spiel zufall und kommerz

Spiel, Zufall und Kommerz
Theorie und Praxis des Spiels um Geld zwischen Mathematik, Recht und Realität

Thomas Bronder
Springer Spektrum Verlag (25. Februar 2016), Taschenbuch, 320 Seiten, 29,99 €

ISBN-10: 3662488280
ISBN-13: 978-3662488287

Der Autor war jahrelang Leiter des Spielgerätelabors der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und beriet den „Spielausschuss“ beim Bundeskriminalamt. Aus diesen praktischen Erfahrungen und intensiven Recherchen ist dieses Buch entstanden.

Nach einer sehr kurzen Einführung in die Geschichte des Spiels (6 Seiten) folgen die drei großen Kapitel mit den Überschriften „Das Spiel“, „Der Zufall“ und „Der Kommerz“.

Im ersten Kapitel werden die unterschiedlichsten Spiele beschrieben und nach verschiedenen Kriterien klassifiziert und tabellarisch dargestellt:

nach Spielgegenständen (u. a. Würfel, Brett- und Kartenspiele, Lotterien, Wetten)
Zufall oder Geschicklichkeit oder Mischformen beider
Ein-, Zwei- oder Mehrpersonenspiele
Turnierspiele (häufig beim Sport).

Rechtliche Aspekte von Glücksspielen (Spieltempo, Einsatz, Gewinn und Zufallsanteil) werden erläutert. Das Messen des Zufallsanteils wird an den beiden Spielen Skat und Poker diskutiert mit dem Ergebnis, dass das (üblicherweise vielfach wiederholte) Skat als Geschicklichkeitsspiel anzusehen ist, Poker hingegen – auch als Spielserie – ein Glücksspiel bleibt. Weiterhin geht der Autor auf die Spieldefinition John von Neumanns ein und stellt die von diesem verwendeten mathematischen Begriffe „Baum“, „Strategie“, „Gewinnfunktion“ und „Nullsummenspiel“ vor sowie die Klassifizierung nach Spielen mit perfekter, imperfekte oder fehlender Information.

Im Kapitel „Der Zufall“ wird dieser Begriff ausführlich analysiert und mit den Kategorien „Wahrscheinlichkeit“ und „Unabhängigkeit“ in Beziehung gesetzt; Zufallsgeräte und (Pseudo-)Zufallszahlengeneratoren werden systematisch vorgestellt. Der Autor entwickelt die Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitsrechnung bis hin zum Gesetz der großen Zahlen und der Gauss‘schen Normalverteilung. Interessant und ausführlich dargestellt ist die Methode der Irrfahrten, die zur Darstellung der Spielabfolge (hier insbesondere beim Roulette) dient. Mit diesem Hilfsmittel können die Begriffe Verlust- und Gewinnquote, Nettogewinnzone gut veranschaulicht werden. Die Diagramme zeigen auch sehr überzeugend, dass es bei einer Spielserie im Roulette oder bei Geldspielautomaten einen Grenzpunkt (den Punkt ohne Rückkehr - point of no return) gibt, „ab dem es trotz weiterer zufälliger Gewinne keine Rückkehr mehr zu einem Nettogewinn gibt“ (mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,7 %, 3σ-Vertrauensintervall). Erstaunt hat mich Bronders Feststellung, dass die modernen Spielautomaten aufgrund der eingebauten Mikroprozessoren und der komplexen Programmierung eine Überprüfung der vom Hersteller angegebenen Auszahlungsquote nur angenähert experimentell durch sehr lange Testserien erlauben.

Das Kapitel „Der Kommerz“ handelt von der Konstruktion von Glücksspielen (Gewinnplanerstellung bei verschiedenen Spielen, Bestimmung von Auszahlungsquoten), weiter von Wetten und Buchmachern, Schneeballsystemen, vermeintlich sicheren Spielsystemen (Martingale) beim Roulette sowie von Spielmanipulationen und Falschspielern. Weiter werden Aspekte der Wirtschaftlichkeit von Spieleanbietern (z.B. Automatenaufstellern und Spielbanken) diskutiert.

Das Buch enthält eine lange Liste der verwendeten Quellen sowie ein Stichwortverzeichnis, bei dem leider das letzte Kapitel nicht berücksichtigt worden ist.

Eine Fülle von mathematischen, technischen, juristischen und ökonomischen Aspekten wird geboten. Laut hinterem Buchdeckel „liegt hiermit nun eine kleine ‚Bibel‘ des Spiels um Geld vor, die für Spieler, Veranstalter und Automatenaufsteller ebenso interessant ist wir für Erfinder und Sachverständige, Gesetzgeber und Richter“. Für Leser, die nicht zu diesem Adressatenkreises gehören, dürfte die Lektüre weniger geeignet sein – dafür ist es in vielen Teilen doch zu speziell und zu ausführlich.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)