the universe of conicsGeorg Glaeser, Hellmuth Stachel, Boris Odehnal

Springer Spektrum, 2016, viii+488 Seiten, 63,99 €
eBook: 44,79 €
ISBN 978-3-662-45449-7
ISBN 978-3-662-45450-3

Dieses in Englisch abgefasste Buch vermittelt auf 488 Seiten die klassische Theorie der Kegelschnitte in zeitgemäßer Form. Die Autoren verbinden dabei synthetische und analytische Methoden. Die mehr als 360 farbigen Illustrationen tragen wesentlich dazu bei, dass der anschaulich-geometrische Aspekt des Themas gebührend zur Geltung kommt.

Kapitel 1 beginnt mit einem Blick ins Weltall: “Our Universe is full of conics, even though we cannot always see them – like the orbits of the planets.” In informeller Weise wird daran anschließend die Route der nachfolgenden Reise durch das Universum der Kegelschnitte abgesteckt und schmackhaft gemacht. Am Anfang stehen Kegelschnitte im Rahmen der Euklidischen Geometrie. Daran anschließend wird die Beschreibung der Kegelschnitte als algebraische Kurven vom Grad 2 skizziert; es folgen Bemerkungen zur dualen Beziehung zwischen Punkten und Tangenten eines Kegelschnitts, also ein Ausblick auf die Theorie der Kegelschnitte im Rahmen der projektiven Geometrie. Ferner gibt es Anmerkungen zur Präsenz von Kegelschnitten in Natur und Kunst. Als Abrundung finden sich kurze historische Notizen zum Thema Kegelschnitte, beginnend bei Apollonius von Perga bis hin zu Felix Klein.

In Kapitel 2 wird die Euklidische Theorie der Kegelschnitte von Grund auf behandelt: die drei Brennpunktsdefinitionen (getrennt nach Ellipse, Hyperbel und Parabel), die Apollonische Definition, verschiedene Formen der Kegelschnittsgleichungen, Tangentenkonstruktionen, konfokale Kegelschnitte (Satz von Ivory) und anderes mehr. Auf Konstruktionen mit Zirkel und Lineal wird sehr ausführlich eingegangen. Ein Abstecher in die kinematische Geometrie präsentiert interessante Mechanismen, mit deren Hilfe Kegelschnitte gezeichnet werden können.

Das Thema des dritten Kapitels ist die Differentialgeometrie der Kegelschnitte. An Hand der Keplerschen Gesetze werden die Planetenbahnen als Kegelschnitte identifiziert. Weitere Themen sind die Evoluten der Kegelschnitte und eine ausgesprochen umfangreiche Diskussion der Krümmung der Kegelschnitte. Als Anwendungen folgen die punktale Approximation allgemeiner ebener Kurven durch Krümmungskreis, Schmiegparabel und Schmiegkegelschnitt sowie – nach Wechsel in den dreidimensionalen Euklidischen Raum – die Veranschaulichung der Normalkrümmung von Flächenkurven mit Hilfe der Dupinschen Indikatrix. Zur Abrundung wird auch kurz auf das oskulierende Scheitelparaboloid sowie die Meusniersche Kugel eingegangen.

Einmal in der dritten Dimension angekommen, vermittelt Kapitel 4 einiges von dem, was dort noch sehenswert ist: Kegelschnitte als ebene Schnitte von Drehkegeln (Beweis nach Dandelin), Fokalkegelschnitte, Dupinsche Zykliden, perspektive Bilder von Kegelschnitten sowie die Lösung von planimetrischen Aufgaben über Kegelschnitte mit Hilfe „räumlicher Deutung“, also unter Einsatz von Methoden der Darstellenden Geometrie.

