In der Woche vom 14. bis zum 21. Juli 2009 treffen sich die talentiertesten Nachwuchsmathematikerinnen und -mathematiker aus der ganzen Welt in Bremen, um an der 50. Internationalen Mathematik-Olympiade (IMO 2009) teilzunehmen. Erwartet werden etwa 600 Schülerinnen und Schüler aus 105 Ländern. Einer der Hauptorganisatoren ist Dierk Schleicher, Mathematikprofessor an der Jacobs University Bremen. Das Netzwerkbüro der DMV sprach mit ihm über sein Verhältnis zur Mathematik.
 

 

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(Foto: privat)

Was war ihr erstes mathematisches Erlebnis?
Meine ersten mathematischen Erlebnisse liegen sicher länger zurück als meine Erinnerung reicht. Meine Eltern erzählen mir, dass ich meiner älteren Schwester ihre Rechenaufgaben erklärt habe, als sie schon zur Schule ging, ich aber noch nicht. Mathematik ist aber viel mehr als Rechnen: wenn es ums logische Denken geht, um das Erkennen von logischen Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten, dann sind das ganz frühkindliche Erlebnisse, die insbesondere mein Vater mit mir geteilt hat, logische Strukturen im Alltag, etwa bei Hausnummern.

Worin besteht für Sie heute die Faszination der Mathematik?
Mathematik hat eine ungeheure Ästhetik. Man kann ihr immer wieder aufs Neue auf die Spur kommen, sie neu entdecken und neu erfinden. Und, ganz wichtig, man kann dies gemeinsam mit interessanten Menschen tun: Mathematik ist eine soziale Tätigkeit!

In welcher Weise vermitteln Sie Mathematik?
Zunächst einmal als Professor für Mathematik. Ich habe das unglaubliche Glück, an einer kleinen Universität mit leistungsstarken Studierenden zu arbeiten und diese im persönlichen Kontakt individuell fördern und unterstützen zu können. Zudem versuche ich die Mathematik in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, derzeit natürlich vor allem im Rahmen der Internationalen Mathematik-Olympiade. Und schließlich erlebe ich in vielen persönlichen Gesprächen immer wieder, dass viele Menschen mit Mathematik viel mehr anfangen können als sie glauben, wenn sie nur erst einmal bereit sind ihre Vorurteile gegenüber dem mathematischen Denken zu überwinden. Ich glaube, mathematisches Denken ist in jedem von uns angelegt, weil es eine sehr natürliche Art zu denken ist. Wenn wir es nur zulassen.

... mathematisches Denken einer der Grundpfeiler unserer zivilisierten Welt ist. Dierk Schleicher


Mit welchem Argument können Sie jungen Leuten empfehlen, Mathematik zu studieren?
Ich empfehle jedem, das zu tun, wo er oder sie das größte Interesse, die größte Begeisterung hat. Dort wird man am ehesten kreativ und damit erfolgreich. Wer also Interesse und Spaß an der Mathematik hat, soll das auf jeden Fall studieren. Außerdem ist eine Ausbildung in Mathematik und damit zum strukturellen Denken  ein hervorragendes Sprungbrett für ganz unterschiedliche Aufgaben und Herausforderungen.

Gibt es Familienmitglieder, die Ihre Leidenschaft für die Mathematik teilen?
Ja, wenn man Mathematik als logische Art zu denken auffasst, als Versuch, grundlegende Strukturen in der Welt zu erkennen: dann finde ich das bei meinem Bruder und vor allem meinem Vater sehr wieder, die beide Juristen sind oder waren. Und selbst mein Adoptivsohn ist jetzt dabei, Struktur im Leben zu erkennen und das auszuleben.

Haben Sie außer der Mathematik noch weitere Interessen?
Die Mathematik ist ja auch die Sprache der Wissenschaft, so dass ein offenes und breites Interesse an der Mathematik oft mit Interesse für andere Gebiete wie Physik und Informatik einhergeht. Viele Mathematiker sind auch sehr musikalisch interessiert; auch hier bin ich keine Ausnahme (wenn auch kein besonderes Talent). Und schließlich, ohne jede Verbindung zu Mathematik, mache ich gern Sport, vom Surfen und Paddeln über Volleyball bis zum Gleitschirmfliegen.