Die Psychologie befasst sich unter anderem mit den Denkprozessen, also auch mit dem logischen Denken. Hingegen sind die Denkprozesse für die Logik kein Gegenstand, wie schon der Philosoph Wolfgang Stegmüller richtiggestellt hat. Denn die Logik ist die Lehre von den logischen Strukturen. Die Feststellung einer bestimmten logischen Struktur, beispielsweise die Widerspruchsbeziehung bei zwei bestimmten Aussagen, ist ein spezielles Ergebnis von bestimmten Denkprozessen. Die logischen Strukturen selbst haben genauso wenig mit Psychologie zu tun wie die technische Seite einer bestimmten Erfindung, der gewöhnlich viel Denkarbeit vorausgeht. Psychologische Überlegungen sind nur in dem einen Fall relevant, wenn man die betreffende Erfindung in Verbindung bringt mit psychologischen Fragestellungen, beispielsweise die Frage nach der Genese der Erfindung oder die Frage nach der benutzerfreundlichen Gestaltung des entsprechenden Produkts.


Das logische Denken ist gekennzeichnet durch die Unterscheidung von wahren Aussagen und unwahren Aussagen, durch das Bemühen um Klarheit und durch Schlussfolgerungen. Phantasie (Einfall, Eingebung, Gedanke, Idee, Inspiration, Intuition, Kreativität) und logisches Denken sind bei der Lösung der kleinen und großen Probleme des Alltags ebenso wichtig wie in der Wissenschaft.

Beispiel für logisches Denken:

Auf der Flucht erkennt ein Fuchs einen Zaun als Hindernis. Er müsste überlegen, wie er in dieser Situation damit umgehen soll. Wie sind der Zaun und das Gelände beschaffen? Welche Fähigkeiten und Gewohnheiten haben die Verfolger? Soll er unter dem Zaun durchkriechen? Soll er versuchen den Zaun mit einem Sprung oder durch Klettern zu überwinden? Soll er die Richtung ändern? Soll er die Flucht abbrechen und sich verstecken? Eigentlich müsste er die Machbarkeit und die Folgen sowie die Vorteile und die Nachteile bei jeder Handlungsalternative (Option) bedenken. Doch er hat zu wenig Zeit für logisches Denken. Er muss sich rasch entscheiden bei unvollkommener Information. Das Ignorieren des Problems aber auch eine ungünstige Entscheidung (Wahl) könnte für den Fuchs tödlich sein.


Die logischen Schriften von Aristoteles sind der älteste bekannte Versuch, das logische Denken in ein System zu bringen. Der Philosoph Aristoteles gilt deshalb als der Vater der Logik. So genial die Idee auch war, haben doch diese Anfänge ihre Schwächen: Der aristotelische Syllogismus (siehe unten) erfasst nur einige Spezialfälle der Schlussfolgerung. Bei der Betrachtung des logischen Gehalts einer bestimmten Aussage fokussierte sich Aristoteles auf Begriffe, weshalb Definitionen bei ihm eine allzu große Bedeutung haben. Dem logischen Status der betreffenden Aussage wurde zu wenig Beachtung geschenkt.

Beispiel für einen aristotelischen Syllogismus

:

Alle Menschen sind sterblich.
Sokrates ist ein Mensch.
Also ist Sokrates sterblich.


Für Aristoteles war hier der Begriff „Mensch“ für die Schlussfolgerung konstituierend. Heute würde man betonen, dass bei dieser Schlussfolgerung ein bestimmtes wahres universelles Gesetz angewandt wird, nämlich „Alle Menschen sind sterblich.“. Die Schlussfolgerung erhält somit die Form:

Aus der Aussage „Sokrates ist ein Mensch.“ folgt die Aussage „Sokrates ist sterblich.“.



