Werner Fick ist seit über 25 Jahren Mathematik-, Physik- und Informatiklehrer am Gymnasium Königin-Katharina-Stift in Stuttgart und Leiter der LEGO-Roboter-AG an seiner Schule. Kürzlich wurde er mit dem Deutschen Lehrkräftepreis 2024 ausgezeichnet, für den seine Schüler*innen ihn nominiert haben. Neben seinem realitätsnahen, kreativen und organisierten Unterricht stellten die Schüler*innen sein außerordentliches Engagement als Lehrkraft, Coach, Mentor und Vertrauensperson heraus. Grund genug, den engagierten Lehrer zum DMV-Mathemacher des Monats zu küren.
Werner Fick, DMV-Mathemacher der Monate Mai und Juni 2025. Foto: Heraeus Bildungsstiftung.
Bitte berichten Sie uns zunächst, wie Sie zu Ihrer Fächerkombination gekommen sind: Was gefällt Ihnen am meisten an diesen Fächern – und was am Lehrberuf?
Dass ich etwas mit Physik/Technik machen wollte, war in der Oberstufe relativ schnell klar. Da ich nicht in einem Labor landen wollte, habe ich mich für den Lehrerberuf entschieden – und da lag Mathematik einfach nahe.
Ihre Schüler*innen sind begeistert von Ihrem Unterricht und haben Freude an der Mitarbeit: Was zeichnet Ihren Unterricht aus, und welche Elemente sind Ihnen besonders wichtig?
Ich denke, ich kann einigermaßen gut erklären, was von den Schüler*innen in der Regel auch so rückgemeldet wird. Wenn es sich irgendwie anbietet, versuche ich die Mathematikinhalte mit dem täglichen Leben zu verknüpfen. Das funktioniert natürlich nicht bei jedem Thema, die Termumformungen beispielsweise muss man einfach üben.
An Ihrer Schule sind Sie bekannt dafür, Klausuren in Rekordzeit zu korrigieren – mögen Sie uns verraten, welche Strategien Sie nutzen, um dieses Tempo zu erreichen?
Das Tempo liegt einfach daran, dass ich die Klassenarbeiten von meinem Schreibtisch weghaben möchte. Außerdem ist eine Klassenarbeit so etwas wie eine Messung – und jede Messung muss hinterfragt werden. Und damit ich im Unterricht auf mögliche Mängel oder Fehlvorstellungen auch eingehen kann, sollte ich die Klassenarbeit relativ schnell zurückgeben. Ansonsten wären wir ja im Unterricht schon viele Stunden weiter und hätten das Thema unter Umständen bereits abgehakt, und dann würde sich mit der Rückgabe der Klassenarbeit herausstellen, dass bei den vergangenen Themen noch Schwierigkeiten bestehen.
Welche Ansätze nutzen Sie, um trotz unterschiedlicher Niveaus alle Schüler*innen mitzunehmen?
Wenn es sich einrichten lässt, lasse ich die Schüler*innen, die eine Aufgabe besonders gut durchdrungen haben, diese Aufgabe vorrechnen oder erklären. Sie können ihren Mitschüler*innen das Problem vielleicht auf etwas eingängigere Weise erklären, als ich es aus meiner Lehrerperspektive kann. Dabei wird den noch nicht so sicheren Lernenden weitergeholfen, und auch die Vortragenden profitieren, denn sie lernen dabei, präziser zu formulieren und ihre Argumentation zu schärfen.
Sie engagieren sich seit vielen Jahren als Leiter der Robotik-AG am Königin-Katharina-Stift Gymnasium. Wie strukturieren Sie typischerweise eine AG-Sitzung, und welche Fähigkeiten erwerben die Schüler*innen dabei?
In der AG arbeiten die Schüler*innen in der Regel sehr selbstständig und eigenverantwortlich. In der Unterstufe nehmen wir an der FIRST LEGO League (FLL) und der World Robot Olympiad (WRO) teil. Am Anfang erkläre ich die einzelnen zu lösenden Aufgaben, wir schauen den einen oder anderen Erklärfilm dazu an. Anschließend gehen wir mögliche Lösungsstrategien durch – und die Schüler*innen fangen an, ihren Roboter zu bauen. Ab da schaue ich mir jeweils an, wie der Roboter fährt und agiert, und gebe Tipps für Verbesserungen am Bau bzw. der Programmierung. Gelegentlich muss ich die Teams auch in längeren Gesprächen davon überzeugen, dass ein Umbau zwingend notwendig ist.
Ihre LEGO-Roboter-AG ist über die Jahre stetig gewachsen, Sie nehmen mit Ihren Roboter-Teams sehr erfolgreich an internationalen Wettbewerben teil. Wie erklären Sie sich das Wachstum, und was fasziniert die Jugendlichen an der Robotik-AG und an den Wettbewerben?