Für ein tieferes Verständnis der Theorie der Kegelschnitte führt an der projektiven Geometrie kein Weg vorbei. Die Autoren präsentieren dieses Teilgebiet der Mathematik in Kapitel 5, wobei einiges im Detail hergeleitet und anderes ohne Beweis vorgestellt wird: Axiome der projektiven Ebene, Dualität, Perspektivitäten und Projektivitäten, homogene Koordinaten und schließlich harmonische Quadrupel. Nach dieser „Aufwärmrunde in der Ebene“ geht es nun bergan. Stationen sind die Kegelschnittsdefinition von Steiner, die Sätze von Pascal und Brianchon sowie Parametrisierungen von Kegelschnitten. Der Weg zum Gipfel lohnt allemal, denn von dort ist der Blick frei auf das Hauptergebnis von Kapitel 6: Es gibt nur einen Kegelschnitt in der projektiven Ebene!

Der projektiv-geometrische Zugang zu den Kegelschnitten nach Karl von Staudt, also mittels Polaritäten, steht im Mittelpunkt von Kapitel 7. Büschel von Kegelschnitten werden einerseits über Linearkombinationen symmetrischer 3x3 Matrizen und andererseits durch explizite Beschreibungen der auftretenden Typen vorgestellt. Natürlich dürfen hier der Involutionssatz von Desargues und die Abbildung doppelt konjugierter Punkte nicht fehlen. Letztere wird im allgemeineren Kontext der quadratischen Cremona-Transformationen untersucht, was einen Anknüpfungspunkt zur algebraischen Geometrie ergibt. Weiter geht die Reise! Ganz im Sinne des Kleinschen „Erlanger Programms“ behandelt Kapitel 8 affine Eigenschaften von Kegelschnitten, wie etwa konjugierte Durchmesser; gelegentlich werden dabei auch Euklidische Eigenschaften eingeflochten. Beziehungen zur Theorie der Bézierkurven und zur Zahlentheorie werden ausführlich besprochen. Auf die Darstellung von Querverbindungen zur Konvexgeometrie musste hingegen aus Platzgründen verzichtet werden.

In Kapitel 9 werden zahlreiche Einzelthemen auf hohem Niveau diskutiert. Im Rahmen der Euklidischen Ebene kommen Kegelschnitte in der Dreiecksgeometrie, isoptische Kurven und Fußpunktskurven von Kegelschnitten zur Sprache. Danach werden im Kontext der projektiven Geometrie poristische Probleme untersucht; das sind bekanntlich Probleme, die entweder keine Lösung oder aber unendlich viele Lösungen besitzen. Hierher gehört etwa die Aufgabe, ein Dreieck zu finden, das einen gegebenen Kreis als Inkreis und einen weiteren gegebenen Kreis als Umkreis besitzt.

Im letzten Abschnitt der Reise, also in Kapitel 10, werden Ergebnisse über Kegelschnitte in der sphärischen Geometrie präsentiert. Selbst ein sphärischer Wankelmotor kommt zur Sprache. Dass das Universum der Kegelschnitte noch viele verborgene Schätze birgt, zeigt der Schluss des Buches mit kurzen Ausblicken auf die pseudo-Euklidische und hyperbolische Geometrie.

Dieses wirklich gelungene und mit viel Bedacht abgefasste Werk richtet sich nicht ausschließlich an Lehrende und Studierende der Mathematik sondern an alle, die Liebe zur Geometrie verspüren. Sicherlich ist es auch dazu geeignet, junge Menschen für das Fach Mathematik zu begeistern. Es ist aber kein populärwissenschaftliches Buch. Vielmehr wird in klarer Gliederung und angemessener Strenge eine Fülle von Ergebnissen vermittelt, wobei die Stoffauswahl wohl die Interessen der Autoren widerspiegelt. Zugleich werden Anregungen für den Unterricht in der Schule und an der Universität geliefert. Dabei helfen neben den hervorragenden Illustrationen auch die vielen Hinweise auf Querverbindungen, die eingestreuten Aufgaben und zahlreiche Literaturzitate.

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Oktober 2017, Band 64, S. 223–225
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Hans Havlicek (TU Wien)