mathemanga analysis

Mathe-Manga Analysis

Hiroyuki Kojima, Shin Togami

Vieweg+Teubner (2009), ix+229 Seiten, 19,95 €

ISBN-10: 383480567X
ISBN-13: 978-3834805676

Eher durch Zufall bin ich vor rund 15 Jahren auf die Comics „Die Abenteuer des Anselm Wüßtegern“ von Jean-Pierre Petit gestoßen, die mir außerordentlich gut gefallen. Vor allem fasziniert mich der Gedanke, mathematische Inhalte in eine Geschichte einzubetten sowie kompliziertere Sachverhalte zeichnerisch-spielerisch zu erklären. Das vorliegende Buch tritt mit genau diesen Ideen an: Innerhalb einer Rahmengeschichte sollen dem Leser einige grundlegende Konzepte der Analysis beziehungsweise der Statistik leicht verständlich vermittelt werden.

Hierfür versteigt sich Hiroyuki Kojima bereits im Vorwort des Analysis-Bandes zu recht gewagten Versprechen: Anstelle „der --Formel“ möchte er lieber aufzeigen, wie Analysis eigentlich funktioniert und welche Anwendungen dieses Fach hat, um „allen, die im Mathe-Unterricht schwere Schäden davongetragen haben oder die die Analysis fast umgebracht hat“ zu helfen, „sich von ihren schrecklichen Erlebnissen zu erholen“. Ich kann solche Äußerungen nicht mehr lesen, ohne auf die Barrikaden zu gehen! Abgesehen von der Tatsache, dass es „die --Formel“ nicht gibt, ist die Zugkräftigkeit und die Zuverlässigkeit der Analysis unter anderem der klaren Formulierung des --Kalküls zu verdanken. Sollte man dies einfach unter den Tisch fallen lassen und wieder zum Rechnen mit infinitesimalen Größen zurückkehren? Möchte der moderne Mathematikunterricht tatsächlich seine Schülerinnen und Schüler auf dem Stand vor Cauchy belassen?

Für eine geschickte und gute Idee halte ich dagegen die gewählte Rahmengeschichte: Die junge Reporterin Noriko fängt in der Außenstelle einer Zeitung an und wird dabei von ihrem neuen Chef, „Mr. Mathe-Maniac“ Kakeru Seti, unterstützt und angeleitet. Im Verlaufe der Story zeigt Seti immer wieder die Bedeutung der Analysis zur Beschreibung und zur Lösung alltäglicher (meist wirtschaftswissenschaftlich geprägter) Probleme. Auf diese Weise werden Themen von der Differential- und Integralrechnung über die Taylorentwicklung bis hin zur Differentialrechnung mehrerer Veränderlicher in die Handlung eingebettet, ohne dass dies allzu gewollt aussieht. Dieser Ansatz hat mir sehr gut gefallen! Auf die Durchführung kann ich dieses Lob aber in keiner Weise übertragen: Zunächst stört es mich ungemein, dass mathematische Modelle häufig vom Himmel fallen – über Modellierung, Realitätsnähe oder Modellgrenzen ist nichts zu erfahren. Einige der Modelle sind nur mit großer Mühe zu verstehen: So wird bei der Behandlung von Kohlendioxid- Bläschen im Bier angenommen, die „Energie“ einer solche Blase steige sowohl mit der Oberfläche als auch mit dem Volumen. Dann aber geht das Volumen in die „Energie“-Bestimmung mit negativem Koeffizienten ein! Auch viele der mathematischen Begriffe sind dürftig bis mangelhaft erläutert. Bei dem ersten Auftauchen eines Grenzwerts wird dieser mit den lapidaren Worten „lim0  drückt aus, dass man den Wert berechnet, wenn ε immer näher an 0 rückt, also gegen 0 geht“ abgehandelt – damit ist überhaupt nichts erklärt! Eine Seite später wird mehrfach der Differentialquotient als Differenzenquotient angesprochen; Sätze wie „wenn y=f(x) steigt oder fällt, wenn also gilt f(a)0 oder f(a)0, dann muss f(a)=0 bedeuten, dass wir uns ganz oben oder ganz unten befinden“ (Seite 65) führen auf eine völlig falsche Spur. Derlei Ungereimtheiten machen das Buch zum Erlernen oder Wiederholen der Analysis absolut ungeeignet – schade!

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, März 2012, Band 59, Heft 1
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Harald Löwe (Braunschweig)