Die gültige Schlussfolgerung – im Sinne des Schließens von einer bestimmten Aussage auf eine zweite Aussage – ist der zentrale Begriff der Logik (andere Bezeichnungen: die Feststellung einer Implikation, Folgerung, Schluss). Das Wort „gültig“ wird meistens weggelassen, also stillschweigend die Gültigkeit vorausgesetzt, wenn nichts Gegenteiliges im Raum steht. Signalwörter für die Begründung machen darauf aufmerksam, dass möglicherweise eine gültige Schlussfolgerung vorliegt: also, aufgrund, da, dadurch, daher, danach, daraus ergibt sich, daraus folgt, darum, demnach, denn, deshalb, deswegen, folglich, genau dann / wenn, hinreichende Bedingung, implizieren, indem, kausal, mithin, nämlich, notwendige Bedingung, so, somit, ursächlich, wegen, weil, wenn / dann, weshalb, Wirkung, zumal. – Allerdings ist es verwirrend, wenn man in der Alltagssprache in Bezug auf das Resümee von Überlegungen ebenfalls von „Schlussfolgerungen“ spricht. Dabei handelt es sich meistens nur um eine bestimmte Meinung. Manche glauben, es würde „Schlussfolgerung“ heißen, weil die Folgerungen vermeintlich immer am Schluss (Ende) stehen.


Erste Anwendung der Logik in der Wissenschaft: Schlussfolgerungen braucht man in der Mathematik, wenn man mit einem Beweis Gewissheit erreichen will. Ein bestimmter direkter Beweis geht aus von bestimmten Prämissen. Es kann auch eine einzige Prämisse sein. "Prämissen" sind Aussagen, die wir als wahr voraussetzen. Eine Serie von Schlussfolgerungen schließt sich an, die alle nachvollziehbar sein müssen (Beweisschritte). Am Ende steht die Konklusion. So bezeichnet man im allgemeinen die zweite Aussage bei einer Schlussfolgerung. Beim direkten Beweis ist die Konklusion identisch mit derjenigen Aussage, deren Wahrheit nachgewiesen werden soll.

[

Beispiel für einen direkten Beweis:
Die Wahrheit des Lehrsatzes "In jedem Rechteck sind die
Diagonalen gleich lang." soll nachgewiesen werden.

Beweis mit Hilfe von sieben wahren universellen Gesetzen
der euklidischen Geometrie und mit Hilfe von vier Schlussfolgerungen:


(1) In jedem Rechteck sind die vier Innenwinkel rechte Winkel.

(Die Aussage (1) ist eine Prämisse.
Dieses universelle Gesetz ist wahr kraft Definition.
Denn ein Rechteck ist ein Viereck mit vier rechten Winkeln.)

(2) In jedem Viereck ABCD ist die Seite AB eine gemeinsame Seite der Dreiecke ABC und
ABD.

(Die Aussage (2) ist ebenfalls eine Prämisse.
Dieses universelle Gesetz ist wahr kraft Definition. Denn im Dreieck
ist die geradlinige Verbindung der Eckpunkte A und B eine Dreiecksseite.)

Aus (1) folgt (3): Jedes Rechteck ist ein Parallelogramm.

(Denn jedes Viereck ist eine ebene Figur und alle Senkrechten
zu einer Strecke verlaufen in derselben Ebene parallel.)

Aus (3) folgt (4): In jedem Rechteck ABCD sind die gegenüberliegenden Seiten b und d gleich lang.

(Denn in jedem Parallelogramm sind gegenüberliegende Seiten gleich lang.)
Aus (1) und (2) und (4) folgt (5): In jedem Rechteck ABCD sind die Dreiecke ABC und ABD kongruent.
(Anwendung des Kongruenzsatzes sws, kongruent = deckungsgleich)
Aus (5) folgt (6): In jedem Rechteck sind die Diagonalen gleich lang.
(Denn in jedem Paar kongruenter Figuren sind zwei Stücke,
die sich entsprechen, gleich groß.
Die Aussage (6) ist die Konklusion.)


