Eine eher humoristische Übersicht über die unterschiedlich starken Goldbach Vermutungen findet sich auf xkcd.

2,3,5,7,11,13,... das sind die ersten Primzahlen. Man lernt sie schon in der Schule kennen, als die natürliche Zahlen, die keinen Teiler als sich selbst und die Eins besitzen. Oder, anders betrachtet: Wenn man eine prime Anzahl von Punkten in einem Rechteck anordnen will, dann gibt es dafür nur eine Möglichkeit - das Rechteck besteht aus einer langen Schlange von Punkten.

 

goldbach conjectures


Warum soll das interessant sein? Tatsächlich gelten Primzahlen in Teilen der Mathematik als die "Atome" unter den Zahlen; mit ihnen lassen sich Grundbausteine für alles Mögliche bilden. Denken wir an die oben genannten Rechtecke: Offensichtlich kann man aus mehreren primen Schlangen-Rechtecken durch Nebeneinandersetzen größere, nicht-prime Rechtecke basteln. So lassen sich zum Beispiel alle Rechtecke bauen, die aus Produkten zweier Zahlen bestehen. Umgekehrt geht das nicht: Wenn wir zwei Kopien eines nicht-primen Rechtecks nebeneinander setzen, dann kommen wir natürlich nie auf eine Anzahl von Punkten, die man nur in Schlangenform als Rechteck schreiben kann.

Das ist ziemlich einfach. Vielleicht ist diese Frage spannender: Welche Zahlenschlangen kann man aus primen Zahlenschlangen zusammensetzen? Kann man zum Beispiel alle ungeraden Zahlen als Summe von drei, vier, fünf oder mehr Primzahlen darstellen?

Genau mit dieser Frage beschäftigte sich im 18. Jahrhundert Christian Goldbach, Sekretär der Petersburger Akademie der Wissenschaften und Professor für Mathematik. Seine Vermutung, die er in einem Brief vom 7. Juni 1742 an Euler schrieb: "Es scheint wenigstens, dass eine jede Zahl, die größer ist als 1 ein aggregatum trium numerorum primorum sey." Modern ausgedrückt: Jede Zahl soll als Summe von drei Primzahlen darstellbar sein. Euler antwortete wenige Wochen später und erinnerte Goldbach daran, er habe doch schon mal vermutet, gerade Zahlen könne man aus zwei Primzahlen zusammensetzen. "[Das] halte ich für ein ganz gewisses theorema, ungeachtet ich dasselbe nicht demonstriren kann."

Heute wird als starke Goldbachvermutung gehandelt, alle geraden Zahlen größer als 2 seien Summe von zwei Primzahlen. (Für ungerade Zahlen ist die Aussage offensichtlich falsch: Wenn zwei Primzahlen in der Summe eine ungerade Zahl ergeben sollen, dann muss genau eine der beiden Primzahlen gerade sein -- und das heißt, es ist die 2. Nun ist aber zum Beispiel 11=2+9, und 9 keine Primzahl.) Die schwache Goldbachvermutung lautet dagegen: alle ungeraden Zahlen größer als 5 seien die Summe von drei Primzahlen. Nach kurzem Überlegen sieht man: Die entsprechende Vermutung für gerade Zahlen ist äquivalent zur starken Vermutung, und nach nochmaligem kurzen Überlegen erkennt man, dass aus der starken Vermutung die schwache Vermutung folgt.

So wie Euler ging es Generationen von Mathematikerinnen und Mathematikern: Auch mehrere hundert Jahre später war man der Sache nur in kleinen Schrittchen nähergekommen. Bis vor einigen Tagen war der Stand der Dinge, dass sich jede ungerade Zahl größer als Eins als Summe von fünf und weniger Primzahlen darstellen lässt. Dieses Ergebnis stammte von Terry Tao, Supermathematiker an der University of California, Los Angeles.

Nun aber scheint der Zahlentheoretiker Harald Andrés Helfgott den Durchbruch geschafft zu haben. In einer 133-Seiten-Marathon-Arbeit hat er bewiesen, dass tatsächlich drei Primzahlen in der Summe ausreichen. Und es sieht gut aus: Terry Tao hat sich bereits positiv über die Arbeit geäußert.

Wie schon Tao hat offenbar auch Helfgott eine Methode weiter verfeinert, die von den Zahlentheoretikern Godfrey Harold Hardy (1877-1947) und John Edensor Littlewood (1885-1977) entwickelt worden war. Die Idee: Man stellt eine Funktion -- die hier zum Beispiel die Anzahl der Möglichkeiten beschreibt, eine Zahl als Summe von drei, vier oder fünf Primzahlen zu beschreiben -- als ein Integral darzustellen, das über eine gewisse (andere) Funktion entlang des Einheitskreises geführt wird. Dieses Integral hängt natürlich von der Zahl ab, um die es geht, und das Ziel besteht darin, dieses Integral für alle ungeraden Zahlen abzuschätzen -- denn aus diesen Abschätzungen werden die Aussagen über Primzahlen gemolken. Helfgott scheint die Abschätzungen sehr trickreich so weit verbessert zu haben, dass es tatsächlich für die schwache Goldbachvermutung reicht.

Andreas Loos