Sie kennen ihn vielleicht aus Büchern wie „Pi und Co.“, der Kolumne „Fünf Minuten Mathematik“, seinen mathematischen Zaubershows, als Kurator oder aus dem Internet (ehrhard-behrends.de, mathematics-in-europe.eu, mathematik.de): Ehrhard Behrends, Mathemacher im November 2017. Hauptberuflich wirkte der Mathematikprofessor als Spezialist in Funktionalanalysis und Stochastik von 1973 bis 2014 an der Freien Universität Berlin und bekleidete zudem Ämter in der DMV. Wie es dazu kam und wie es weitergeht, erzählt er dem Medienbüro im Interview.

e behrendsEhrhard Behrends
(Foto: privat)

Hut ab, Professor Behrends, für ihre Leistungen um die Popularisierung der Mathematik, die Ihnen nebenbei große Bekanntheit einbrachten, insbesondere über die deutschsprachige Mathe-Community hinaus. Wie fing das an?

Vor ungefähr zwanzig Jahren begann ich mit Vorträgen in Schulen und Volkshochschulen, später gewann ich die Urania in Berlin als Veranstaltungsort und organisierte dort gemeinsam mit Martin Aigner regelmäßig Vorträge für die breite Öffentlichkeit. Das war eine Neuerung, denn Mathematik hatte die Urania damals nicht im Programm. Die Veranstalter waren vom Erfolg positiv überrascht. Die gesammelten Vorträge haben wir im Buch „Alles Mathematik“ herausgegeben.

Gibt es noch andere Bücher mit Ihnen als Autor oder Herausgeber?

Alles in allem, also mit den Fach- und Lehrbüchern, komme ich schätzungsweise auf vierzehn Buchtitel. Neuauflagen und Übersetzungen, etwa ins Japanische, sind da aber nicht mitgezählt. Bei den Populärwissenschaftlichen dürften ein halbes Dutzend sein. (Anm. Exakte Zahl sind 16, 5 davon populärwissenschaftlich) Hunderte Abiturpreisträger der DMV bekommen seit 2008 jährlich „Pi und Co.: Kaleidoskop der Mathematik“ geschenkt, worin sich viele exklusive Beiträge befinden (herausgegeben von Behrends, Gritzmann, Ziegler). Aber das Wichtigste ist das Buch „Fünf Minuten Mathematik“, das meine wöchentliche WELT-Kolumne aus 2003 und 2004 aufgreift und erweitert. Später führten Kollegen die Kolumne erfolgreich weiter. Kürzlich erschien auch „Der mathematische Zauberstab“ bei Rowohlt.

... sie für viele Anwendungen wichtig, faszinierend und für das Verständnis unserer Welt unerlässlich ist.

... etwas unerwartet für einen Professor: Sie treten auch als Zauberer auf, mithilfe der Mathematik. Was hat es damit auf sich?

Ich kannte Zaubern von Kindergeburtstagen und im Zusammenhang mit Mathematik auch über das Werk Martin Gardners. Eindrücklicher war, als mir ein Kollege bei einer Konferenz einen Trick vorführte, den Trick hinter dem Trick aber nicht verstand. Schließlich enträtselten wir den mathematischen Hintergrund zusammen. Das war ein großer Motivationsschub: Da verschmolzen Mathematik und Zauberei in meinem Leben. Inzwischen bin ich geprüfter Zauberer. Die Prüfung beim Magischen Zirkel Deutschland war 2015 eine gute Erfahrung. Als Professor vergisst man manchmal, dass prüfen leichter ist als geprüft zu werden.

Erklären Sie die Tricks in der Show? Für den Mathematikkommunikator Behrends ist das Pflicht, für den Zauberer Behrends ein Kodexbruch.

Fallunterscheidung! In einer Zaubervorstellung lasse ich die Verblüffung über den Trick stehen. Für Lehrer oder Zauberer lüfte ich aber auch mal das Geheimnis. Über die Erlaubnis dazu habe ich mit dem Vorstand des magischen Zirkels erfolgreich verhandelt.
Abstrakt gesprochen basieren die Tricks darauf, dass für den Laien unsichtbare mathematische Information drinsteckt. Das Gute daran ist, dass die Mathematik die Illusion ganz von allein erzeugt. Fingerfertigkeit muss man keine trainieren. Die Mathematik dahinter kann richtig schwer sein, sogar für Profis. Deswegen habe ich auch ein Fachbuch daraus gemacht „Mathematik und Zaubern: Ein Einstieg für Mathematiker“

17 Jahre „mathematik.de“ – Wie kamen es zu der Webseite und zu der wertvollen Domain, von der die DMV noch heute profitiert?

Im Jahr 2000 regte ich im Präsidium den Aufbau der Webseite an. Nach Sponsoring-Zusage der Münchener Rückversicherung begann die Arbeit: Teambildung, Brainstorming, Themenfindung. Schnell standen zwei Foki: zu zeigen was die Welt von der Mathematik hat und eine Anlaufstelle für die mathematischen Probleme von Jedermann zu schaffen. Ein Nachhilfeverein hatte die Domain inne, die er aber nach Verhandlungen rausrückte. Ich war dann acht Jahre von der DMV für die Seite beauftragt bis Wolfram Koepf 2010 übernahm.

Welche Reaktionen gab es?

Unzählige Mails trafen ein: Spezialprobleme von Studenten, ein Gärtnereiunternehmen, das seine Mähstrategie optimieren wollte ... An eine Frage erinnere ich mich ganz besonders, weil ein gewisses Medienecho darauffolgte. Eine damalige Sechstklässlerin namens Lisa fragte wie die beiden Schreibweisen von drei Dritteln, nämlich Null Komma Neun Neun Neun und so weiter und Eins, denn gleich sein können, ob da nicht „ein Unendlichstel“ fehle.

Wenn Sie an Ihr Engagement in der DMV gestern/heute/morgen denken, was fällt Ihnen ein?

In den rund zehn Jahre in DMV-„Hauptfunktionen“, also im Präsidium, als Schriftführer und als Beauftragter für mathematik.de, sammelte ich viele schöne und gute Erfahrungen. Etwa die, dass man in einem solchen Verein besser Projekte realisieren kann als im Fachbereich an der Uni.
Mit der Präsidiumswahl 2017 lege ich das Amt des Wahlleiters nieder. Im Team mit Roswitha Jahnke aus der Geschäftsstelle und anderen habe ich seit 2003 jährlich Stimmbriefe geöffnet, geordnet, gezählt und so weiter. Das können jetzt andere machen.
Ich helfe weiterhin gern, wenn in der DMV Sonderaufgaben anfallen. Ich finde es aber auch schön, dass ich mich jetzt vermehrt auf das Forschen, Vorlesungen und Vorträge oder auf das Bücher schreiben konzentrieren kann.