Die Schlussfolgerung „Aus der Aussage A folgt die Aussage B.“ ist die Feststellung einer relationalen Eigenschaft der Aussagen A und B, nämlich dass der logische Gehalt von B vollständig in dem von A enthalten ist. Diese relationale Eigenschaft nennt man "Implikation" und man schreibt kurz: A => B. „Aus A folgt B.“ bedeutet, dass die Implikation (A => B) gegeben ist. Dabei bezeichnet man die Konklusion B als eine "Implikation von A". Alfred Tarskis „Folgerungsmenge“ wird weiterentwickelt zu einer richtungweisenden Definition: "Der logische Gehalt der Aussage A" ist die Menge aller gehaltvollen Implikationen von A.

Beispiel:
Aussage E: Das Viereck ABCD ist ein Rechteck.
Aussage F: Im Viereck ABCD sind die Diagonalen gleich lang.

Die Implikation (E => F) ist gegeben.

Die Schlussfolgerung „Aus E folgt F.“ ist gültig (Beweis siehe oben). Also ist die Aussage F eine Implikation von E. Der logische Gehalt der Aussage F ist kleiner als derjenige von E. Denn erstens folgt aus E beispielsweise, dass gegenüberliegende Seiten gleich lang sind, aber nicht aus F. Und zweitens sind alle Implikationen von F auch Implikationen von E, weil der logische Gehalt von F vollständig im logischen Gehalt von E enthalten ist.


Aus der Definition für die Implikation folgt die heuristische Regel: Der logische Gehalt einer bestimmten Aussage kann unmöglich durch eine Schlussfolgerung größer werden. – Im Fall der Äquivalenz bleibt er gleich. Sonst nimmt der logische Gehalt der betreffenden Aussagen in Deduktionsrichtung ab. Die Schlussfolgerung ist ein Lesen im logischen Gehalt der betreffenden Aussage wie ein aufmerksames Lesen in einem Buch und ein zweckmäßiges Auswählen von bestimmten Aussagen. Bei diesem Vergleich geht es aber nicht um Fragen der Interpretation, sondern allein um die Frage, ob der betreffende Satz tatsächlich in dem betreffenden Buch steht. Diese Frage ist keineswegs belanglos und sie ist objektiv entscheidbar. In schwierigen Fällen benötigt man zum Nachweis der Gültigkeit einer bestimmten Schlussfolgerung mehrere Beweisschritte mit Anwendung von bestimmten universellen Gesetzen.


Demgegenüber ist eine bestimmte Interpretation eines Satzes sehr oft nur eine mögliche Auslegung des betreffenden Satzes unter mehreren Möglichkeiten, weil dem Satz eine gewisse Unklarheit anhaftet. Aber selbst wenn der betreffende Satz ganz schlicht und eindeutig ist, kann dieser bedeutungsschwanger werden: Wird beispielsweise einer bestimmten Person ein großes Misstrauen entgegengebracht, so helfen keine noch so schönen Worte. In jede Aussage wird einfach eine böse Absicht hineininterpretiert. In einem anderen Fall stellt sich bei einer Interpretation die Frage, warum eine so wichtige Person so etwas Banales gesagt haben könnte. – Bei der Interpretation gibt der Kontext, in welchem der betreffende Satz steht, wichtige Hinweise. Auf jeden Fall kennzeichnet die Interpretation eines Satzes eine subjektive Komponente, die von persönlichen Interessen und von Stimmungen abhängig ist. Eine bestimmte Interpretation eines Satzes kann sogar ein Element eines bewussten Täuschungsversuchs sein.


Abwegig ist die Erwartung, dass man jede Schlussfolgerung allein mit Hilfe formaler Regeln konstruieren kann. Wäre dies möglich, so hätte man beispielsweise für die Goldbachsche Ver-mutung (siehe unten) beziehungsweise für deren abstrakte Negation längst einen direkten Beweis konstruiert. Der direkte Beweis wird in den meisten Fällen inhaltlich geführt, wobei sehr oft ein bestimmtes wahres universelles Gesetz für die jeweilige Schlussfolgerung nötig ist (siehe oben). Also kann es keine Schlussregeln geben, die allgemein anwendbar sind. Schlussregeln gibt es nur für Spezialfälle, wobei A, B und C beliebige gewöhnliche Aussagen sind. Die nachstehenden Implikationen (1) bis (11) sind allgemein gegeben, die entsprechenden Schlussfolgerungen also allgemeingültig:

(1) (A und B) => A
(2) A => A
(3) A => (A oder C)
(4) (A oder C) => D, wobei D eine gemeinsame Implikation der Aussagen A und C ist.

