von der mathematisierung in der oekonomie bis zur modernen finanzmathematikAgnes Handwerk

Springer Spektrum; 1. Aufl. 2021 Edition (4. März 2021), 32,99 €

ISBN-10: ‎3662626365
ISBN-13 : ‎978-3662626368

Agnes Handwerk ist eine Journalistin, die mit biographischen Filmen (zusammen mit Harrie Willems) und Radiofeatures über Mathematiker hervorgetreten ist und für ihre Arbeit mit dem Journalistenpreis der DMV ausgezeichnet wurde. Einer der porträtierten Mathematiker war Wolfgang Doeblin, der unabhängig von K. Ito wesentliche Elemente der stochastischen Analysis entwickelte, sie aber im 2. Weltkrieg nicht veröffentlichen konnte. (Die Entdeckung dieser Beiträge ist eine Geschichte für sich, die es zu googlen lohnt.)

Die Arbeit an diesem Projekt verlief parallel zum Aufschwung eines neuen Teilgebiets der Mathematik, wo die Ideen von Doeblin und Ito Anwendung finden, nämlich der Finanzmathematik. So entstand die Idee zu dem vorliegenden schmalen Buch, in dem die Autorin ihre Interviews mit den Protagonisten dieses neuen Gebiets wie z.B. Hans Föllmer, Freddie Delbaen und Werner Hillenbrand sammelt, deren Aussagen einordnet und weitere Dokumente zitiert. Durch diesen biographischen Ansatz entsteht ein sehr persönliches Bild der Entwicklung der modernen Finanzmathematik als Teil der stochastischen Analysis einerseits und der mathematischen Wirtschaftstheorie andererseits.

Den meisten hier auftretenden Akteuren ist gemein, dass sie ihren mathematischen Hintergrund in der reinen Mathematik haben (Maßtheorie, Funktionalanalysis und Wahrscheinlichkeitstheorie in ihrer in Frankreich gepflegten Ausprägung à la Meyer, Neveu und Dellacherie) und außerdem in der ökonomischen Theorie bewandert sind; das ist der biographische rote Faden, der sich durch das Buch zieht. Die Autorin stellt sowohl die Errungenschaften dieser Theoretiker vor als auch die Kritik an ihren Modellen, die sich nach dem Börsenkrach von 2008 einstellte.

Mathematiker und Ökonomen werden Agnes Handwerks Text mit Interesse lesen, wenn ihre Universitätsbibliothek den Titel vorhält. Alle übrigen hypothetischen Leserinnen und Leser werden möglicherweise davon abgeschreckt, knapp 33 € für 75 Seiten Text auszugeben; außerdem wäre ein Glossar hilfreich gewesen, das die für die Beteiligten selbstverständlichen Begriffe wie Arbitrage, Ito-Kalkül, Black-Scholes-Formel, Martingaltheorie etc. aufbereitet. (Was ein Quant tut, ist vermutlich heute, 13 Jahre nach dem Ausbruch der Bankenkrise, auch nicht mehr allgemein präsent.)

Rezension: Dirk Werner (FU Berlin)