Anke Hornbruch ist Lehrerin und arbeitet nach vielen Jahren an der Ganztags-Grundschule „Adolf-Reichwein" nun seit 2010 an der besonderen Glocksee Schule in Hannover. Die Mathematikförderung liegt ihr besonders am Herzen. Mit Ihrer jahrgangsübergreifenden Lerngruppe „Wombats" war sie beim Schülerwettbewerb „Mathe-im-Advent 2013" besonders erfolgreich. Stephanie Schiemann vom Netzwerkbüro Schule-Hochschule sprach mit ihr.

Anke Hornbruch Foto Alexander Voigt

(Foto: Alexander Voigt)

Die „Wombats" sind eine jahrgangsübergreifende Lerngruppe von 4. bis 6.-Klässlern. Wie läuft das bei Ihnen an der Schule und im Unterricht ab?
Bei uns an der Schule erfolgt ein Großteil aller Unterrichtszeiten jahrgangsübergreifend. Nur in den Klassenstufen 7 bis 10 gibt es Jahrgangsklassen in gut der Hälfte der Unterrichtszeit: Es gibt vier altersgemischte Projektwochen jährlich und zusätzlich für Kl. 7-9 gemeinsam die Fächer "Natur", "Musik" und "Projektunterricht". In der Unterstufe gibt es so gut wie keinen Unterricht in Jahrgangsgruppen. In drei Parallelklassen lernen Erst-, Zweit- und Drittklässler gemeinsam. Ebenso gibt es auch drei gemischte Klassen 4-6...

... und eine davon sind die Wombats?
Genau. Diese Klasse setzt sich zusammen aus 8 Viertklässlern, 5 Fünftklässlern und 8 Sechstklässlern zusammen. Aber wer in welche Stufe gehört, würde auf den ersten Blick keiner erkennen! Morgens treffen wir uns in unserer KV, der Klassenversammlung. Dort wird besprochen, was die Kinder bewegt und was an diesem Tag ansteht. Es gibt verbindliche Arbeitszeiten in Mathe, Deutsch, Thema und den Sprachen, aber was die Kinder in dieser Zeit tun, bestimmen sie in Absprache selbst. Darüber hinaus gibt es auch Zeiten, in denen sie verbindlich einen Verantwortungsbereich für die Schule betreuen, das KMW-Band, in dem sie sich in kreative Kurse einwählen, und bewusst auch Zeiten, die nicht verplant sind.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile jahrgangsübergreifenden Lernens? Nennen Sie doch bitte hier Beispiele aus dem Mathematikunterricht.
Ein großer Vorteil ist in meinen Augen, dass man sich als Lehrerin von der Idee verabschieden muss, dass jedes Kind in einer Unterrichtsstunde dasselbe lernt. Dies ist m.E. auch in einer Jahrgangsklasse nicht möglich, doch die Idee davon spukt noch in zu vielen Köpfen herum.
An der Glocksee-Schule lernen die Kinder miteinander, aber nicht zur selben Zeit dasselbe. Die Schülerinnen und Schüler helfen einander: wer etwas schon verstanden hat, erklärt es anderen und überprüft sein eigenes Wissen dabei. Die Kinder bekommen früh mit, was sie später auch einmal lernen werden und die Älteren sehen bei den Jüngeren, welche Entwicklungsschritte sie schon gemacht haben.

Was ist an Ihrer Schule, der Glocksee Schule noch besonders?
Bei uns gibt es keine Schulstunden, keine Pausenklingel, es gibt keine Klassenarbeiten und keine Noten, die Schüler duzen die Lehrer, alle zwei Wochen treffen sich die Erwachsenen auf Elternabenden, auch das Mittagessen wird von den Eltern gekocht. Das Motto der Schule ist seit 40 Jahren „Lernen ohne Angst – Lernen ohne Zwang", so versuchen wir zu leben.

Wie haben Sie von Mathe im Advent erfahren, zum wievielten Mal nehmen Sie teil, was motiviert Sie dazu?
Auch an meiner vorherigen Schule nahm ich an vielen Mathematikaktionen teil. Die Idee des Mathe-Adventskalenders war mir aus dieser Zeit vom „Känguru der Mathematik" bekannt. Als ich nach dem Schulwechsel eine jahrgangsgemischte Klasse von 4.-6.-Klässlern übernahm, war ich sehr glücklich, auf ein Angebot zu stoßen, dass genau auf diese Altersspanne zugeschnitten ist. Normalerweise fallen wir mit unserer Stufe aus jedem Raster – weder Primar- noch Sekundarstufe...
Ich habe dieses Jahr zum vierten Mal den Kindern meiner Klasse das Angebot gemacht, an „Mathe im Advent" teilzunehmen. Die meisten Kinder des sechsten Jahrgangs sind nun schon zum dritten Mal dabei gewesen. Viele Familien sind seitdem in der Weihnachtszeit vom „Mathefieber" befallen, auch Geschwister und Eltern knobeln in den jeweiligen Altersstufen fleißig mit.

