mathematik und zaubern ein einstieg fuer mathematikerEhrhard Behrends

Springer Spektrum; Auflage: 1. Aufl. 2017 (7. Juli 2017), 27,99 €
ISBN-10: 3658175044
ISBN-13: 978-3658175047

Vor ein paar Jahren habe ich das Buch „Der mathematische Zauberstab – Verblüffende Tricks mit Karten und Zahlen“ desselben Autors hier rezensiert. Da urteilte ich unter anderem: „Das Buch ist so angelegt, dass – wer will – die Mathematik stets überblättern kann. Das wäre aber schade. Die Mathematik hinter den Kunststücken ist nicht sehr kompliziert, und der Autor möchte sicher gerne, dass viele sich auch damit beschäftigen.“

Hier, in seinem nächsten „Zauberbuch“ allerdings, ist das anders: In der Einleitung schreibt Behrends „Die zugrunde liegende Mathematik benötigt zum Verständnis eine fachliche Vorbildung: Für mathematische Laien wird es (leider) zu schwierig.“

In 15 Kapiteln wird jeweils ein Zaubertrick (mit Varianten) relativ kurz vorgestellt, ausführlich aber wird die Mathematik erklärt, hergeleitet und bewiesen, die hinter diesem Trick verborgen ist (den man „auch dann vorführen kann, wenn man den mathematischen Hintergrund nicht bis in alle Einzelheiten verstanden hat“). Der Schwierigkeitsgrad dieser kleinen Theorien wird vom Autor als von „leicht bis mittel“ bis hin zu „schwer“ eingeschätzt. (Diese subjektiven Einstufungen haben sich „auch durch Erfahrungen in Seminaren und Proseminaren an der FU Berlin“ ergeben.)

Bei manchen Abschnitten konnte Behrends auf vorliegende mathematische Veröffentlichungen zurückgreifen, in anderen Teilen hat er die notwendige Mathematik erst selber entwickelt und teilweise hier erstmals veröffentlicht!

Ich finde es erstaunlich und verblüffend, welche Vielfalt an mathematischen Themen dabei zur Sprache kommt. Ich will das an einigen der Kapitel näher beschreiben.

In zwei Kapiteln geht es um (verallgemeinerte) magische Quadrate. Neben der Methode der vollständigen Induktion werden Kenntnisse über Permutationen und die Theorie linearer Gleichungssysteme benötigt. Und dann werden die Überlegungen – typisch Mathematiker! – auf höhere Dimensionen übertragen (magische Würfel und Hyperwürfel). Aber lässt sich das denn einfach visualisieren? In der Tat wird für die dritte Dimension eine realisierbare Variante vorgeschlagen: man kann sie in den Quadraten durch Farben darstellen!

Ein Kartentrick – relativ einfach durchzuführen, da das meiste die Mathematik erledigt – ist Thema eines anderen Kapitels. Warum es funktioniert, wird erklärt: man nehme ein wenig Gruppentheorie mit einer Untergruppe der symmetrischen Gruppe und deren Normalisator, die Begriffe Faktorgruppe, Permutation und Homomorphismus und schon ist eine kleine „Theorie“ dieses speziellen Kartenmischens entstanden.

Ein weiterer Abschnitt handelt von der „mysteriösen Zahl 1089“, die häufig in Lehrbüchern für Arithmetik (Grundschullehrer) und in Zauberbüchern zu finden ist. Während man das Entstehen dieser Zahl (ausgehend von einer dreistelligen Zahl) durch den kurzen Rechenprozess in wenigen Zeilen herleiten kann, nimmt der Autor – auch hier wieder typisch Mathematiker! - Verallgemeinerungen vor: Er untersucht, ob sich diese Eigenschaft erhält, wenn man mit Zahlen beliebiger Länge arbeitet und dann – das wäre ja noch zu wenig – wenn man die Zahlen in beliebigen anderen Zahlsystemen (etwa dem Dualsystem) darstellt. Zur Lösung dieser Fragen muss Behrends erst einmal die Grundschultechniken der schriftlichen Subtraktion und Addition präzisieren, um dann mit Hilfe von komplexen Rekursionsformeln das Ergebnis zu erhalten – und überrascht festzustellen, dass dabei die Fibonacci-Zahlen auftauchen!

In weiteren Kapiteln erscheinen dann noch Primzahlen und Binomialkoeffizienten, Restklassengruppen und quadratische Reste, Palindrome, Codierungen und deBruijn-Folgen, Wahrscheinlichkeiten und Wartezeiten und immer wieder Rekursion und vollständige Induktion.

Wer mehr zur praktischen Umsetzung der Zaubertricks erfahren möchte, greife zum anfangs genannten Buch oder zu anderen Zauberbüchern, die vom Autor am Ende eines jeden Kapitels beschrieben werden. Ergänzende mathematische Literatur und Ehrhard Behrends eigene Originalarbeiten zu diesem Thema werden in einem ausführlichen Verzeichnis aufgeführt.

Das Buch ist sicher nicht für jeden Amateur-Zauberer die passende Lektüre. Wohl aber für Mathematik-Liebhaber, Dozenten und Studenten, für Seminare, in denen man mathematische Theorien in einem Zusammenhang anwenden kann, den man vor dieser Lektüre wohl kaum für möglich gehalten hätte.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)