pi algorithmen

π
Algorithmen, Computer, Arithmetik


J. Arndt, C. Haenel
Zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer-Verlag Berlin, 2000, pp. 264, 49 €
Mit CD-ROM

ISBN 3-540-66258-8

Das vorliegende Buch, nach seiner Premiere im Jahr 1998 bereits in zweiter, überarbeiteter Auflage erschienen, vermittelt dem interessierten Leser allerlei Wissenswertes und Kurioses über Geschichte und Berechnung der Zahl π sowie über deren weitläufige Fan-Gemeinde.

Die Autoren, offensichtlich zwei auf diesem Gebiet ausgewiesene Hobbymathematiker (Näheres konnte ich weder dem Buch noch den Webseiten der Autoren entnehmen), haben mit viel Eifer algorithmische Ansätze zusammengetragen, die zu verschiedenen Zeiten zur Berechnung von π verwendet wurden und von denen sie die meisten selbst praktisch erprobt haben. Der Leser kann an diesem Know-how über die mitgelieferte CD, aber auch über die Webseite http://www.jjj.de der Autoren partizipieren.

Die besprochenen Ansätze reichen von verschiedenen rationalen Näherungen und Kettenbruchtechniken über eine Vielzahl von arctan-Reihen bis hin zu modernsten Verfahren mit quadratischer und noch höherer Konvergenzordnung, die erst in den letzten Jahren entdeckt bzw. wieder entdeckt wurden. Jede dieser Ideen wird in ihren historischen Hintergrund eingebettet, wobei manche Geschichte zum Besten gegeben wird, die nur wirklichen Insidern geläufig sein wird. Obwohl das Buch viele Formeln enthält, bleibt der mathematische Hintergrund der meisten Ansätze skizzenhaft, da sich die Autoren stark auf die algorithmischen Aspekte konzentrieren. Eine Ausnahme bilden drei für die π-Berechnung bahnbrechende Ideen: der Tröpfel-Algorithmus (Kap. 6), der Gauß-AGM-Algorithmus (Kap. 7) und das BBP-Verfahren (Kap. 10). Für diese wird der mathematische Hintergrund genauer erläutert, wobei auch hier die Ausführungen dem an Details interessierten Leser nur als Fahrplan durch die Original-Literatur dienen können.

Eine genauere Besprechung erfahren Aspekte der Umsetzung dieser Verfahren in effiziente Algorithmen. Zu Implementierungsfragen, die nicht unmittelbar im Text besprochen werden, aber noch einmal eine gehörige Portion Kreativität erfordern, wird der interessierte Leser auf das Studium der Codequellen auf der beigefügten CD verwiesen (wobei auch bei der Suche der Quellen Kreativität eingefordert wird, denn das mehrfach im Text erwähnte Verzeichnis arith ist dort nicht vorhanden). Dafür werden im Kap. 11 grundlegende Elemente der verwendeten bigfloat-Arithmetik wie binäres Potenzieren, Karatsuba- und FFT-Multiplikation sowie die effiziente Berechnung von Quotienten und Wurzeln im Detail erläutert.

Die bemerkenswerte Viefalt der dargestellten Verfahren bis hin zu sehr modernen Ideen, die erst in den letzten Jahren entdeckt wurden, sind ein guter Leitfaden durch diese einem Hochleistungsrechnen ganz spezieller Art verbundene Thematik. Die Computeralgebra -- Thema unseres Rundbriefs -- scheinen die Autoren, trotz der vielen Formeln, gerade erst für ihre Zwecke entdeckt zu haben. Nach einem ersten Code-Fragment auf S.91, das nach Maple ausschaut, kann man auf S.118 ein etwas eigenartiges Plädoyer für unser Fachgebiet lesen: "...ihr häufigster Einsatz dürfte in der Nachprüfung von Gleichungsableitungen liegen''. Neben der verständlichen Begeisterung zweier konsequenter OpenSource-Anhänger für MuPAD ("a FREE Computer Algebra System (yes, you read right)'' heißt es auf einer der Webseiten) dürfen Mathematica (S. 127) und Maple (S .155) ihre Stärken jeweils einmal im Zusammenhang mit Summentransformationen beweisen, die die Autoren nach entsprechenden Literaturquellen zitieren. Ihre Euphorie ("...damit war dann die obige einfache Formel geboren und gleichzeitig bewiesen! Hätte jeder von uns gekonnt ...'', S. 127) teile ich allerdings nicht, denn auch hier ist eine gehörige Portion Kreativität erforderlich, um Mathematica zu dem im Text zitierten Ergebnis zu "überreden''. Die beiden genannten Anwendungen schöpfen die derzeitige Leistungsfähigkeit von Mathematica (4.0) und Maple (V.5) auf diesem Gebiet voll aus, denn ich konnte keines von ihnen dazu bringen, den Part des jeweils anderen zu übernehmen.

Ein durchgängiger Einsatz der Autorität eines Computeralgebrasystems bei exakten Ableitungen etwas komplizierterer mathematischer Sachverhalte, die im Buch weitgehend vermieden werden, würde auch der mathematischen Strenge der Ausführungen zu Gute kommen, die mich an einigen Stellen wenig überzeugt hat.

Dem interessierten Leser sei als einfache Übungsaufgabe schon heute empfohlen, etwa die Beweise der vielen arctan-Formeln mit einem solchen Werkzeug nachzuvollziehen und selbst neue herzuleiten.

Rezension: Hans-Gert Gräbe (Leipzig) aus Computeralgebra-Rundbrief, Nr. 26 - März 2000