary-exhibition.com heruntergeladen werden kann.

... sie Sachen verbindet, überall zu finden ist und angenehm abstrakt und auch schön sein kann! Andreas Daniel Matt


Viele Menschen haben IMAGINARY im Jahr der Mathematik gesehen - wie hat sich die Ausstellung seitdem gewandelt, was ist für die Zukunft geplant?

Im Jahr der Mathematik 2008 waren es ca. 220 000 BesucherInnen, die die Ausstellung in vielen deutschen Städten, aber auch bei Sonderaktionen, wie dem Wissenschaftsschiff sahen. In diesem Jahr wurde die Ausstellung auch im Ausland (Österreich, Ukraine, USA) gezeigt und es gab auch Vorträge und Workshops zu IMAGINARY in Pakistan. Bis 2012 ist die Ausstellung schon in vielen Städten (Spanien, England, Schweiz) angefragt. Das Interesse ist so gross, dass wir jetzt auch planen, alle Inhalte als „open source exhibition" frei zur Verfügung zu stellen, um es allen Organisationen, Schulen, Universitäten zu ermöglichen, selbst Ausstellungen zu organisieren und die Ausstellung auch anzupassen und zu erweitern. Wie wir das genau machen, wird sich 2010 zeigen.

Die Ausstellung wird auch permanent in einem eigenen Museum installiert: das MiMa, Mineralien- und Mathematikmuseum Oberwolfach eröffnet am 30.1.2010 und zeigt die Highlights der Ausstellung. Auch das Deutsche Museum in München hat Interesse gezeigt, Installationen der IMAGINARY-Ausstellung permanent zu übernehmen.

Sie engagieren sich aber nicht nur für Mathematik, sondern auch für Menschen allgemein: Zum Beispiel haben Sie mehrere Jahre ehrenamtlich in einem SOS Kinderdorf in Pakistan gearbeitet. Wie kam es dazu?
Angefangen hat es mit meinem Zivildienst, den ich als Österreicher auch in Form eines sozialen Auslandsdienstes in Pakistan absolvieren konnte. Ich habe bei SOS Projekte mit Kindern organisiert, aber auch die Medien- und Wissenschaftsabteilung aufgebaut. Nach dem Erdbeben in Kashmir 2005 entschied ich mich länger zu bleiben und auch dort freiwillig ein Projekt zu leiten. 2007 habe ich in Pakistan auch eine Kulturplattform gestartet, um die vielen kulturellen Aktivitäten des Landes besser zu vermitteln. Wie es dazu im Detail kam, würde den Rahmen hier sprengen. Alles hat sich irgendwie logisch Schritt für Schritt entwickelt. Ich bin auch immer noch mit Projekten in Pakistan tätig.

Was war ihr schönstes Erlebnis bei der Arbeit mit pakistanischen Kindern und welche Einstellung haben die Kinder, haben die Menschen in Pakistan zur Mathematik?
Arbeit mit Kindern ist schön, wenn man sich besser kennt und eine Art Alltag mit Freude entwickelt. Für mich war es immer grossartig 2 Mal die Woche schwimmen zu gehen und dabei viel zu reden und zu spielen. Wir haben auch ein eigenes Brettspiel entwickelt - ursprünglich spielten sie dort nur „Mensch ärgere dich nicht" und „Schach", was ich selbst auf Dauer etwas langweilig fand. Unser neues Spiel „Hunter" war kurze Zeit ein grosser Erfolg. Mathematik und Wissenschaft allgemein ist in Pakistan anders präsent als hier. Die Gesellschaft ist sehr vielschichtig und man findet Mathematik vor allem in logischem Verständnis und kreativem objektiven Denken. Mathematik als Wissenschaft hat keinen schlechten Ruf, ist aber viel weniger präsent als andere Wissenschaften. Es gab einen sehr bekannten pakistanischen Mathematiker, Abdus Salam, der 1979 als Physiker auch einen Nobelpreis erhielt. Den kennen in Pakistan viele.

Was planen Sie beruflich im Jahr 2010? 
Ich werde weiterhin am Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach arbeiten und IMAGINARY begleiten, u.a. gibt es Ausstellungen in Hannover, Cambridge und Zürich. Die Idee einer offenen IMAGINARY-Plattform für Mathematik-Ausstellungen und interessanten Programmen zur Vermittlung, werde ich weiter verfolgen.
 

Das neue Museum MiMa wird auch noch einiges an Arbeit beanspruchen. Wir planen hier Sonderausstellungen und auch neue mathematische Installationen, wie z.B. einen virtuellen Flug durch Kristallgitter. Die Kristalle selbst kann man sich im Mineralienteil des Museums auch anschauen.