Der Mathematiklehrer Heinz Böer (im Bild zweiter von rechts) erhielt am 17. Juli 2014 im Kaminzimmer der Alten Amtmannei in Nottuln im Münsterland das Verdienstkreuz am Bande.20140717 Verleihung Verdienstkreuz am Bande

v.l.n.r. Bürgermeister von Nottuln Peter Amadeus Schneider, Sohn Philipp, Frau Annette, Heinz Böer, Landrat von Coesfeld Konrad Püning, Foto: Stephanie Schiemann)

Heinz Böer ist 1951 in Ochtrop im Münsterland geboren und als ältester Sohn einer kinderreichen Familie eines Handwerkers aufgewachsen.

Mathematik war bereits als Schüler seine Leidenschaft. Er gab Nachhilfe und entschied sich schon frühzeitig dafür Mathematik- und Physiklehrer zu werden, weil er seine Begeisterung für das Fach Mathematik gerne an junge Menschen weitergeben wollte. Ihm fiel es schon immer leicht sich in mathematische Sachverhalte hineinzudenken. Schon als Schüler entwickelte er viele ungewöhnliche, kreative Ideen und hatte auch durchweg sehr gute Leistungen.

Vorgeschlagen hatte ihn der Mathematikprofessor Herbert Möller der Universität Münster, bei dem Heinz Böer in jungen Jahren studierte und seine 1. Staatsexamensarbeit geschrieben hatte. Im Anschluss an das Studium und Referendariat in Aalen (NRW) bekam er sofort eine Planstelle am Aufbaugymnasium Gelsenkirchen-Buer. Nach dessen Auflösung wechselte er in den 80er Jahren an das Ricarda-Huch Gymnasium in Gelsenkirchen, an dem er noch heute unterrichtet. Dort wurde er Studienrat, Oberstudienrat und schließlich 1999 Studiendirektor.

Hervorzuheben ist, dass Heinz Böer in seiner gesamten Phase als Lehrer, also von Beginn an, stets freiwillig seine Arbeitszeit auf 50% reduzierte. Er verzichtete bewusst auf eine volle Stelle und das damit verbundene volle Gehalt um noch genügend freie Lebenszeit zur Entwicklung von Mathematik-Unterrichtsmaterialien zur Verfügung zu haben. Selbst auf seinem Arbeitsweg im Zug oder im Urlaub, den er sich nur sehr spärlich gönnte, war und ist Heinz Böer immer mit offenen Augen und Ohren unterwegs. Fällt ihm etwas auf, z.B. bei verrückten Verkehrsschildern oder in der Presse, was man im Mathematikunterricht thematisieren kann, schrieb er es auf, nutzte es für seinen Mathematikunterricht und thematisierte es in der Mathematik-Unterrichts-Einheitendatei (kurz: MUED), dem Mathematiklehrerverein, den er gemeinsam mit anderen 1980 gegründet hat.

In seiner Schule hat er sich immer besonders für einen spannenden, abwechslungsreichen, aktuellen und anwendungsbezogenen Mathematikunterricht eingesetzt. Seine gesamte Persönlichkeit ist so authentisch und überzeugend, dass er viele Anhänger*innen unter den Schüler*innen und Lehrer*innen gewonnen hat und immer noch gewinnt. Exemplarisch zeigt dies sehr anschaulich der Arte-Film aus der Reihe X:enius „Wie viel Mathe steckt in unserem Leben?“ vom 25.07.2012.

Das Schulbuch ist für Heinz Böer tabu. Nur selten arbeitet er damit. In der Regel entwickelt er für jede Klasse und jeden Kurs in der Oberstufe immer aktuelle, passende, neue Unterrichtsmaterialien. Seine Themen sind häufig politischer oder ökologischer Natur, z.B. „Das Hennen-Projekt. Protest gegen Käfighaltung“, „Funktionslehre, Differenzial- und Integralrechnung am umstrittenen Thema Steuern“, „Die Aktion "Dose runter". Das Thema "Müllvermeidung" als Anlass zum Mathematisieren“, „Wasserpreise. Stochastische funktionale Abhängigkeiten modellieren“, „Konkurrenzgeschwindigkeit der Bahn“, „"Kriminelle Ausländer". Sind Ausländer krimineller als Deutsche? Eine fächerübergreifende Bearbeitung klärt auf.“, „AIDS - und andere Diagnosetests“, „Die Milchtüte - Eine Extremwert-Problemstellung aktueller, industrieller Massenproduktion“, „Fünf für den Frieden – Friedenserziehung im Mathematikunterricht“ oder „Risiko Atomkraft im Jahre n nach Tschernobyl“.

Sein Engagement gilt auch den schwachen Schüler*innen, die Wiederholungen benötigen. So hat er mehrere Aufbaukurse zum Selbstlerntraining konzipiert, damit Schüler*innen mit Lücken, diese selbständig aufarbeiten können.

Wichtig war Heinz Böer jedoch immer, dass nicht nur seine Schüler*innen von diesem attraktiven Mathematikunterricht profitierten, sondern möglichst viele andere auch. Aus diesem Grunde schrieb er akribisch für Zeitschriften, Schulbuchverlage u.ä. und entwickelte ehrenamtlich unzählige Materialien (mindestens 1.000 Unterrichtseinheiten!), die im Verein der MUED im Aufgaben-Archiv für jedes Mitglied ausleihbar sind. Doch bei der Materialentwicklung allein blieb er nicht stehen, immer wieder bot er Lehrerfortbildungen zu seinen Themen an und vermittelte so seine Ideen. Dies geschah innerhalb der MUED, auf Regionaltreffen oder den legendären MUED-Tagungen im Sommer und im Winter jeweils 4 Tage (ein verlängertes Wochenende), aber auch auf anderen Mathematiklehrerfortbildungen vom Bezirk oder anderen Organisatoren.

Besonders freut sich Heinz Böer, wenn andere mit ihm gemeinsam an Themenbereichen weiterarbeiteten und die Themenfelder somit noch gründlicher durchdacht und ausgearbeitet wurden. Zyklisch fanden auch Aktualisierungen und Prüfungen der Unterrichtsmaterialien statt, denn manch aktuelle Meldung war inzwischen veraltet. Der DM-Euro-Wechsel musste vollzogen werden, ebenso die Wiedervereinigung und die neuen Lehrpläne durch die Schulzeitverkürzung. Seit etwa 10 Jahren wurde das Unterrichtsmaterial fortlaufend auch digitalisiert. Derzeit steht etwa 95% des Unterrichtsmaterials auch digital zur Verfügung. Zudem werden seit 2005 monatlich Aufgabenblätter des Monats von MUED-Mitgliedern (viele kommen von Heinz Böer) entwickelt. Sie stehen öffentlich im Netz zum Download und werden z. B. auch von der Deutschen Mathematiker-Vereinigung verlinkt.

Außerdem engagiert sich Heinz Böer noch in der Friedensinitiative Nottuln, initiiert regionale Mathematikwettbewerbe und bringt die Mathematik regelmäßig auch in die Zeitung.
Artikel vom 18.07.2014 in den Westfälischen Nachrichten über die Verleihung des Verdienstkreuzes für Heinz Böer "Einsatz für innovativen Unterricht".

Weitere Auszeichnungen von Heinz Böer:
11/2012 MINT-Botschafter des Jahres (siehe auch MINT-Botschafter-Broschüre, s. Anhang)