Die promovierte Mathematikerin an der Technischen Universität  München und die Mathematiklehrerin am Münchner Elsa-Brändström-Gymnasium organisieren seit mittlerweile 15 Jahren gemeinsam den Tag der Mathematik für Schüler*innen (TdMfS*S), der am „Department of Mathematics der TUM School of Computation, Information and Technology“ der Technischen Universität München (TUM) stattfindet.

Der vielfältige Mathematik-Aktionstag hat sich über die Jahre in der Region zu einer Institution entwickelt, so dass der Zugang inzwischen alleine aus Platzgründen auf maximal 500 Teilnehmende begrenzt werden musste. Um trotzdem mehr interessierten Schüler*innen einen TdMfS*S zu ermöglichen,  wurde inzwischen ein ähnlich erfolgreicher Ableger mit rund 300 Teilnehmer*innen in Augsburg ins Leben gerufen. Thomas Vogt vom DMV-Medienbüro sprach mit Vanessa Landgraf (VL) und Silke Karl (SK) über die Anfänge und Erfolge des Münchner Tags der Mathematik.

IMG 8473 SilkeKarlVanessa LandgrafSilke Karl [links] und Vanessa Landgraf [rechts]
Foto: Paul Stein

Bitte erzählen Sie uns zunächst, wie der Tag der Mathematik für Schülerinnen und Schüler seinen Anfang nahm, Frau Landgraf,  und wann und warum Sie, Frau Karl, den Aktionstag für sich und ihre Schülerinnen und Schüler entdeckt haben.

SK: Der Tag der Mathematik wurde 2000 von Prof. Dr. Fritsch, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), und Frau Ute Schätz, Fachgruppenleiterin für Mathematik beim Bayerischen Philologenverband, ins Leben gerufen. Ein Kollege motivierte mich damals zur Mitarbeit. 2005 übernahm ich dann von Frau Schätz die Leitung der Fachgruppe Mathematik, es gab einige Umstrukturierungen und so fand 2009 der zehnte Tag der Mathematik erstmalig an der Technischen Universität München (TUM) statt.

VL: Der erste Kontakt entstand im Jahr der Mathematik 2008 über einen Austausch mit der LMU zu mathematischen Veranstaltungen. Es wurde nach Unterstützung für den damaligen Tag der Mathematik, kurz TdM,  gesucht. In diesem Prozess landete er dann 2009 erstmalig als „TdMfSS“ an der TUM. Der Zusatz „für Schülerinnen und Schüler“ war damals notwendig, weil die Absolventenverabschiedung der TUM damals auch den Namen „TdM“ führte.

Was macht das besondere Format des Tags der Mathematik für Schülerinnen und Schüler aus? Worauf sind Sie besonders stolz?

SK: Im Team(!) mathematische Knobelaufgaben lösen, „freiwillig“ sich samstags mit Mathematik beschäftigen, Mathematik von einer anderen Seite her erleben, Vorlesungsluft schnuppern, gemeinsam Spaß an Mathematik zu haben – all das macht den TdMfS*S aus.

VL: Wenn Kinder alles um sich herum vergessen, um fröhlich und konzentriert sogar auf dem Fußboden sitzend Mathe-Aufgaben zu lösen (weil auf dem Weg zu den Tischen zu viel Denkzeit verloren gehen könnte), dann lacht mein mathematisches Herz.

Besonders freut es mich, wenn Studierende, die beim TdMfS*S mithelfen, mir erzählen, dass sie früher selbst am TdMfS*S teilgenommen haben und diesen Tag ganz toll fanden.

Wie hat sich das Angebot über die Jahre entwickelt und welche Aktivitäten haben sich dabei als besonders beliebt und erfolgreich erwiesen?

VL: Frau Karl hat die Umstrukturierung ja schon angesprochen. Uns war und ist es wichtig, Mathematik im Team erlebbar zu machen. Somit gibt es bei uns keine strenge Kontrolle und Aufsicht beim Lösen der Aufgaben, sondern stattdessen große Posterwände mit den Aufgaben in unserer Magistrale und dem ausdrücklichen Wunsch nach Zusammenarbeit in den Teams. Für Schüler*innen ohne Team werden jeweils neue Teams auch schulübergreifend gebildet. Während der Korrekturphase gibt es für alle Schüler*innen spannende und altersgerechte Vorlesungen und Workshops. Das große Finale ist natürlich dann die Verlosung der Preise.

SK: Früher, im alten Format, konnten nur die Mathecracks die Preise abräumen, mittlerweile gibt es für die richtigen Lösungen Coins, die in eine Lostrommel wandern. Mit jeder gelösten Aufgabe erhöht sich damit die Chance auf einen Hauptgewinn, aber auch mit nur einer richtig gelösten Aufgabe hat man eine Chance darauf. Zudem gibt es am Ende ein kleines mathematisches Goodie für jede*n.

VL: Die Idee mit den Coins und der Lostrommel haben wir von einem unserer früheren Formate bei der Nacht der Mathematik übernommen.

 

sie voller Wunder ist.

