a history of algorithmus

A History of Algorithms
From the Pebble to the Microchip

Chabert, Jean-Luc (Ed.)
Springer, Berlin-Heidelberg-New York, 1999, 100 Abb., pp. 524, 78,92$
(französische Originalausgabe bei Éditions Belin, Paris, 1994)

ISBN 3-540-63369-3

Bei diesem Buch handelt es sich um die englische Übersetzung einer von einer Gruppe von französischen Mathematik-Historikern herausgegebenen und kommentierten Sammlung von über 200 Original-Texten zur Geschichte der Algorithmen. Der zeitliche Rahmen reicht dabei von der sumerischen und ägyptschen Zahldarstellung und Arithmetik bis zur formalen Präzisierung des Algorithmenbegriffes in den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts. Thematisch werden weit überwiegend numerische Algorithmen behandelt, algorithmische Problemstellungen etwa der Geometrie, der Logik, Algebra oder der diskreten Mathematik werden nicht betrachtet, wie auch Fragen der Komplexität allenfalls am Rande oder implizit angesprochen werden. Das Buch erhebt, auch unter den Beschränkungen, die sich die Autoren bewusst auferlegt haben, weder einen Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit, noch ist es eine Art Lehrbuch. Vielmehr will es ein historisches "mathematisches Lesebuch'' sein, mit dem die Autoren die Absicht verbinden, die sie mit "...which offers a different perspective by giving pride of place to algorithms'' formulieren.

Das Buch gliedert sich in 15 thematisch abgeschlossene Kapitel, wobei in einer Einleitung und in einem Vorspann zu jedem der ausgewählten Texte jeweils deren historische Bedeutung und ihre Beziehungen untereinander (wie auch Querbezüge zu anderen Kapiteln) erläutert werden. Auch die Stellung im Werk des jeweiligen Autors und Anmerkungen zu dessen Werk und Wirkung insgesamt werden knapp, aber prägnant, kommentiert. Viele der (ins Englische übertragenen) Original-Texte werden zusätzlich noch in der heutigen Sprache der Mathematik nach-formuliert und interpretiert, wo dies für das Verständnis geboten erscheint.

Die ersten drei Kapitel beschäftigen sich mit den elementaren arithmetischen Operationen, (etwas aus dem Rahmen fallend, aber deshalb nicht weniger interessant) der Konstruktion von magischen Quadraten, sowie der berühmten regula falsi. Das vierte Kapitel behandelt Euklid's Algorithmus, Bezout's Identität, Kettenbrüche und Sturm'sche Ketten, und berührt damit auch die Ursprünge der Computeralgebra. Die drei folgenden Kapitel behandeln iterative, approximierende Verfahren zur Berechnung von π, Newton's Tangenten- und Polygonmethoden, sowie weitere Verfahren zur Wurzelberechnung. Dieser Weg in die Numerik wird, nach einem arithmetischen Kapitel (Primzahlen, Faktorisierung), weiter verfolgt mit den Themen: Lösen linearer Gleichungssysteme, Interpolation, Approximation von Integralen, approximierende Lösungen von gewöhnlichen Differentialgleichungen, Funktionsapproximation, sowie Konvergenzbeschleunigung. Das letzte Kapitel fällt etwas aus diesem Rahmen, indem es die Bemühungen von Gödel, Church, Kleene, Turing und Post um eine präzise Formulierung des Algorithmenbegriffes nachzeichet. So historisch wichtig dies ist, man muss wohl doch feststellen, dass der Anstoss zu dieser Entwicklung nicht aus der numerisch orientierten Mathematik kam.

Schließlich enthält dieses Buch, neben weiterführenden Bibliographien zu den einzelnen Kapiteln, ein Sammlung von über 200 Kurzbiographien der zitierten Mathematiker.

Was interessiert nun aus der Sicht der Computeralgebra an einem Buch, dessen Inhaltsverzeichnis, wie die Autoren selbst schreiben, "... might suggest that this is a standard work of numerical analysis'' ? Nun, die historische Perspektive der Algorithmik ist für sich genommen m.E. schon eine spannende Sache, wenn sie für den Nicht-Philologen so konzise und gut lesbar aufbereitet dargeboten wird. Außerdem: das kürzlich erschienene Buch Modern Computer Algebra von J. von zur Gathen und J. Gerhard das wohl gute Chancen hat, sich als ein Referenztext für die Algorithmik der Computeralgebra zu etablieren, betont historische Bezüge in erfreulicher Weise. Das kommt in den Überschriften "Euklid'', "Newton'', "Gauss'', "Fermat'', "Hilbert'' und den Einleitungstexten zu den einzelnen Abschnitten deutlich zum Ausdruck. Es ist alles andere als ein Zufall, dass diese "Riesen'', ebenso wie beispielsweise Cauchy, Euler und Lagrange, dort wie in dem hier besprochenen Werk herausragende Rollen spielen.

Rezension: Volker Strehl (Erlangen) aus Computeralgebra-Rundbrief, Nr. 26 - März 2000