Mathemacher des Monats Juli sind Frau Dr. Olga Lomonosova und Herr Dr. Albert Oganian. Das mathematische Ehepaar engagiert sich schon seit eh und je für die mathematische Schülerförderung. Aufgefallen sind die beiden, weil sie jedes Jahr wieder deutlich über das Durchschnittsmaß Abiturpreise an ihrer Schule, dem Landesgymnasium für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd, vergeben. Stephanie Schiemann vom Netzwerkbüro sprach mit Olga Lomonosova (O.L.) und Herrn Albert Oganian (A.O.).

Mathemacher Juli15

 

(Foto: privat)

Sie sind nicht in Deutschland aufgewachsen. Darf ich fragen, woher Sie ursprünglich kommen?

A.O.: Wir kommen ursprünglich aus der Stadt Charkiw, die im Nord-Osten der Ukraine liegt.

Was unterscheidet die Förderung von Hochbegabten in Ihrer Heimat von der hier in Deutschland?

A.O.: Der Hauptunterschied zwischen der Förderung von Hochbegabten damals (bis 1992 als wir nach Deutschland ausgewandert sind) in der ehemaligen UdSSR von der Begabtenförderung heute in Deutschland besteht darin, dass diese in dem Sinne, in dem wir sie alltäglich in den letzten 9 Jahre bei uns an der Schule erlebt haben, in der UdSSR gar nicht existiert hat. Was in der UdSSR sehr gut funktioniert hat, waren die Spezialschulen: mathematisch-physikalische, musikalische, Balettschulen, Sportschulen, englische Schulen. Aber keine breite allgemeine Hochbegabtenförderung.

Wie haben Sie den Weg an das Landesgymnasium für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd (LGH) gefunden?

O.L: Wir haben den Weg zum Landesgymnasium nicht gesucht. Das Landesgymnasium hat den Weg zu uns gefunden. Wir haben im Frühjahr 2006 eine Einladung zum Vorstellungsgespräch am LGH bekommen, was uns sehr überrascht hat. Eigentlich hatten wir uns für das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach an der Lahn beworben. Das Kultusministerium hat aber anders entschieden und so sind wir am LGH gelandet. Das war eine sehr gute Entscheidung, über die wir uns immer noch freuen.

Und wie kamen Sie auf die Idee, eine eigene Initiative zur Förderung der Mathematik zu gründen?

O.L.: Mathematik war und ist seit unserer Schulzeit unsere Leidenschaft. Mit der Idee ihre Schönheit, Eleganz und Allgegenwärtigkeit mit Anderen zu teilen, haben wir immer gelebt. Wir haben überall, wohin das Leben uns auch hingeführt hat, Arbeitsgemeinschaften und Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche organisiert. So war das in unserer Schulzeit, später beim Studium in Charkiw, in Algerien, wo A.O. 1987-1989 als Gastdozent für Mathematik an einer Hochschule in Boumerdès tätig war, in den Jahren 1994 bis 2004 in Bonn an der Freien Waldorfschule-Tannenbusch und am Ernst-Moritz-Arndt- Gymnasium, und auch am Kolleg St. Blasien wo A.O. vor dem LGH tätig war. So ist es auch in Schwäbisch Gmünd seit dem Beginn unserer Tätigkeit hier. Aber erst am LGH können wir wirklich alle unsere Ideen voll realisieren.

Sie leiten ja mehrere Projekte. Können Sie uns diese bitte kurz beschreiben?

A.O.: Wir haben verschiedene Projekte, an denen auch Schüler/innen und Lehrer/innen von anderen Schulen teilnehmen:

Winterakademie in Winterthur für die Klassen 8/9 zusammen mit der Junior Euler Society der Universität Zürich und dem Lyzeum "Naukova Zmina" (aus dem Ukrainischen übersetzt bedeutet das "Wissenschaftlicher Nachwuchs") aus Kiew (Ukraine) zum Thema: "geometrische Konstruktionen der gotischen Fenster".

Mathematik-Wochenende am LGH für die Klassen 7-10 zusammen mit Kollegen vom LGH, von der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd, aus Bonn, Marbach, München, Flörsheim am Main und anderen Städten über verschiedene mathematische Themen, die im Schulplan zu kurz oder gar nicht vorkommen. In diesem Jahr haben auch die LGH – Alumni das Mathewochenende mitveranstaltet, was jetzt, hoffentlich, zur Tradition wird.

Mathematisch-Sprachlicher Austausch und eine Mathe-Sommerakademie für die Schüler der Mathekurse der Klassenstufen9-11 zusammen mit unserer ukrainischen Partnerschule: 10 Tage in Deutschland, davon 5 Tage im Schwarzwald in der Nähe des mathematischen Forschungsinstituts in Oberwolfach mit einer Führung durch das Institut und einer Vorlesung zu einem mathematischen Thema. Der Gegenbesuch nach Kiew findet normalerweise im Herbst statt, wo die Arbeit an demselben mathematischen Thema fortgesetzt wird.

