architektur der mathematik

Die Architektur der Mathematik
Denken in Strukturen

Pierre Basieux
rororo; Auflage: 3., Aufl. (1. 11. 2000), 187 Seiten, Taschenbuch, 8,99 €

ISBN-10: 3499611198
ISBN-13: 978-3499611193

In diesem schmalen Taschenbuch setzt sich der Autor das ambitionierte Ziel, die strukturelle Sichtweise der (reinen) Mathematik des 20. Jahrhunderts einem breiten Leserkreis nahezubringen. Dieser Ansatz ist mit Namen wie David Hilbert und insbesondere mit der französischen Mathematikergruppe Bourbaki verknüpft und hat die Mathematik der letzten 100 Jahre entscheidend geprägt.

Da diese Sichtweise für manche Leserinnen und Leser dieser Rezension ungewohnt ist, bei denen die rechentechnischen Aspekte im Schulunterricht im Vordergrund standen, möchte ich ein Beispiel geben. Wir gehen von einer Menge von Objekten aus, etwa der Menge der ganzen Zahlen \(\mathbb{Z}=\{\dots,-2,-1,0,1,2,\dots\}\) . Außer der Gleichheit zweier Zahlen können wir gröbere Raster betrachten, unter denen zwei Zahlen als „äquivalent“ gelten sollen, zum Beispiel, wenn sie bei Division durch 7 denselben Rest lassen. In diesem Sinn sind 5 und 12 oder -3 und 11 jeweils äquivalent, aber natürlich nicht gleich. Das ist ein Beispiel einer Äquivalenzrelation. Darunter versteht man in der Mathematik eine Beziehung zwischen je zwei Elementen einer Menge, die folgenden Bedingungen genügt: Stets ist x äquivalent zu sich selbst (Reflexivität); wenn x zu y äquivalent ist, dann auch y zu x (Symmetrie); schließlich folgt aus der Äquivalenz von x zu y und der von y zu z die Äquivalenz von x zu z (Transitivität).

Äquivalenzrelationen tauchen überall in der Mathematik auf, und statt jede einzeln zu untersuchen, wird der abstrakte Begriff studiert. So stellt sich zum Beispiel heraus, dass jede Äquivalenzrelation die Grundmenge in sogenannte Äquivalenzklassen aufspaltet. Manchmal kann man mit den Klassen genauso rechnen wie mit den ursprünglichen Elementen; so gilt im obigen Beispiel in naheliegender Weise „Restklasse von 2 + Restklasse von 3 = Restklasse von 5“ oder „Restklasse von 4 + Restklasse von 6 = Restklasse von 3“. Ich habe gerade etwas vage „in naheliegender Weise“ geschrieben, um zu kaschieren, dass die Addition von Restklassen einer Erklärung bedarf. Dies führt zur abstrakten Struktur einer abelschen Gruppe; was das genau ist, erfährt man in diesem Buch – und vieles mehr. Hier sind einige Stichworte zum Inhalt: Mengen und Relationen; Auswahlaxiom und Zornsches Lemma; Ordnungsrelationen; algebraische Strukturen wie Gruppen, Ringe, Körper; topologische Räume; strukturverträgliche Abbildungen; Homomorphismen; topologische Vektorräume.

Rezension: Dirk Werner (FU Berlin)