Die Schlussregeln (1) bis (4) kann man als Kettenschluss darstellen:
(A und B) => A => A => (A oder C) => D

(5) (entweder A oder B) => Die Aussage (A oder B) ist wahr.
(6) Der Satz über die Negation:
eine beliebige konkrete Negation der Aussage A => die abstrakte Negation der Aussage A
(7) A => die abstrakte Negation einer beliebigen konkreten Negation von A
(8) Der Satz über Allsätze:
der Allsatz E => derselbe Allsatz bezogen auf ein Teilgebiet respektive Teilmenge
(9) der Existenzsatz F => derselbe Existenzsatz bezogen auf ein umfassendes Gebiet
respektive umfassende Menge
(10) der Allsatz G über Dinge mit bestimmten vorgeschriebenen Eigenschaften =>
derselbe Allsatz mit einer zusätzlichen vorgeschriebenen Eigenschaft
(11) der Existenzsatz H über ein Ding mit mehreren vorgeschriebenen Eigenschaften =>
derselbe Existenzsatz mit einer vorgeschriebenen Eigenschaft weniger

Mit Ausnahme von (6) und (8) sind diese Spezialfälle nahezu bedeutungslos. Den Mythos von den Schlussregeln findet man schon bei Aristoteles und heute in der formalen Logik. Allerdings erleidet die Logik einen Image-Schaden, wenn es Schlussregeln geben soll, die kaum einer kennt, weil diese trivial oder sogar fiktiv sind.


Mitunter werden in einer Definition vorgeschriebene Eigenschaften des zu definierenden Begriffs fälschlich als Axiome bezeichnet, beispielsweise die „Körper-Axiome“ bei der Defini-tion des Körpers in der Struktur-Algebra. Demgegenüber ist ein Axiom ein universelles Gesetz der Mathematik, welches als wahr gilt, ohne dass man die Wahrheit nachweisen kann. Axiome sind evident in dem Sinn, dass sie unmittelbar einleuchten, also keines Beweises bedürfen. Die Evidenz eines universellen Gesetzes wird aber ausschließlich in Bezug auf Axiome akzeptiert. Manchmal ist ein Axiom hilfreich in einem Beweis. Auch die Logik besitzt Axiome, beispielsweise den Satz vom ausgeschlossenen Dritten. – Man kann darüber diskutieren, ob die Suche nach den sicheren Grundlagen der Geometrie sinnvoll war. Dabei haben Moritz Pasch und David Hilbert den Mythos vom Axiomensystem geschaffen: Angeblich kann man alle Lehrsätze eines deduktiven Systems aus dem Axiomensystem ableiten (Deduktion, folgern, herleiten, schließen). Das kann man mit einem Gegenbeispiel widerlegen: David Hilbert hat versucht für die euklidische Geometrie ein Axiomensystem zu konstruieren. Es besteht aus zwanzig Aussagen über Punkte, Strecken, Geraden, Ebenen und Winkel. Für jeden Lehrsatz der euklidischen Geometrie gibt es einen Beweis. Aber es gibt Lehrsätze, die man unmöglich aus dem Axiomensystem ableiten kann, weil diese Lehrsätze Aussagen sind über Strukturen von größerer Komplexität, beispielsweise Dreiecke, Vierecke, Ellipsen, Pyramiden. – Auch im obigen Beispiel für den direkten Beweis sind die Prämissen keine Axiome und es werden auch keine Axiome bei den betreffenden Schlussfolgerungen angewandt.