… die Menschheit mit ihrer Hilfe ihre Vorstellungen über diese Welt und die Welt selbst verändert. Dr. Olga Lomonosova
Dr. Albert Oganian


Zudem richten Sie auch eigene, schulinterne Mathematik-Wettbewerbe aus. Worum handelt es sich?

Wir haben mehrere eigene schulinterne Wettbewerbe, die wir jeweils für verschiedene Altersstufen anbieten:

a) "Matboj" ("mathematischer Kampf" auf Russisch): Das ist ein Mannschaftswettbewerb für die Klassen 7-11, in dem die Mannschaften sich abwechselnd gegenseitig auffordern, eine im Voraus vorbereitete Aufgabe zu präsentieren und versuchen in dieser gegnerischen Präsentation Fehler oder Lücken zu finden.

b) Mathematischer Adventskalender für die Klassen 7/8. Obwohl der Wettbewerb auch online existiert, organisieren wir unseren eigenen Adventskalender, bei dem die Schüler der Klassen 10 und 11 Aufgaben für die 7. und 8-Klässler unter unseren Anleitung schreiben und damit selber mathematisch und pädagogisch aktiv werden. Nebenbei sei bemerkt, dass wir uns den mathematischen Adventskalender vor etwa 20 Jahren für unsere Töchter, damals im Grundschulalter, ausgedacht haben.

c) "Trio- Wettbewerb”, in dem verschiedene Mathematikkurse gegeneinander antreten. "Trio" ist ein Spiel des Ravensburger Verlags zur Förderung des Kopfrechnens. Das Spiel spielen wir bei uns in der Schule zum Anfang einer Mathematikstunde sehr oft und in allen Klassen. Am Ende des Schuljahres organisieren wir den “Trio”-Klassenwettbewerb und bestimmen den Schulmeister im Trio-Spiel. Im letzten Sommer haben wir den Klassen-Trio-Wettbewerb zwischen Grundschulklassen von Schwäbisch Gmünd im Rahmen der Landesgartenschau organisiert.

Es gibt auch noch andere Wettbewerbe wie z. B. den Knobelaufgabenwettbewerb oder die Mathesport-Olympiade. Wir hängen an all diesen Projekten, wie man an allen seinen Kindern hängt. Sie eröffnen den Schülern neue Blickwinkel auf die Mathematik und auf die Welt. Außerdem verbinden sie die , leider für viele unliebsame, Mathematik mit dem Spielen – der Lieblingsbeschäftigung vieler Kinder und Jugendlichen.

Eine ausführliche Darstellung dieser Projekte und Wettbewerbe kann man auf unserer Internetseite finden.

Was macht Ihnen an der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern am meisten Spaß?

O.L.: Zu sehen, wie Ihre Augen leuchten, wenn sie etwas Schwieriges verstanden haben. Das Bewustsein, dass wir etwas Wertvolles weitergegeben haben, das wir irgendwann von unseren Lehrern bekommen haben.

Bei dieser starken Förderung der Mathematik – leiden darunter andere Fachbereiche an Ihrer Schule?

Bei uns am LGH gibt es über 60(!) Zusatzangebote in allen möglichen Vertiefungen. Eine Besonderheit unserer Schule besteht darin, dass wir unseren Schülern die Teilnahme an allen möglichen außerschulischen Veranstaltungen unter nur einer Bedingung ermöglichen: “Der verpasste Schulstoff muss selbständig nachgeholt werden.” Von dieser Leitlinie unserer Schule profitieren alle Schüler und Fachbereiche.

Was macht die Stadt Schwäbisch Gmünd in Ihren Augen so besonders?

O.L.: Schwäbisch Gmünd hat viele besondere Seiten: Es ist die älteste Stauferstadt, die Stadt der Gold- und Silberschmiede und so weiter. Für uns ist aber heute das LGH besonders einzigartig. Offensichtlich nicht nur für uns, denn unsere Schüler kommen aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland zu uns an die Schule.

Wie haben Sie beide persönlich Ihren Weg in die Mathematik gefunden? Gab es besondere äußere Einflüsse?

A.O.: Frau Lomonosova durch Ihre Eltern und die mathematisch-physikalische Schule in Charkiw, die sie besucht hat. Ich durch meine Lehrer an der normalen Schule und durch einen Mathematikstudenten, der bei uns an der Schule sein pädagogisches Praktikum absolvierte. Als ich die Abschlussklasse besuchte, hat er mich davon überzeugt Mathematik zu studieren. Außerdem wurden wir beide durch wunderbare Professoren an der Universität Charkiw, wo wir beide Mathematik studiert haben, beeinflusst und unterstützt.