... sie eine bereichernde, wichtige Sicht auf die Welt ist! Anke Hornbruch


Wie gehen Sie konkret mit den Kalenderaufgaben in der Klasse vor?

Für mich ist der Mathe-Adventskalender ein willkommener Anlass, jeden Dezember den Bereich der Text- und Knobelaufgaben im Unterricht in den Mittelpunkt zu stellen. Während der Mathearbeits¬zeiten schauen wir uns gemeinsam den Aufgabentext an und versuchen dort Wichtiges von Ausschmückendem zu trennen, diskutieren über gute und weniger gute Lösungsstrategien, machen Skizzen, Rollenspiele, füllen Tabellen aus oder was uns als sinnvoll erscheint. Viele der gelernten Rechenalgorithmen ergeben hier einen Sinn, das Sprechen über Mathematik und Rechenwege geschieht automatisch. Und natürlich üben wir auch den Umgang mit dem Computer, wenn die Kinder dort ihre Lösungen eingeben. Seit vier Jahren ist bei den Wombats jeden Dezember der Mathe-Adventskalender der Anlass, sich mit Mathematik zu beschäftigen. Und dass er motiviert, zeigen die Eingabezahlen an den Wochenenden und in den Ferien!

Die Glocksee Schule feierte letztes Jahr bereits ihren 40. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch! Wie haben Sie dieses Jubiläum begangen?
Wir haben das ganze letzte Schuljahr zum Jubiläumsjahr ausgerufen. Es gab ein großes Schulfest, das in einer jahrgangsübergreifenden Projektwoche von Klasse 1 bis 10 vorbereitet wurde. Auch die Ehemaligen feierten ein rauschendes Fest an der „Glocksee", dem Gründungsstandort der Schule. Über das ganze Jahr verteilt gab es eine inspirierende wissenschaftliche Vortragsreihe, die bis heute und noch hoffentlich lange ihre Nachwirkungen zeigt.

Werden Sie wieder an „Mathe im Advent" teilnehmen?
Auf jeden Fall - die Wombats freuen sich schon darauf! Und wer bis dahin in die siebte Klasse gewechselt ist, wird es dann hoffentlich eigenständig weiter führen.

Gibt es noch andere mathematische Highlights in Ihrer Schule?
Wir sind seit zwei Jahren eine mathe.forscher-Schule. In Zuge dieses gemeinsamen Programms der Stiftung Rechnen und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung erkunden unsere Schüler gemeinsam mit den Lehrern mathematische Phänomene in ihrer Lebenswelt. Sie entwickeln spannende Fragen und suchen innerhalb und außerhalb der Schule nach Antworten. Sie beobachten, stellen Vermutungen an, recherchieren und dokumentieren. Sie lernen so, Zusammenhänge und den Sinn von Mathematik zu verstehen. Der Mathematikunterricht an unserer Schule orientiert sich am Konzept des forschend-entdeckenden Lernens, so dass Schülerinnen und Schüler sich selbstständig mathematische Sachverhalte aneignen können und wir Lehrerinnen eher zu Lernbegleitern werden.

Wie sind Sie persönlich auf die Mathematik gestoßen? Gibt es da schon Erlebnisse aus Ihrer Kindheit oder ist Ihr spezielles Interesse an der Mathematik im Berufsleben mit den Schülerinnen und Schülern entstanden?
Mathematik begeistert und bereichert mich schon seit meiner Kindheit. Schon immer waren mir mathematische Sichtweisen auf meine Umwelt offensichtlich. Muster, Symmetrien, Logik bieten im Alltag, aber auch im Bereich der Zahlen ein Art von Schönheit, die mich erfreut.
Nun als Lehrerin freue ich mich, mit Kindern Mathematik betreiben zu können, gerne auch in fächerübergreifenden Zusammenhängen. Zur Zeit erleben wir beim Orientierungslaufen mit Karte und Kompass durch den Wald eine tolle Kombination aus Mathe, Thema und Sport.