Beispiel:
D: „Zu je zwei Punkten A, B gibt es stets eine Gerade a, die mit jedem der beiden Punkte A, B zusammengehört.“
Die Aussage D ist das erste der zwanzig „Axiome“ von David Hilbert.
E: In jedem Dreieck ABC gilt die Formel für den Flächeninhalt: F = 0,5 • a • ha
Die Aussage E ist ein Lehrsatz der euklidischen Geometrie.
G: Die Strecke AB ist die kürzeste Verbindungslinie von zwei beliebigen verschiedenen Punkten A und B.
Die Aussage G ist ein Axiom der euklidischen Geometrie.

Die Gerade wird folgendermaßen definiert: Eine "Gerade" ist die geradlinige Verlängerung einer beliebigen Strecke AB über beide Endpunkte hinaus ins Unendliche. Die Aussage D beschreibt also eine vorgeschriebene Eigenschaft, nämlich dass die Punkte A und B auf der betreffenden Gerade liegen. Folglich ist die Aussage D kein Axiom, sondern wahr kraft Definition. – Auch im Rahmen der analytischen Geometrie ist der Beweis der Aussage D kein Problem: Wenn die beliebigen Punkte A und B nicht identisch sind, gibt es in jedem Koordinatensystem eine vektorielle Geradengleichung, welche die einzige Gerade durch die Punkte A und B beschreibt. Ebenso liefert die Funktionalanalysis, die Lehre von den Funktionen, in jedem zweidimensionalen kartesischen Koordinatensystem eine Lösung für das Zwei-Punkte-Problem, nämlich eine Geradengleichung. – Für den Lehrsatz E gibt es einen Beweis im Rahmen der euklidischen Geometrie, wobei die Arithmetik und die Algebra in der euklidischen Geometrie angewandt werden. Aber aus dem System der zwanzig „Axiome“ von David Hilbert kann man den Lehrsatz E definitiv nicht ableiten.


Werden mehrere gültige Schlussfolgerungen hintereinander geschaltet, so erhält man einen "Kettenschluss". Für alle gehaltvollen Aussagen gilt der Satz vom Kettenschluss: Jeden Kettenschluss darf man auf eine einzige Schlussfolgerung verkürzen. – Übrigens sind die Schlussfolgerungen „Aus E folgt F.“ und „Aus E folgt G.“ im nachstehenden Beispiel nicht nachvollziehbar. Deshalb sind hier Beweise erforderlich. Erst im Rahmen des direkten Beweises (siehe oben) wird die Implikation (E => F) nachgewiesen. Die Schlussfolgerung „Aus F folgt G.“ ist nachvollziehbar. Die Schlussfolgerung „Aus E folgt G.“ ist gültig nach dem Satz vom Kettenschluss.

Beispiel:
Aussage E: Das Viereck ABCD ist ein Rechteck.
Aussage F: Die Dreiecke ABC und ABD sind kongruent.
Aussage G: Im Viereck ABCD sind die Diagonalen gleich lang.


Aus „Die Implikationen (E => F => G) sind gegeben.“ folgt „Die Implikation (E => G) ist geben.“.


Der Satz zum modus ponens: Aus der Konjunktion <Die Implikation (A => B) ist gegeben. und Die Aussage A ist wahr.> folgt, dass die Aussage B ebenfalls wahr ist. – Die gültigen Schlussfolgerungen übertragen also stets die Wahrheit der Prämissen auf die Konklusion. Denn der logische Gehalt der wahren Aussage A enthält ausschließlich wahre Aussagen. Dies wird beim direkten Beweis ausgenützt.

Beispiel:
Aussage A: Jedes Rechteck besitzt einen Umkreis. (wahr)
Aussage B: Jedes Rechteck besitzt einen Inkreis. (unwahr)

Auf dem "Umkreis" liegen alle Eckpunkte. Der "Inkreis" berührt alle Seiten von innen. Die Aussage A ist wahr, hingegen die Aussage B unwahr. Weil die wahre Aussage A ausschließlich wahre Implikationen besitzt, kann die unwahre Aussage B keine Implikation von A sein. Die Schlussfolgerung „Aus A folgt B.“ ist also ungültig.


