Als Ian Agol, Topologe an der UC Berkeley, im April 2012 seinen Beweis der virtuellen Haken-Vermutung ankündigte, konnte er nicht ahnen, dass William P. Thurston (1946-2012) nur vier Monate später sterben würde. Immerhin hatte jener so noch miterleben können, wie eine Lücke geschlossen wurde, die er selbst 1982 in seinem Forschungsprogramm "Three Dimensional Manifolds, Kleinian groups, and hyperbolic geometry" als wesentlich ausgemacht hatte. Frage 16 in Thurstons Programm hatte nämlich gelautet: "Does every aspherical 3-manifold, or every hyperbolic 3-manifold, have a finite-sheeted cover which is Haken?" -- ein Problem, das seinen Ursprung in einem Aufsatz von 1968 von Friedhelm Waldhausen (Universität Bielefeld) hatte. (In derselben Arbeit brachte Thurston übrigens auch seine berühmte Geometrisierungsvermutung zu Papier.)

Nun weiß man: Die Antwort auf Waldhausens Vermutung lautet "Ja". Festgestellt wurde das von Ian Agol, Jahrgang 1970, dem ersten Doktoranden von Michael H. Freedman, seinerseits Fields-Medaillist von 1986. Agol wurde bereits mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnet, darunter (zusammen mit Danny Calegari und David Gabai) im Jahr 2009 mit dem Clay Research Award für einen Beweis der Zahmheitsvermutung von Albert Marden und 2013 mit dem Oswald-Veblen-Preis der AMS.

In der "Haken-Vermutung" geht es darum, dass jede kompakte, orientierbare, irreduzierbare 3-Mannigfaltigkeit mit unendlicher Fundamentalgruppe die "virtuelle Haken-Eigenschaft" hat, also eine endliche Bedeckung besitzt, die ihrerseits eine Haken-Mannigfaltigkeit ist -- ein Typ Mannigfaltigkeiten, der 1961 von Wolfgang Haken (Chicago) eingeführt wurde. Wer es genauer wissen will, kann nachlesen: Agol hat seinen Beweis jetzt in den aktuellen Documenta Mathematica, dem Open Access Forschungs-Journal der DMV ("The Virtual Haken Conjecture", Vol. 18 (2013), 1045-1087) publiziert.

Andreas Loos