politik der großen zahlen

Die Politik der großen Zahlen
Eine Geschichte der statistischen Denkweise

Alain Desrosières
Springer Verlag, 2005, 434 Seiten, 24,95 €

ISBN:3-540-20655-8

Dem Titel nach ist dieses Buch ein "Geschichtsbuch". Es stimmt: Dieses Buch ist eines über Geschichten. Es erzählt die wechselvollen Geschichten, die die "Statistik" im Laufe ihres bisherigen, vorwiegend sozialen, Lebens erfahren hat. Obgleich ihr Gegenstand die Ungewissheit ist, muss sie stets etwas darüber aussagen - wie der Meteorologe, von dem man alles, nur nicht hören will, er wisse nicht, wie das Wetter werde. Und gerade darin liegt die Wechselhaftigkeit ihres Lebens.
Anfänglich von der Wahrscheinlichkeitstheorie (die ihre Herkunft den Glückspielen zu verdanken hat) getrennt, war die Statistik zunächst vor allem Staatsangelegenheit: Als "politische Arithmetik" war sie das Fenster der Regierenden zu ihrer Bevölkerung und deren Straftaten, Geburten, Lebenserwartung, Besitz und vielem mehr. Später auch im Dienst der Astronomie und Geodäsie (was lange Zeit nicht minder politisch war) wurde sie vor allem mit fortschreitender Methodik durch Laplace und Gauß vielseitiger. Dies gipfelte in Quetelets Durchschnittsmensch und einigen kontroversen Beispielen aus der medizinischen Statistik. Zunehmend wurde sie dann von der Soziologie vereinnahmt und Galton verband schließlich Normalverteilung, soziale Schichten und Darwinismus miteinander. Erst verhältnismäßig spät fand die Statistik Einzug in die Wirtschaftstheorie. Vorläufige institutionelle Endpunkte der Geschichte sind die modernen statistischen Bundesämter die nicht nur über Arbeitslosigkeit und Ungleichheit Auskunft geben (sollen), sondern auch über die Anzahl der Fahrräder oder Bücher pro Haushalt geben (können). Insgesamt kann man wohl sagen, dass das Buch mit diesem Bogen vor allem die sozialwissenschaftlichen Turbulenzen der Statistik abdeckt.
Wenn "Wissenschaft" ist, wahre Aussagen über etwas zu treffen, was man nicht genau weiß, ist "Statistik" eine Wissenschaft, die versucht, wahre Aussagen über etwas zu treffen, was man eigentlich nicht genau wissen kann (bzw. was man sowieso schon genau weiß). Eigentlich kämpft die Statistik damit gegen ihren Anspruch, zu sagen, wie es ist. Von dem sozialen Kampf erzählt das Buch von Alain Desrosières. Ein Buch über die Kämpfe der Statistik in den Naturwissenschaften muss noch geschrieben werden.

(Rezension: Mark Krüger)