Definition: „Die betreffende Schlussfolgerung ist nachvollziehbar.“ bedeutet, dass diese gültig ist, weil entweder eine bestimmte Schlussregel für einen Spezialfall anwendbar ist oder ein bestimmtes wahres universelles Gesetz. – Ist die Schlussfolgerung „Aus A folgt B.“ ungültig, so liefert die wahre Aussage A keine Wahrheitsgarantie für B. Eine Schlussfolgerung, welche ungültig ist, bezeichnet man als Trugschluss. Übersieht man eine Möglichkeit, so führt das meistens zu einem Trugschluss. Ein Trugschluss entsteht, wenn ein unwahres universelles Gesetz angewandt wird. Auch die fälschlich behauptete Äquivalenz von zwei Aussagen respektive die Umkehrung der Deduktionsrichtung ist hin und wieder der Ausgangspunkt für einen Trugschluss.

Beispiel für einen Trugschluss:
Aussage E: Das Viereck ABCD ist ein gleichschenkliges Trapez.
Aussage F: Im Viereck ABCD sind die Diagonalen gleich lang.

Die Schlussfolgerung „Aus E folgt F.“ ist ungültig. Zwar sind in jedem gleichschenkligen Trapez, dessen Schenkel nicht parallel verlaufen, die Diagonalen gleich lang (Trapez mit Symmetrie-Achse), aber auch das Parallelogramm ist ein gleichschenkliges Trapez. In einem Parallelogramm sind die Diagonalen nur in dem einen Fall gleich lang, wenn das Parallelogramm zugleich ein Rechteck ist. In manchen Geometriebüchern wird der asymmetrische Fall übersehen, was zu vier unwahren Lehrsätzen über das gleichschenklige Trapez führt.


Der Satz zum modus tollens: Aus der Konjunktion <Die Implikation (A => B) ist gegeben. und Die Aussage B ist unwahr.> folgt, dass die Aussage A ebenfalls unwahr ist. – Die gültigen Schlussfolgerungen übertragen stets die Unwahrheit der Konklusion entgegen der Deduktionsrichtung, also beim Kettenschluss vom Ende auf den Anfang. Folglich gilt die heuristische Regel: Eine einzige unwahre Implikation von A dient als Nachweis für die Unwahrheit der Aussage A. – Den Nachweis der Unwahrheit nennt man Widerlegung (Falsifikation, Falsifizierung).

Beispiel für eine Widerlegung:
Behauptung A: Die Raumsonde Galileo ist im September 2003 auf einer Umlaufbahn um den Jupiter mit einer Raumstation zusammengestoßen. (unwahr)
Aussage B: Im September 2003 war auch eine Raumstation auf einer Umlaufbahn um den Jupiter. (unwahr)

Die Schlussfolgerung „Aus A folgt B.“ ist gültig. Die Aussage B ist eine Implikation von A, die aber unwahr ist. Obwohl die Entfernung Erde-Jupiter zwischen 589 Millionen und 968 Millionen Kilometer beträgt und es deshalb schwierig ist, die aus der Luft gegriffene Behauptung A zu widerlegen, muss man diese wegen der unwahren Implikation als Falschmeldung zurückweisen. – Hintergrund-Information: Auch Tatsachen widerlegen die Behauptung A. Am 21.09.2003 verglühte die Raumsonde Galileo ohne eine vorausgehende Kollision in den Wolken des Jupiter, nachdem sie etwa acht Jahre lang den Jupiter umrundet hatte. Mit diesem kontrollierten Absturz wollte die Nasa vermeiden, dass die Raumsonde auf dem Jupiter-Mond Europa aufschlägt und dort Keime von der Erde freisetzt. Denn die Raumsonde war nicht steril. Unter dem über zehn Kilometer dicken Eispanzer des Monds Europa vermutet man einen Ozean und dort wäre eventuell ein dauerhaftes Überleben von Mikroben möglich. Vielleicht leben dort bereits Mikroben, die nicht von der Erde stammen. In Hinblick auf das Rätsel der Entstehung des Lebens auf der Erde wäre der Nachweis von exoterrestrischen Mikroben auf dem Jupiter-Mond Europa eine Sensation.


