Christoph Bernhard Francke Bildnis des Philosophen Leibniz ca. 1695Abbildung 1 Gottfried Wilhelm Leibniz, ca. 1695. Foto: Freie LizenzGottfried Wilhelm Leibniz, der Entdecker der Differential- und Integralrechnung, wäre am 1. Juli 2021 375 Jahre alt geworden. Der gebürtige Leipziger gilt als einer der bedeutendsten Universalgelehrten der europäischen Geschichte.

Neben bahnbrechenden Arbeiten in der Theologie, der Philosophie und den Rechtswissenschaften waren es auch seine Leistungen in Mathematik, die ihn in die Annalen eingehen ließen.

Leibniz wurde am 1. Juli 1646 in der sächsischen Handels- und Gelehrtenmetropole Leipzig geboren. Sein Vater Friedrich Leibnütz[1] war Professor für Moralphilosophie an der Leipziger Universität, seine Mutter Catharina war die Tochter des Leipziger Juraprofessors Wilhelm Schmuck. 

Bereits im Kindesalter zeigte der junge Leibniz reges Interesse an philosophischer und theologischer Literatur; mit acht Jahren brachte er sich selbst Griechisch und Latein bei. Er besuchte die Leipziger Nikolaischule, die heute noch an gleicher Stelle existiert. 

1661 schrieb er sich für Philosophie an der Universität Leipzig ein, wo er unter anderem Vorlesungen bei dem Theologen Johann Adam Schertzer und dem Philosophen Jakob Thomasius hörte. Nach Stationen in Jena und Altdorf bei Nürnberg ging der inzwischen Promovierte 1672 an den Kurmainzischen Hof, wo er sich – trotz lutherischer Konfession – als Jurist in den Dienst des Mainzer Erzbischofs Johann Philipp von Schönborn stellte. 

Ab 1672 bereiste Leibniz Europa. In Paris korrespondierte er mit Ludwig XIV., den er, aus Angst vor Eroberungsfeldzügen des „Sonnenkönigs“ in deutschen Gebieten, von einem Ägyptenfeldzug zu überzeugen versuchte. In London stellte er der Royal Society eine von ihm entworfene Rechenmaschine vor. 

Nach weiteren Aufenthalten in Paris und Den Haag ging er nach Hannover, der Residenzstadt der Welfen, um am Hof des Herzogs Johann-Friedrich von Braunschweig-Lüneburg als Bibliothekar zu arbeiten.

Neben seiner Arbeit als Hofbibliothekar ging Leibniz einer Vielzahl anderer Tätigkeiten nach: Er wurde Chronist des welfischen Familienstammbaums, war als Hofrat tätig, erstellte juristische Gutachten, plante eine Münzreform und wurde zum Inspektor der welfischen Bergwerke in Clausthal und Osterode ernannt, wo er durch zahlreiche Erfindungen und betriebliche Reformen den Grundstein für die oberharzer Montanindustrie legte. 

Obwohl sein Lebensmittelpunkt seit Mitte der 1690er Jahre in Hannover lag, besuchte der hochangesehene Gelehrte viele andere europäische Höfe. Er war oft zu Gast am brandenburg-preußischen Hof in Potsdam, wo er in Königin Sophie-Charlotte eine enge Freundin und intellektuelle Verbündete fand. Mit Hilfe der Unterstützung der preußischen Königin wurde auf Leibniz‘ Anraten 1700 die preußische Akademie der Wissenschaften gegründet, deren erster Präsident er wurde.

In den letzten Jahren vor seinem Tod kühlten die Beziehungen zum Haus Hannover unter dem neuen Herzog Georg I. ab, 1716 starb er vereinsamt. Die vielfach kolportierte Erzählung, dass bei seiner Beisetzung lediglich sein Sekretär anwesend gewesen sei, ist unter Historiker*innen allerdings umstritten.

Leibniz‘ Philosophie und Theologie standen im Zeichen seines Credos von der „bestmöglichen aller Welten“, bei der er allerdings nicht, wie es ihm Kritiker wie Voltaire vorwarfen, das Schlechte in der Welt leugnete, sondern argumentierte, dass in der Welt das Gute nur durch die Existenz des Schlechten zum Vorschein kommt, und dass Gott eine Welt geschaffen habe, in der ebenjenes Verhältnis des notwendigen Übels zum Guten ideal sei.

In der Mathematik leistete Leibniz in zahlreichen Teildisziplinen Bedeutendes: Er untersuchte als erster Determinanten, entwickelte das Dualsystem, baute eine funktionierende Rechenmaschine und ersann mit seiner Analysis Situs eine Vorform der heutigen Topologie.

Leibniz‘ mit Abstand größte mathematische Errungenschaft aber ist die Entdeckung der Differential- und Integralrechnung, die eine Zeitenwende in der Mathematikgeschichte darstellt. Inspiriert durch die Treffen mit den führenden französischen Mathematikern seine Zeit während seines Aufenthalts in Paris beschäftigte sich Leibniz mit Konvergenzfragen für unendliche Reihen. Über unendliche Reihen mit als unendlich klein angenommenen Gliedern entwickelte er dann die Integral- und schließlich die Differentialrechnung. Das heutigen Symbole \(\int f(x) \mathrm{d}x\) für das Integral und \(\mathrm{d}f/\mathrm{d}x\) für die Ableitung einer Funktion gehen auf Leibniz zurück.

geogebra export 1Abbildung 2: Ein Steigungsdreieck. Leibniz erkannte, dass sich das Verhältnis der Dreiecksseiten a und b einem festen Wert annähern, wenn sich Punkt B Punkt A annähert – Das war die Geburtsstunde der Differentialrechnung.

Da nahezu zeitgleich der Engländer Isaac Newton die Differentialrechnung in physikalischen Zusammenhängen entdeckte, wurde Leibniz von Newton zeitlebens des Plagiates beschuldigt, woraufhin dieser ähnliche Vorwürfe in Newtons Richtung erhob. Es entwickelte sich in der Folge unter den Anhängern der beiden Wissenschaftler ein erbitterter Streit um die Urheberschaft der Differential- und Integralrechnung, der auch weit über Leibniz‘ Tod hinaus weitergeführt wurde. Nach heutiger Auffassung gilt als gesichert, dass in der Tat Leibniz als Entdecker der Differential- und Integralrechnung angesehen werden kann, wenngleich ebenso sicher ist, dass Newton unmöglich Leibniz‘ Arbeiten plagiiert haben kann.

krg


[1] Der Name wurde später zu Leibniz geändert.