pasta und design

Pasta und Design
Formen und Formeln zum Genießen

George L. Legendre
Springer Spektrum 2012, 208 Seiten, 24,95 €

ISBN 10: 3827429781
ISBN 13: 978-3827429780

Ja, ich liebe Pasta. Und ja: Man sieht es mir an! Wir Deutschen haben in Sachen Pasta große Fortschritte gemacht. In meiner Kindheit waren es noch „Nudeln“ und sie wurden mit „Frischei“ und weißem Mehl zubereitet, so dass meine Erinnerung an sie nicht die beste ist: Meistens waren sie labberig und nur mit großen Mengen Ketchup erträglich. Außerdem gab es (in meiner Erinnerung) nur drei oder vier verschiedene Sorten. Dann irgendwann eroberten die italienischen Hartweizennudeln – das, was ich als Pasta bezeichnen möchte – auch den deutschen Markt und mit ihnen zogen verschiedene großartige Sorten von Pesto ein, die heute nicht mehr wegzudenken sind, auch wenn die Qualität der Supermarktpesto fragwürdig ist. Wer nun aber denkt, über Pasta sei alles gesagt, den belehrt das wunderbare Buch von George Legendre eines besseren! Die Zutatenliste auf dem Buchrücken verrät es schon: „Hartweizen, Eier, Tradition, Design, Textur, Mathematik, Eleganz, Exzentrik, Genie, Besessenheit, Schönheit“ gehören in den Legendre’schen Topf. Kurz aufkochen, umrühren und dann ziehen lassen, und schon kann man dieses Buch genießen.

Legendre ist ein Designer und Architekt, der als Chef eines Architekturunternehmens in London in dem Spannungsfeld zwischen Architektur und Mathematik arbeitet. Nach einem Vorwort von Paolo Antonelli („Fertig mit dem Design, Liebling?“) folgt ein kurzes Essay des Autors zum Thema „Über die Quintessenz der Nudel“. Um die kaum noch überschaubare Vielzahl von Nudelformen zu ordnen, bedient sich Legendre an den Methoden der Phylogenetik und führt alle Nudelformen auf 92 Grundtypen zurück, die morphologisch verschieden sind. Das führt zu einem „Stammbaum der Familie Nudel“, der mir einzigartig zu sein scheint. Dann noch eine kurze „Gebrauchsanweisung“ für die „Nudel-Architektur“. Hier wird der gesamte folgende Aufbau klar. Jede Nudelform nimmt eine Doppelseite ein, wovon eine Seite ein Photo der betreffenden Nudelsorte enthält. Auf der anderen Seite, dem Photo gegenüber, ist nun das eigentlich wichtige: die Mathematik! In einem kurzen Text wird die betrachtete Nudelsorte beschrieben und etymologisch charakterisiert und es wird ihr eine Buchstabenkombination zugeordnet, so dass man sie im Stammbaum leicht finden kann. Dann kommt ihr „genetischer Code“, bestehend aus einer Anzahl von Gleichungen. Im einfachsten Fall gibt es drei Gleichungen; je eine für Länge, Breite und Höhe. Diese Größen werden in Abhängigkeit von Wertepaaren (i,j) berechnet, so dass sich zu jedem Wertepaar ein Punkt auf der Oberfläche der Nudel ergibt. Etwas kompliziertere Nudelformen wie etwa die Fussili Lunghi Bucati auf Seite 84 benötigen 6 Gleichungen, da die Form der Nudel von zwei verschiedenen Kurvenscharen gebildet wird. Der Wertebereich der (i, j ) wird jeweils angegeben. Das Ergebnis des „genetischen Codes“, also der Gleichungen, wird gezeigt und Quer- und/oder Längsschnitte dazu.

Die Nudeln erscheinen in alphabetischer Reihenfolge; von Acini die Pepe bis zu Ziti. Als kurzer Anhang ist dem Buch eine ausklappbare Karte mit dem Titel „Familientreffen“ mitgegeben, der die Nudelsorten in ihrer verwandschaftlichen Beziehung zueinander zeigt, mich aber eher verwirrt hat.

Das Buch lädt geradezu dazu ein, mit einem Programm wie Mathematica oder Maple zu spielen und sich die Nudeln einmal selbst graphisch zu erzeugen. Als ich begann, das Buch zu lesen, gab es in der Presse erste Nachrichten über Fahradteile, die man aus einem 3-D-Drucker mit einem „rapid prototyping“-Verfahren gewonnen hat. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis ich meine eigenen Nudeln mit Hilfe der im Buch angegebenen Gleichungen auf meinem eigenen 3-D-Nudeldrucker erzeugen kann? Bis dahin ist das Buch von Legendre kein Kochbuch – übrigens sind die Kochzeiten der Nudeln immer mit angegeben! – sondern ein wundervolles Buch zum Blättern für Mathematiker und Nichtmathematiker gleichermaßen. Man kann daraus etwas lernen oder sich einfach Appetit holen für eine Mahlzeit mit Pastasorten, die man vielleicht vorher mit ganz anderen Augen gesehen hat.

Es macht Freude, dieses Buch zur Hand zu nehmen. Der Verlag hat es hervorragend ausgestattet; das Papier ist dick und glänzend, die Photos „schön“ und dann auch noch zwischen zwei harten Deckeln sauber gebunden. Kennt man Pasta- und Mathematik-liebende liebe Menschen (und es gibt sicher nicht wenige!), dann eignet sich dieses schöne Buch ganz hervorragend als Geburtstagsgeschenk der besonderen Sorte.

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Februar 2013, Band 60, Heft 1
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Thomas Sonar