Eine zweite Anwendung der Logik in der Wissenschaft liegt in der Kritik der vielen Vermutungen, die wir für wahr halten. Im Rahmen der Naturwissenschaften hat die Skepsis sogar eine methodologische Bedeutung. Bei der Überprüfung einer bestimmten Theorie suchen wir hauptsächlich nach einem Gegenbeispiel: Die Aussage A über gegebene Anfangsbedingungen ist wahr. Die abgeleitete Prognose B stellt sich aber als unwahr heraus. Das wäre aber sowohl nach dem Satz zum modus ponens als auch nach dem Satz zum modus tollens unmöglich. Der Fehler liegt in der Schlussfolgerung selbst. „Aus A folgt B.“ ist ein Trugschluss, weil die zu Grunde gelegte Theorie, ein universelles Gesetz, unwahr ist. Es gilt also die heuristische Regel: Vom Gegenbeispiel dürfen wir auf die Unwahrheit des betreffenden universellen Gesetzes schließen.


Der Satz über Wahrheitsfeststellungen: Die Schlussfolgerung <Aus A folgt B.> ist äquivalent mit der Schlussfolgerung <Aus „Die Aussage A ist wahr.“ folgt „Die Aussage B ist wahr.“.>. – Wahre Aussagen sind stets hundertprozentig wahr. Demgegenüber sind unwahre Aussagen niemals hundertprozentig unwahr. Denn der logische Gehalt jeder unwahren Aussage A enthält die wahre Adjunktion (A oder B), wobei B eine beliebige wahre gewöhnliche Aussage ist. Zwar ist die Konjunktion (A und B) aus der wahren Aussage A und der unwahren Aussage B unwahr, aber sie besitzt wahre Implikationen, beispielsweise alle Implikationen von A. Jede kontradiktorische Aussage ist unwahr, besitzt aber neben den wahren Adjunktionen mindestens eine wahre Implikation. Auf jeden Fall enthält der logische Gehalt einer unwahren Aussage neben den unwahren Adjunktionen mindestens eine unwahre Implikation, welche nicht den logischen Status einer Adjunktion besitzt.

Beispiel:
Aussage A: Jedes Rechteck besitzt einen Inkreis. (unwahr)
Aussage B: Jedes Quadrat besitzt einen Inkreis. (wahr)
Aussage C: In jedem Rechteck stehen die Diagonalen aufeinander senkrecht. (unwahr)
Aus der unwahren Aussage A folgt die unwahre Aussage C, aber auch die wahre Aussage B.


Eine bestimmte Implikation einer bestimmten Vermutung ist entweder wahr oder unwahr. Möglicherweise hat sie ebenfalls den logischen Status einer Vermutung. Sie führt zu einer Klärung der Wahrheitsfrage, wenn sie nachweislich unwahr ist (eine Widerlegung der Vermutung). Die Wahrheitsfeststellung „Ein bestimmtes universelles Gesetz ist wahr.“ darf man als Feststellung einer allgemeinen Implikation formulieren, also als Schlussfolgerung. Hat das universelle Gesetz den logischen Status einer Vermutung, so ist die entsprechende Schlussfolgerung ebenfalls eine Vermutung, also ein ungeklärter Fall.