 

Wie haben Sie es geschafft, die Schulen der Region München zu aktivieren?

SK: Das war gar nicht nötig. Die Kolleg*innen des Arbeitskreises und alle die, die als fleißige Korrektor*innen und Workshopleiter*innen den Tag mitgestalten, haben die Idee in ihre Schulen getragen und die Resonanz war umwerfend.

VL: Und natürlich weisen wir ergänzend mit Webseite und Informationspost auf dieses und unsere anderen Angebote hin.

Inwiefern bereichert der Tag der Mathematik den Schulunterricht, Frau Karl? Was würden Sie sich hier sich für die Zukunft für die Schulen wünschen?

SK: Den Schüler*innen wird hier die Möglichkeit gegeben, miteinander Lösungsansätze zu diskutieren und Lösungsstrategien zu entwickeln. Auch ungewöhnliche und kreative Wege können dabei beschritten werden,  Weiter- oder „Um die Ecke“- Denken ist ausdrücklich erwünscht. Dafür besteht im normalen Schulunterricht leider zu wenig Zeit. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass jede*r im Fach Mathematik erfolgreich sein kann.

VL: Ich glaube, dass auch das Wesen der Mathematik erfahrbar wird: Mathematik ist eben nicht nur Zählen und Rechnen, sondern Kombinieren, von etwas Bekanntem auf etwas Unbekanntes schließen, vom Kleinen ins Große und auch umgekehrt zu denken, sich dabei ordentlich zu wundern, zu staunen und – wenn alles gut gelaufen ist und man die Lösung gefunden hat – den AHA-Moment zu genießen.  Für mich hat Mathematik eine innere Schönheit und einen inneren Zauber – beides ist am TdMfS*S immer sehr lebendig zu spüren.

Wie wird der Tag der Mathematik finanziert und ist das Angebot für die Schülerinnen und Schüler kostenfrei?

SK: Das Angebot ist für die Schüler*innen kostenfrei. Finanzielle und materielle Unterstützung für die Vorbereitung und Durchführung des Wettbewerbs und der Workshops erhalten wir vom Bayerischen Philologenverband. Zudem sind ca. 30 Lehrkräfte freiwillig aktiv bei der Erstellung der Aufgaben, deren Korrektur, Workshop-Angeboten oder auch allein nur  bei der Begleitung ihrer Schüler*innen involviert. Die Schüler*innen meines P-Seminars sowie aktive als auch ehemalige Schüler*innen des Städt. Elsa-Brändström-Gymnasiums sind in jedem Jahr unterstützend dabei, sie nutzen auf diese Weise die Chance, auch nach der 10. Klasse am TdMfS*S teilnehmen zu dürfen.

VL: Die TUM übernimmt die Kosten für die studentischen Hilfskräfte, die Preise und das mathematische Goodie am Ende der Veranstaltung für alle. Bei uns in der Mathematik gibt es immer wieder Professor*innen und Mitarbeiter*innen, die sich freiwillig am Samstag mit Vorträgen und organisatorischer Unterstützung einbringen.

SK + VL: Wir freuen uns beide immer sehr über diese Unterstützung, ohne die der TdMfS*S in seiner jetzigen Form gar nicht möglich wäre.

Welche erfolgreichen Formate haben Sie nach Augsburg exportiert? Wie läuft der Tag dort ab und planen Sie weitere „Exporte“?

Der Tag läuft weitestgehend so ab wie in Garching, die Aufgaben sind an beiden Standorten dieselben. Weitere „Exporte“ sind nicht geplant, es gab allerdings schon einmal Anfragen aus der Oberpfalz.

Was sind ihre Pläne für den Tag der Mathematik für die nächsten Jahre?

Wir wünschen uns, dass der TdMfS*S die Begeisterung für Mathematik über die Jahre hinweg erhält und jeder Altersstufe eine spannende und aktive Auseinandersetzung mit Mathematik ermöglicht.

In der Regel kommt die Hälfte der Teilnehmer*innen aus den Jahrgangsstufen 5 und 6, zwei Drittel der übrigen Hälfte aus den Jahrgangsstufen 7 und  8 und das restliche Sechstel (Haben Sie mitgerechnet?) aus den Jahrgangsstufen 9 und 10.  Wir würden uns aus allen Jahrgangsstufen gleich hohe Teilnehmer*innen-Zahlen wünschen; die Beschränkung der Teilnehmer*innen-Zahl geht oft zugunsten der Jahrgangsstufen 5 und 6 aus. Theoretisch könnte man natürlich überlegen, einen größeren Hörsaal zu finden – praktisch haben wir aber festgestellt, dass „größer“ nicht zwangsläufig „besser“ ist und zu Lasten der Atmosphäre gehen würde.

Es ist wunderbar, wenn das Feuer der Mathematik in jungen Menschen brennt – wir freuen uns, wenn jeder Tag der Mathematik für Schüler*innen immer wieder ein „mathematisches Hölzchen“ nachlegen kann.

IMG SK VL FotoStellwändeTag der Mathematik
Foto: Jürgen Richter-Gebert