mathematik für höhlenmenschen

1+1=10: Mathematik für Höhlenmenschen

Jürgen Beetz
Springer Spektrum; Auflage: 2012 (24. Oktober 2012), 19,95 €

ISBN-10: 3827429277
ISBN-13: 978-3827429278

Ein bemerkenswertes Buch hat der Autor verfasst: Ungewöhnlich in der Darstellung der Inhalte (Inszenierung), interessant in der Auswahl der Themen, ärgerlich wegen seiner vielen Fehler im Detail.

Ungewöhnlich in der Darstellung.
Der Untertitel „Mathematik für Höhlenmenschen“ soll die Idee des Autors zusammenfassen, uns in die Steinzeit zu versetzen und „Gedankengänge und Erklärungen unserer Vorfahren“ nachzuvollziehen. So wird die Mathematik immer wieder in Gesprächen der beiden Protagonisten (Eddi Einstein und Rudi Radlos) elementar entwickelt. Das geschieht nicht in wissenschaftlich-elaborierter Sprache, sondern umgangssprachlich, teils witzig, teils „locker-flockig“. Das macht das Buch gut lesbar. Manchmal werden die beiden noch durch zwei weitere Höhlenmenschen ergänzt: einen Seher, der schon alle Mathematik bis heute hin erkennen und daher auch die späteren Erkenntnisse der Mathematik mitteilen kann (bis hin zum Beweis des großen Satzes von Fermat durch A. Wiles), und eine Frau, die noch schlauer ist als die Männer ...

Die Herleitung vieler mathematischer Gedankengänge im Dialog halte ich für eine geschickte methodische Variante, warum diese Dialoge aber in der Steinzeit stattfinden, bleibt mir rätselhaft. So sagt denn auch der Untertitel „Mathematik für Höhlenmenschen“ nichts über den Inhalt aus.

Interessant in der Auswahl der Inhalte.
Der Titel „1 + 1 = 10“ ließ mich ein Buch über Mathematik des Computers erwarten – das allerdings war ein Fehlschluss. Von diesem Thema handelt nur das vorletzte Kapitel mit rund 30 Seiten, in dem vom Dualsystem und Boolescher Algebra ausgehend, über Algo­rithmen und Ablaufstrukturen, Datenbanken bis hin zu Backus-Naur-Formen und Turing-Test viele Aspekte angerissen werden – hier wäre weniger mehr gewesen.

Der Hauptteil des Buches stellt, meist in elementarer Weise, mathematische Themen vor: Zahlen und Gleichungen (Kapitel 1), Elementargeometrie (Kapitel 2), Funktionen und Kurven (Kapitel 3, 4). Die Kapitel 6, 8 und 9 entwickeln die Infinitesimalrechnung, Kapitel 5 und 10 stellen Grundfragen der beschreibenden Statistik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung vor. Kapitel 11 führt in das Thema Chaostheorie und Fraktale ein. Relativ anspruchsvoll werden im Kapitel 7 Fragen der mathematischen Beweistechnik und im letzten 13. Kapitel Aspekte der wissenschaftstheoretischen Einordnung der Mathematik behandelt.

Gekonnt sind die Ausflüge (Exkurse) am Rand der Mathematik (in den Kapiteln 10 und 11) zu Finanzkrise und Börsengeschehen. Auf sehr anschauliche, konkrete Weise werden hier die komplexen Zusammenhänge dargestellt.

Der Autor lässt es sich auch nicht nehmen, Rosinen der Mathematik anschaulich zu präsentieren. So finden u. a. das Simpson-Paradoxon, die Collatz-Folge und das Problem des Handlungsreisenden („traveling salesman problem“) gebührende Aufmerksamkeit.

In zwanzig Seiten Anmerkungen werden Quellen und häufig zusätzliche Literaturstellen benannt.

Ärgerlich wegen der vielen Fehler.
Unverständlich, dass offensichtlich heutzutage selbst bei einem so renommierten Verlag (Springer Spektrum) vor einer Veröffentlichung nicht mehr ein Lektor an den Text gesetzt wird, zumindest nicht ein im Fach bewanderter. Die „normalen“ Druckfehler halten sich in den üblichen Grenzen. Aber mehr als zehn dicke fachliche Fehler in Formeln und im Text – gleichmäßig über das Buch verteilt – darf man wohl als Zumutung empfinden.

Wem kann man das Buch empfehlen?
Allen, alt oder jung (ab 15 Jahren), die Kenntnisse auffrischen, neue Aspekte erfahren oder - über den üblichen Schulstoff hinaus – mathematische Ideen kennenlernen wollen.

Wegen seines Unterhaltungswertes dürfte es auch Lesern gefallen, die der Mathematik gegenüber skeptisch oder zurückhaltend eingestellt sind. Damit solche Leser nicht verunsichert oder gar falsch informiert werden, sollten die Fehler möglichst bald korrigiert werden.

Rezension: Hartmut Weber (Uni Kassel)