Beispiel:
"Primzahlen" sind natürliche Zahlen, welche nur durch eins und durch sich selbst teilbar sind. Ein Problem der Zahlentheorie ist die Goldbachsche Vermutung: Jede gerade Zahl, welche größer als zwei ist, ist gleich der Summe zweier Primzahlen. Die Goldbachsche Vermutung besitzt den logischen Status eines universellen Gesetzes. Aber der Beweis für das universelle Gesetz wird immer noch gesucht. Im Jahr 1742 hat Christian Goldbach seine Vermutung in abgeschwächter Form als Randnotiz in einem Brief an Leonhard Euler formuliert. Im Rahmen eines Informatik-Projekts von Jörg Richstein (Universität Gießen) sind im Jahr 1998 alle geraden Zahlen beginnend mit der Zahl Vier bis einschließlich der Zahl 400 Billionen vollständig überprüft worden, ohne dass man ein Gegenbeispiel gefunden hat. Es gibt aber unendlich viele positive gerade Zahlen. Deshalb ist die Überprüfung aller positiven geraden Zahlen unmöglich. Zurzeit wissen wir nicht, ob dieses universelle Gesetz wahr ist. Als allgemeine Implikation hätte die Goldbachsche Vermutung die nachstehende Form, wobei die Gültigkeit der der entsprechenden Schlussfolgerung nur bis einschließlich der 400-Billionen-Grenze geklärt ist: x ist eine gerade Zahl, welche größer als zwei ist. => Die Zahl x ist gleich der Summe zweier Primzahlen.


Mit einem direkten Beweis erreichen wir keine absolute Gewissheit. Ein Irrtum wäre im Fall der absoluten Gewissheit unmöglich. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Irrtum ausgeschlossen ist, hätte den Wert p = 1. – Demgegenüber bedeutet "Gewissheit" nur, dass ein Irrtum mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (p = 0,99). Denn unser Streben nach Erkenntnis ist untrennbar verbunden mit unserer Fehlbarkeit. Fehler sind also möglich, selbst wenn die Sicherheit sehr groß ist. – Man kann sich auch bezüglich der Sicherheit irren. Beispielsweise galt eine lange Zeit die Newtonsche Himmelsmechanik im Rahmen der induktiven Erkenntnistheorie als bewiesenes (sicheres) Wissen. Im Licht der speziellen Relativitätstheorie von Albert Einstein wurde klar, dass die Newtonsche Himmelsmechanik zwar genial ist, aber den logischen Status einer Vermutung hat (p = 0,5). Auch die spezielle Relativitätstheorie, nach der ein Körper aus Materie sich nicht schneller bewegen kann als mit Lichtgeschwindigkeit, ist eine geniale Vermutung (p = 0,5). Wie in diesem Fall können Theorien in einer Konkurrenz-Situation stehen und der/die Forscher*in kann meistens entscheiden, welche von ihnen die zurzeit beste Theorie ist.


Absolute Gewissheit ist bei Beobachtungen ebenfalls unerreichbar. Entscheidend für ihre Verlässlichkeit sind voneinander unabhängige Befunde. Deshalb wird die Beobachtung eines/r Forscher*in mit den Beobachtungen anderer Forscher*innen verglichen. Auch die Wiederholbarkeit des Experiments muss gefordert werden. Ein fehlerhafter Versuchsaufbau kann falsche Daten liefern. Es kommt sogar vor, dass ein/e unehrliche/r Forscher*in Befunde fälscht. Hin und wieder berichten die Massenmedien über einen spektakulären Fall.

Beispiel:
Am 18.11.2011 kam die Europäische Organisation für Kernforschung CERN in die Schlagzeilen. Der Teilchenbeschleuniger in Meyrin in der Schweiz hatte in einer Versuchsserie gerichtete Neutrino-Bündel auf den 730 km entfernten Detektor im Straßentunnel des Granit-Bergs Gran Sasso in Italien geschickt. Die winzigen Neutrinos durchdringen mit sehr hoher Geschwindigkeit die Erdkruste nahezu ohne Verluste. Dabei sind 1611 Neutrinos festgestellt worden, welche vermeintlich mit einer höheren Geschwindigkeit als Lichtgeschwindigkeit unterwegs waren. Diese superschnellen Neutrinos hätten die spezielle Relativitätstheorie widerlegt. Deshalb hat man mehrfach den Versuchsaufbau überprüft, bis man nach Jahren den Mut hatte, mit dem erstaunlichen Befund an die Öffentlichkeit zu treten. Allerdings schon am 23.02.2012 mussten die Forscher zurückrudern. Man hat eine lockere Steckverbindung an einem optischen Glasfaserkabel entdeckt, welche die äußerst präzise Zeitmessung verfälscht hatte.
 
Manfred Brill