Den Jugendlichen gefällt es, dass sie hier selbstständig arbeiten, eigene Lösungswege suchen und gehen können. Es werden keine Noten vergeben, also gibt es auch keinen Notendruck. Die Aufgabe ist fest vorgegeben, aber die Lösung ist frei. Und da wir sehr viele Gruppen haben, können die Teams auch bei den anderen Teams abschauen, lernen, insbesondere auch von den größeren und erfahreneren Schüler*innen lernen, die ihre Kenntnisse gern mit den Jüngeren teilen. So entsteht eine Gemeinschaft über Klassen und Klassenstufen hinweg. Wenn die Schüler*innen älter sind, frühestens jedoch ab Klasse 8, können sie auch an der FIRST Tech Challenge (FTC) teilnehmen: Dabei wird ebenfalls ein Roboter gebaut und programmiert – dieser ist aber nicht mehr aus Lego, sondern aus jedem denkbaren Metall, außerdem größer, komplexer, und auch die zu lösenden Aufgaben sind schwieriger. Für die Vorbereitungen aller drei Wettbewerbe haben wir einen eigenen Raum, für den sich die Jugendlichen den Schlüssel aus dem Sekretariat holen und auch außerhalb der AG-Zeiten eigenverantwortlich an ihrem Roboter arbeiten und programmieren können. Das Selbstwertgefühl der Schüler*innen steigt ungemein, sobald sie die Erlaubnis haben, den Lego-Schlüssel zu holen.
Und was motiviert Sie, die AG und die Wettbewerbsteilnahmen mit solcher Kontinuität zu leiten und zu begleiten?
Man lernt die Schüler*innen von einer ganz anderen Seite kennen. Sie können hier Fähigkeiten einbringen, für die es im regulären Unterricht oft nicht die Möglichkeiten gibt. Ein Wettbewerbstag kann 10 bis 12 Stunden lang sein und ist für die Schüler*innen extrem anstrengend. Wenn man aber abends in die Augen der Jugendlichen schaut, die zufrieden mit ihrer Arbeit sind und mit Spaß den Tag verbracht haben, auch wenn sie nicht den ersten Platz gewonnen haben, dann weiß man, dass sich diese Anstrengung gelohnt hat. Zudem kommt von den AG-Teilnehmenden regelmäßig vor Ferien, vor dem Wochenende oder freien Tagen die Frage, ob sie trotzdem in die Schule kommen dürfen. Diese Frage hatte ich in den letzten 20 Jahren nicht einmal nach einer Mathe-Stunde, manchmal nach einer Physik-Stunde, wenn wir an einem praktischen Projekt arbeiten. Das zeigt, dass sich die Schüler*innen in der AG und ihrem Raum wohlfühlen und deshalb auch gerne in die Schule kommen.
Sie engagieren sich auch im Bereich Hochbegabung. Was macht für Sie eine gelungene Begabtenförderung aus, und welches konkrete Instrument oder Format hat sich in Ihrer Arbeit mit Hochbegabten als besonders wirksam erwiesen?
Im Wesentlichen fördere ich die hochbegabten Schüler*innen in meiner Robotik-AG. Auch die Wettbewerbe Jugend forscht, Explore Science, Informatik-Biber und den Jugendwettbewerb Informatik bewerbe ich in den Hochbegabtenklassen. Die Resonanz ist größer, wenn ich in der Klasse selber unterrichte.
Als Vertrauensperson unterstützen Sie Ihre Schüler*innen bei persönlichen Problemen, 2022 wurden Sie bei der FIRST Global Challenge als Outstanding Mentor ausgezeichnet. Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Lehrkraft insbesondere im Hinblick auf die persönliche Begleitung der Jugendlichen?
Da gerade die sehr naturwissenschaftlich interessierten Schüler*innen in ihrem häuslichen Umfeld und zum Teil auch im Freundeskreis wenige bis gar keine Ansprechpersonen mit den gleichen Interessen haben, bin ich oft der einzige Ansprechpartner, mit dem sich die Jugendlichen dann auf Augenhöhe unterhalten können. Da kommen dann am Anfang eher allgemeine Fragen zur Quantenphysik, Astrophysik, Fragen zur Weltformel, … Mit den Jahren kommen manchmal auch privatere Fragen zu persönlichen Problemen auf. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass man „solche Probleme“ am ehesten mit Herrn Fick bereden kann. Für einzelne Schüler*innen bin ich dann tatsächlich im Laufe deren Schulzeit zur festen Bezugsperson geworden.
Was würden Sie jungen Kolleg*innen raten, die ähnlich viel Freude und Erfolg im Lehrberuf finden möchten wie Sie?
Erstens Freude und Interesse am Fach an sich. Dann den Wunsch und auch das Gespür dafür, Kindern, Jugendlichen, Schülerinnen und Schülern etwas Neues beibringen zu wollen. Schließlich muss man auch zugeben können, dass man etwas nicht weiß oder nicht kann, oder dass man einen Fehler gemacht hat (wobei der Unterricht natürlich nicht dauerhaft aus Fehlern bestehen sollte).
Die Fragen stellte Anna Maria Hengst vom Netzwerkbüro Schule–Hochschule der DMV.