chronologie der naturwissenschaften

Chronologie der Naturwissenschaften

Karl-Heinz Schlote
Verlag Harri Deutsch (2002), 1258 Seiten, 98,00 €

ISBN: 3-8171-1610-1

Der Verlag Harri Deutsch hat mein Leben von Studentenzeiten an positiv begleitet und inzwischen haben mir zahlreiche Kollegen berichtet, dass es ihnen ähnlich ergangen ist. Wo bekam man sonst hervorragende Fachbücher aus DDR-Pressen zu studentenfreundlichen Preisen wie etwa den vollständigen „Smirnow“ oder die drei Bände des „Fichtenholz“ oder den alten „Bronstein“? Inzwischen muss ich den Verlag uneingeschränkt dafür loben, dass er auch einige der „Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften“ wieder aufgelegt hat und als Taschenbücher im Programm hält.

Die monumentale Chronologie der Naturwissenschaften ist ein Nachschlagewerk, das im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig entstanden ist. Das im Geleitwort des Präsidenten der Leopoldina als „Jahrhundertwerk“ bezeichnete Buch ist ein chronologisch geordnetes Lexikon der besonderen Art. Es ordnet die mathematisch-naturwissenschaftlichen Entdeckungen in neun Epochen: Vorgeschichte und frühe Hochkulturen; Griechisch-hellenistische Antike; Mittelalter; Renaissance, Humanismus, Reformation; Wissenschaftliche Revolution und Rationalismus; Die Zeit des Durchbruchs zur Industriewirtschaft; Der Industriekapitalismus am Ende des 19. und im Übergang ins 20. Jahrhundert; Die Herausbildung der modernen Wissenschaften; Die Zeit des kalten Krieges. Die Überschriften, d.h. die eigentliche Benennung der Epochen, und die kurzen einführenden Bemerkungen zu jeder Epoche erinnern mich doch sehr an einige Vorworte in Mathematikbüchern der ehemaligen DDR, aber falsch werden sie dadurch natürlich nicht. Außerdem ist es in Zeiten der wachsenden staatlichen Eingriffe in das Bildungswesen ja auch mal wieder an der Zeit, an die Verbindungen der Naturwissenschaften mit gesellschaftlichen Entwicklungen und die daraus resultierenden Verpflichtungen zu erinnern.

In jeder Epoche finden sich in zweispaltigem Druck und chronologisch geordnet die Entdeckungen und Durchbrüche aus sieben gekennzeichneten Bereichen. Ein Eintrag trägt in blassem grau abgesetzt den Buchstaben W, wenn es sich um Ereignisse von allgemeiner Bedeutung für die Wissenschaftsentwicklung handelt (z.B. 1746: „Gründung der Princeton Universität in Elizabeth als College of New Jersey. Sie wird 1757 nach Princeton verlegt.“), und M, A, P, C, B und G für Ereignissein Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie, Biologie und Geowissenschaften. Natürlich gibt es auch fächerübergreifende Ereignisse, z.B. im Jahr 1638:

 

G. Galilei (P, W)

In den Discorsi ... arbeitet G. Galilei heraus, daß die mathematische Deduktion mit dem Experiment als Kriterium der Wahrheit verbunden werden muß, und begründet damit die mathematisch-experimentelle Methode der Naturwissenschaften.“

 

Die Chronologie lädt zum Schmökern ein und man verbringt schnell mal zwei Stunden beim Blättern und Staunen und Lernen. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Enzyklopädie keinesfalls ausführlich sein kann und darf. So sind einige Einträge schon schmerzhaft kurz, z.B. der über Splines aus dem Jahr 1946, wo es heißt:

 

„I. Schoenberg (M)

I. Schoenberg wendet erstmals die Spline-Approximation an.“

 

Zum Buch selbst: Sauber gebunden, fester und abwaschbarer Einband, zwei Lesebändchen und sehr angenehmes, weißes Papier.

Für mich ist die Chronologie der Naturwissenschaften schon nach kurzer Zeit wertvoll geworden. Ich verwende Sie für historische Exkurse in Vorlesungen, aber auch als Startpunkt für weiterführende Recherchen. Das Buch enthält ein vollständiges Verzeichnis aller Nobelpreisträger, ein sehr nützliches Verzeichnis der von den Autoren benutzten Sekundärliteratur inklusive Zeitschriftenartikel. Das Personenverzeichnis ist ebenfalls extrem nützlich, denn es gibt die vollständigen Vornamen an, auf die im Text verzichtet wurde. Schließlich lässt ein mehr als 140-seitiges Sachverzeichnis und einführende Benutzerhinweise am Anfang des Buches (fast) keine Wünsche offen. Hätte man ab und an eine Abbildung zur Auflockerung eingefügt, würde das Lesen noch mehr Freude machen. Die Chronologie gehört ins Regal aller an den Entwicklungen der Mathematik und Naturwissenschaften Interessierter. Auch Lehrern kann dieses Werk ohne Abstriche empfohlen werden.

Rezension: Thomas Sonar, Braunschweig

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Oktober 2007, Band 54, Heft 2, S. 245
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags