numerical polynomial algebra

Numerical Polynomial Algebra

H. Stetter
SIAM, Philadelphia 2004, xv + 472 Seiten, 109,55 €

ISBN 0-898-71557-1

Die Bezeichnung Numerical Polynomial Algebra steht für ein noch recht junges und sich schnell entwickelndes Teilgebiet der Mathematik an der Schnittstelle zwischen der Computeralgebra und der numerischen Mathematik. Wie kann man nichtlineare algebraische Probleme mit Hilfe approximativer Methoden lösen? Kann man klassische Probleme der numerischen Mathematik mit Verfahren der modernen symbolischen Berechnung behandeln?

Das vorliegende Buch von Hans Stetter erscheint zu einem idealen Zeitpunkt in dieser Entwicklung. Es ist geradezu prädestiniert, das Standardreferenzwerk auf diesem neuen Gebiet zu werden. Auf über 450 Seiten legt Stetter die Grundlagen für die Teile der Mathematik, die den kommenden numerisch-symbolisch rechnenden Computeralgebrasystemen zu Grunde liegen. Ausgehend von Polynomen und Polynomidealen in P = K[x1, . . . , xn] mit K = R/C betrachtet er zunächst das klassische Problem des Lösens algebraischer Gleichungssysteme und erklärt, wie man es mit Gröbner-Basen und Randbasen angehen kann. Dabei nimmt er von vornherein den Standpunkt ein, dass man ein Polynomideal I am besten über den Restklassenring P/I beschreibt. Das Central Theorem ist dabei nichts anderes als die Beschreibung der Methode, die anderswo auch als das Verfahren von Auzinger und Stetter bezeichnet wird. Weitere wichtige Themen im grundlegenden ersten Kapitel Polynomials and Numerical Analysis sind eine sorgfältige Definition empirischer Polynome (also von Polynomen mit Koeffizienten, die Rundungswerte sind) sowie eine Diskussion verschiedener Methoden, um mit solchen empirischen Polynomen zu rechnen und die numerische Stabilität dieser Berechnungen zu beurteilen.

Danach behandelt Kapitel II den univariaten Fall. Hier gibt es bereits eine Menge klassischer Ergebnisse der numerischen Analysis, wie die univariate Polynominterpolation oder die Sensibilitätsanalyse der Polynomdivision. Ein in den letzten 15 Jahren aktives Forschungsthema ist die Berechnung des größten gemeinsamen Teilers zweier univariater empirischer Polynome. Auch das Problem der Isolation der Nullstellen kommt zur Sprache. Diese Themen kann der Leser über die Historical and Bibliographical Notes und die kapitelweisen References leicht selbst weiter vertiefen.

Den Kern des Buchs bildet Kapitel III, wo Stetter die Grundlagen einer Theorie der multivariaten empirischen Polynome und Polynomideale entwickelt. Nach einem kurzen Ausflug in die Problematik der numerischen Behandlung einzelner multivariater Polynome (z. B. die numerische Faktorisierung) geht er ausführlich auf die von ihm mitbegründete und entwickelte Theorie der Randbasen 0-dimensionaler Polynomideale ein. Hierbei bedeutet ”0-dimensional“, dass das Ideal nur endlich viele komplexe Nullstellen besitzt. Solche Polynomideale I werden mit Hilfe des Restklassenrings P/I und mit Hilfe von Randbasen studiert; das Kapitel gibt u. A. Auskunft über die Berechnung der Anzahl und der Vielfachheit der Nullstellen, die numerische Berechnung einer Randbasis oder Gröbner-Basis von I sowie einer Basis von P/I, über die ”duale Darstellung“ mit Hilfe von Linearformen und über die Bestimmung der Syzygien einer Randbasis. Viele dieser Resultate sind hier erstmals in Buchform aufgeschrieben.

Das abschließende Kapitel behandelt positivdimensionale polynomiale Systeme. Dabei schlägt Stetter verschiedene Ansätze vor, die Methoden aus Kapitel III auf nicht 0-dimensionale Situationen zu übertragen. Die Entwicklung solcher Theorien ist noch nicht abgeschlossen, so dass seine Ausführungen als Vorschläge und Anregungen zu interpretieren sind, die mit geeigneten Beispielen untermauert werden.

Das gesamte Buch ist sehr lebendig und direkt geschrieben. Überall finden sich Zahlenbeispiele, Übungsaufgaben, geschichtliche Bemerkungen und Literaturhinweise. Der Text liest sich flüssig und die Notationen sind angenehm einheitlich. Somit kann das Buch jedem Mathematiker empfohlen werden, der in dieses aktuelle Gebiet eindringen möchte. Es ist auch als Grundlage für Vorlesungen im Haupt- bzw. Master-Studium geeignet. Der Preis für SIAM-Mitglieder beträgt $ 64,75 und ist daher recht moderat.

Rezension: Martin Kreuzer (Dortmund) aus Computeralgebra-Rundbrief, Nr. 40 - März 2007