Der darauf folgende Artikel „Die Verlässlichkeit von Covid-19 Schnelltests“ gibt einen interessanten und konzentrierten Kurzeinblick in das Gebiet der bedingten Wahrscheinlichkeiten mit der Erläuterung des Bayes-Theorems an Hand der Erläuterung des Zusammenhangs zwischen falschen Testergebnissen und einer tatsächlichen Erkrankung. Es wird vorgerechnet, wie uns die Intuition der Vorstellung von Wahrscheinlichkeiten einen gewaltigen Streich spielen kann. Das ist spätestens seit der Diskussion über HIV-Tests bekannt, ist aber durchaus Wert hier noch einmal an einem aktuellen, graphisch sehr instruktiv illustrierten Beispiel aufgefrischt zu werden.

Der nächste Artikel widmet sich dem Thema „Robuste Inzidenzzahlen“, einem Schlagwort, das lange Zeit als 7‑Tage-Inzidenz in aller Munde war. Dieser Beitrag bedarf allerdings von Seiten des Lesers schon etwas erweiterter Kenntnisse der Mathematik sowie deren Notation. Umgang mit Logarithmus und Exponentialfunktion sowie Matrizenrechnung sind zum Verständnis erforderlich. Der Hintergrund bzw. die Motivation der durchgeführten Berechnungen erschließen sich aber ganz gut aus dem erklärenden Text. Es wird nämlich ausgeführt, dass die 7‑Tage-Inzidenz kein sonderlich robuster Parameter ist, da er stark durch äußere Gegebenheiten wie die Zahl der Tests und die Qualität der Kontaktnachverfolgung beeinflusst wird. Der Autor erläutert dann mathematisch etwas anspruchsvoller ein alternatives Verfahren zur Schätzung der Infektionsbelastung an Hand des EPG-Indexes. Allerdings ist auf Grund der stark komprimierten Darstellung sowie einer Vielzahl von verwendeten Abkürzungen bzw. Formelzeichen ein schnelles und komplettes Durchdringen und Nachvollziehen der Methodik nicht ohne weiteres möglich. Aber wenn das Interesse bei dem einen oder anderen fortgeschritten Leser geweckt wurde, kann er durch ein mitgeliefertes Quellenverzeichnis sein Verständnis erweitern.

Schauen wir uns zur Abwechslung zwei Beiträge aus dem Kapitel Sport an. Beginnen wir mit dem Artikel „Der optimale Freiwurf im Basketball“. Hier wird ein – eigentlich physikalisches – Problem erläutert, wie beim Basketball ein Freiwurf auszuführen ist, der einen möglichst großen Spielraum an Abwurfparametern zulässt. Der Sportler visiert den Korb unter bestimmtem Winkel und Abwurfgeschwindigkeit an, um den Korb zu treffen. Dafür könnte er einen flachen oder auch steileren Wurf planen. Da seine Schätzung aber verständlicherweise nicht perfekt ist, geht es darum unter welchem Winkel eine möglichst große Abweichung vom optimalen Wurf noch zum Korb führt. Es wird somit eine Strategie entwickelt, die unter realen Bedingungen die Erfolgsquote deutlich erhöhen kann. Leider wird die Lösung nicht weiter ausgeführt, sondern nur darauf hingewiesen, dass die beste Strategie darin besteht, sowohl den Abwurfwinkel als auch die Abwurfgeschwindigkeit zu optimieren. Da es sich aber im betrachteten vereinfachten Modell um die Analyse reiner Wurfparabeln handelt, kann man dies gerne als Anregung nehmen, diese Aufgabe in einer Arbeitsgemeinschaft unter fachkundiger Anleitung ausführlicher zu untersuchen.

Im folgenden Beitrag „Das Geheimnis hinter einem erfolgreichen Endspurt im Radsport“ erläutert ein bei einem sehr bekannten Radrennstall (Shimano) angestellter Bewegungswissenschaftler, wie er alle ihm übermittelten Messdaten der Rennfahrer, sogenannte SRM-Daten, für eine optimale Zielsprinttaktik auswertet. Leider geht es auch hier nicht ins Detail, aber einige radsportaffine Leser werden das präsentierte Diagramm sicher sehr interessant und vielleicht sogar hinterfragenswert finden.

Da in diesem kurzen Abriss unmöglich alle Beiträge erwähnt werden können, abschließend noch ein Beispiel aus einem Gebiet, in dem man weniger Mathematik vermutet: aus der Musik zum Thema „Wie fair ist die Punktevergabe im Eurovision-Song-Contest“. Hier wird von den Autoren diskutiert, ob man aus dem Abstimmverhalten der einzelnen Länder erkennen kann, ob sich bestimmte Ländergruppen gegenseitig Punkte „zuschieben“, oder ob doch eine halbwegs „objektive“ Bewertung der Songs vorliegt. Dies erfolgt an Hand von Begriffen wie Nachbarschaft, Sprachvorliebe und ähnlichen. Dabei erklären sie, wie bei dieser Untersuchung Elemente der Graphentheorie zur Anwendung kommen können. Das sind Untersuchungen, wie man sie schon bei der Analyse von sozialen Netzwerken wie Facebook durchgeführt hat. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass bei skandinavischen Ländern wahrscheinlich der ähnliche Musikgeschmack die Punktevergabe erklärt und Lena Meyer-Landrut ihren Wettbewerb zurecht und fair gewonnen hat.

Abschließend kann man sagen, dass dieses Buch eine Vielzahl von Themen in verständlicher und kurzer Weise darbringt. Das erforderliche Niveau zum Verständnis ist dabei durchaus unterschiedlich und reicht von rein verbaler Darstellung bis hin zu detailierteren mathematischen Erläuterungen. Insgesamt vermittelt das Buch einen interessanten Einblick in die Vielfalt der mathematischen Anwendungen für die unterschiedlichsten Gebiete der Gesellschaft. (H. K.)