parkettierungen der ebeneEhrhard Behrends

Verlag: Springer Spektrum; Auflage: 1 (12. Dezember 2018), XI + 285 Seiten
Taschenbuch: 24,99 €, Kindle: 19,99 €
ISBN: 978-3-658-23269-6
ISBN: 978-3-658-23270-2

Die Wahl einer quadratischen (oder auch rechteckigen) Fliese bei der Renovierung des häuslichen Badezimmers, erweist sich grundsätzlich vor allem deshalb als gute Idee, weil man sich sicher sein kann, dass die Fliesen aneinandergelegt einen zwar fugenbehafteten jedoch vom Prinzip her lückenlosen Bodenbelag bilden. Mit etwas kreativer Neigung wählt man für das Bad vielleicht auch eine dreieckige Fliese und für die Terrasse einen sechseckigen Pflasterstein. Doch ’Obacht!’, in beiden Fällen gilt es, genau über die Innenwinkel nachzudenken.

„Wäre die Terrasse nun aber allerdings hyperbolischer Natur ...“ beginnt der mathematikversierte Heimwerker nachzudenken, schlägt „Parkettierungen der Ebene“ von Ehrhard Behrends auf und wird fündig.

In drei Teilen geleitet der Autor seine Leser durch verschiedene Varianten des Problems, eine Ebene lückenlos zu pflastern. Stets werden zunächst die mathematischen Begriffe geklärt, bevor der Autor die einzelnen Parkettierungen klassifiziert und illustriert. Damit braucht es nur Spaß an Geometrie und praktisch keine besonderen mathematischen Vorkenntnisse über den Schulstoff hinaus um Ehrhard Behrends von „Escher über Möbius zu Penrose“ (so sein Untertitel) folgen zu können. Die wenigen weiterführenden Begriffe wie Bijektivität oder Gruppen lassen sich schnell in nahezu jedem Einstieg in universitäre Mathematik nachlesen.

Abschnitt I beschäftigt sich mit den Symmetriegruppen der euklidischen Ebene. Zunächst werden Bewegungen (Isometrien der Ebene) definiert und in bekannter Weise vollständig klassifiziert. Es folgt das Konzept der Symmetriegruppe samt Begleiterscheinungen, wie zum Beispiel Fundamentalbereiche. Im Sinne der Parkettierungsidee geht der Abschnitt dann zunächst mit einer Klassifikation der Fries- und dann der Kristallgruppen weiter. Bemerkenswert ist, dass es hier nicht bei einer exemplarischen Behandlung einzelner Beispiele bleibt, sondern alle sieben bzw. 17 Möglichkeiten vollständig und systematisch vorgestellt werden. Der Abschnitt schließt mit den Heesch-Konstruktionen, durch die (wieder für alle Möglichkeiten) aufgezeigt wird, wie systematisch Beispiele für die einzelnen Symmetriegruppen erstellt werden können.

Abstrakter wird es dann in Abschnitt II. Hier widmet sich der Autor der Parkettierung der komplexen Zahlenebene. Nach einem Kurzabriss über die komplexen Zahlen folgt eine ausführliche Einführung in das Thema Möbiustransformationen und deren Eigenschaften. Auch wenn im Detail ganz unterschiedlich, fallen beim Durcharbeiten schnell die Parallelen zum Vorgehen in der euklidischen Ebene auf und man wartet schon auf die dann auch folgende Klassifizierung in Gruppen. Diese sind dann wieder die Grundlage um über Fundamentalbereiche zu sprechen, aus denen heraus dann \(\mathbb C\) bzw. Teilmengen gepflastert werden können. Der an dieser Stelle naheliegende Exkurs zur nichteuklidischen Geometrie wird geliefert und der Abschnitt schließt mit fortgeschrittenen Themen wie Schottkygruppen, parabolischen Kommutatoren und Kleinschen Gruppen.

In Abschnitt III geht es dann wieder zurück in die euklidische Ebene mit der Frage nach nichtperiodischen Parkettierungen. Die mathematischen Grundlagen sind hier etwas geringer, der systematische Theorieaufbau dafür etwas komplexer. Viele Beispiele und Bilder geleiten die Leserin und den Leser sicher durch den kombinatorischen Dschungel in dem sie zeigen, wie man sich an Indexfolgen von Dreiecken wie an Lianen vom Ausgangsbeispiel zum Hauptsatz hangeln kann. Nach den sehr endlichen und übersichtlichen Klassifizierungen aus I und II mag es überraschen, dass es durch die leicht andere Fragestellung nun überabzählbar viele unterschiedliche Arten gibt seine Terrasse nichtperiodisch zu pflastern. Wohl dem, der sich entscheiden kann.

Ich kann das Buch von Ehrhard Behrends uneingeschränkt empfehlen. Der Autor führt seine Leser in aller Ausführlichkeit, vollständig erklärt und gut illustriert, durch Themen, die bekanntermaßen sehr gut dafür geeignet sind um an nichttrivialen Beispielen etwas über Mathematik und Mathematiktreiben zu lernen. Ich empfehle das Buch sowohl für mathematische Laien, interessierte Schülerinnen und Schüler sowie motivierte Studienanfänger, als auch für Mathematiklehrende an Schule und Hochschule, als Ideenpool für Facharbeiten, als Nachschlagewerk für Vorlesungen oder als Literaturgrundlage für Seminare.

Rezension: Max Hoffmann (Uni Paderborn)

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, März 2020, Band 67, S. 115-116.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags