Ende des Jahres 2016 geht auch die Amtszeit des DMV-Präsidenten Volker Bach zu Ende. Der DMV-Präsident wird turnusgemäß jeweils nach zwei Jahren abgelöst. Auf den Mathematik-Professor an der TU Braunschweig folgt nun zum 1. Januar 2017 Michael Röckner, Mathematik-Professor an der Universität Bielefeld. Zum Abschied aus dem Präsidentenamt sprach Volker Bach mit David Vogel und Thomas Vogt vom DMV-Medienbüro.

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Volker Bach und Thomas Vogt im Gespräch


Medienbüro: Lieber Herr Bach, zunächst würde uns interessieren: Was waren die Highlights Ihrer Amtszeit?

Volker Bach: 2015 war dies die DMV-Jahrestagung in Hamburg, die ich rundum gelungen fand. Es gab tolle Vorträge und eine Riesenbeteiligung von über 850 Teilnehmern. Sogar das Wetter war gut, was für Hamburg bekanntlich nicht selbstverständlich ist!
In diesem Jahr fand ich die Preisverleihung von "Mathe im Advent (MiA)" im Januar am schönsten. Als Präsident nimmt man ja an vielen Preisverleihungen teil, spricht Grußworte, übergibt Preise – meist recht feierlich. Bei der MiA-Preisverleihung kommt aber noch die ehrliche, im besten Sinne kindliche Freude bei den Gewinnern hinzu.
Das MiA-Team um Stephanie Schiemann und Robert Wöstenfeld hat hier hervorragende und einfühlsame Arbeit geleistet. Deshalb freute mich vor ein paar Tagen die Nachricht sehr, dass "Mathe im Advent" auch dieses Jahr -- im ersten Jahr der Ausgründung -- sehr erfolgreich läuft.

Welche Themen und Entwicklungen waren oder sind wichtig?

Die DMV nimmt zunehmend auch Themen in den Fokus, die in den Schulbereich hineinreichen. Die Gründung der "Mathematik-Kommission zum Übergang Schule-Hochschule" gemeinsam mit GDM und MNU, als Didaktik- bzw. Lehrerverband, vor vier Jahren spiegelt diese Entwicklung wider. Früher, in einer DMV, die sich auf die akademische Welt konzentrierte, hatten die Schulthemen keine so hohe Bedeutung. Bildungsvergleichstudien wiesen dann auf sinkende mathematische Allgemeinbildung hin und machten auch den Hochschulmathematikern klar, dass sich die Nachwuchsfrage nicht erst nach dem Abitur stellt. Daher halte ich es für eine wichtige Aufgabe der DMV, dass sie als größte Fachgesellschaft für Mathematik hier Stellung bezieht. Dies wird von der Öffentlichkeit beobachtet und auch erwartet, denke ich.
In diesem Feld hat die DMV einen wichtigen Schritt gemacht und die Notwendigkeit der Festlegung von mathematischen Mindestanforderungen bei Studienanfängern festgestellt. Darüber hinaus wurde eine Empfehlung des Mindestanforderungskatalogs der COSH-Gruppe verabschiedet, was eine wichtige Konkretisierung bedeutet.

Wie hat sich die Beziehung der DMV zu anderen Fachgesellschaften entwickelt?

Neben dem Schulterschluss mit GDM und MNU als Didaktik- und Lehrerverbänden möchte ich da die institutionalisierte Abstimmung mit den naturwissenschaftlichen Fachgesellschaften DPG, GDCh, VBio und DVGeo in regelmäßig stattfindenden Präsidententreffen und den gemeinsam vergebenen Ars legendi-Fakultätenpreis Mathematik nennen.

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Bach und Ziegler, Mitglieder des DMV-Präsidiums


Welche Entwicklungen zeichnen sich ab?

Man muss kein Orakel sein um zu sehen, dass uns die Akkreditierung von Studiengängen und die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens in den kommenden Jahren in Atem halten und uns viel Arbeit bescheren werden!
Das deutsche Bachelor-/Master-Akkreditierungssystem hat auch nach nunmehr 15 Jahren wesentliche, anfangs gesteckte Ziele nicht erreicht. Die derzeit praktizierte Systemakkreditierung stellt Qualitätssicherung und Transparenz auf den Kopf. Akkreditierung ist und bleibt also eine Baustelle. Ob der Ausstritt der DMV aus der Akkreditierungsagentur ASIIN e.V. letztes Jahr der richtige Schritt war, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Noch größere Umwälzungen sind womöglich im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens zu erwarten, denn die Fronten der Verhandlungspartner bei DEAL – Elsevier versus Allianz der Wissenschaftsorganisationen und KMK – verhärten sich zusehends. Wie es scheint, werden die meisten Unibibliotheken mitziehen und ihre Elsevier-Abonnements nicht erneuern. Das hätte vor einigen Jahren niemand prognostiziert – was für eine aufregende Entwicklung! Gleichwohl nehme ich in meiner Umgebung eine große und ungeteilte Unterstützung der deutschen Verhandlungsposition wahr und den Willen, hier den längeren Atem zu haben. Meines Erachtens spielt Elsevier mit dem Feuer, denn technisch gesehen ist die Ersetzung eines Verlags oder sogar des gesamten Verlagswesens durch eine öffentlich kontrollierte Technologie keine Science-Fiction – es müssten sich nur genügend viele seiner Kunden zusammentun.
Zusätzlich zu diesen beiden Themen erwarte ich, dass die "Digitalisierung" und "Digitalkompetenz" in den kommenden Jahren in den Fokus rücken wird. Schon die Zuteilung von fünf Milliarden durch das BMBF wird dafür sorgen. Selbstverständlich ist dies ein Thema, dem sich die DMV als große Vereinigung von Experten widmen muss. Auf dem ICM 1998 in Berlin schloss einer der Vorträge mit der Prognose, das 21. Jahrhundert werde das Jahrhundert der Mathematik. Ich denke, dass die gegenwärtige Entwicklung das Eintreffen dieser Prognose widerspiegelt.

Lieber Herr Bach, vielen Dank für das Gespräch und die gute Zusammenarbeit der letzten zwei Jahre. Wir hoffen, dass Sie sich als „Past-Präsident“ weiterhin in die DMV einbringen werden.

Das Gespräch fand am 20.12.2016 in Berlin statt. Fotos von Stefan Auerbach.