meilensteine der mathematik

Meilensteine der Mathematik

Ian Stewart
Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, 2010, 288 Seiten, 32,95 €
Aus dem Englischen übersetzt von Anna Schleitzer

ISBN 978-3-8274-2300-9

Taming the Infinite – The Story of Mathematics

Ian Stewart
London: Quercus Publishing Plc, 2008, 288 pages, 38,74$

ISBN 978-1-84724-181-8

Meilensteine der Mathematik scheint wohl das zeitlich drittletzte Buch von Ian Stewart – englisch Taming the Infinite – The Story of Mathematics – zu sein. Schon früher erschienene Bücher von Stewart bei Spektrum Akademischer Verlag haben die Titel:

Die Zahlen der Natur – Mathematik als Fenster zur Welt (1998)
Pentagonien, Andromeda und die gekämmte Kugel – 50 mathematische Kurzgeschichten (2004)
Warum (gerade) Mathematik? – Eine Antwort in Briefen (2007)
Die Macht der Symmetrie – Warum Schönheit Wahrheit ist (2008)

Das zuletzt (Stand März 2011) erschienene Buch von Stewart scheint Professor Stewarts mathematisches Kuriositätenkabinett beim Rowohlt-Verlag zu sein. Aber vielleicht gibt es – wenn Sie diese Rezension lesen – schon wieder etwas Neues, denn schließlich verfasste Stewart schon vor langer Zeit ein Buch zu Spielt Gott Roulette? und wer weiß, wo die Kugel noch hin rollt. Für April 2011 ist schließlich Mathematics of Life – Unlocking the Secrets of Existence angekündigt. Bleiben dann noch Fragen offen?

Das Internet bietet Ihnen eine Fülle von Informationen zum Buch. Eine Aufgabe des Rezensenten besteht daher erst einmal darin Ihnen die Informationen zu ordnen.

Zuerst zum Autor: Seine Homepage enthält neben einem Link zu seiner Biographie auch das einzige farbige Bild des Buches (zwar nur auf dem Schutzumschlag), nämlich das Portraitfoto des Autors.

Bei Wikipedia finden Sie das Bild wieder und zusätzliche Informationen mit einer Bibliografie geordnet nach Fachbücher, Einführungen in die Mathematik, Populärwissenschaftlichen Bücher und Science Fiction.

Zum Inhalt von Meilensteine der Mathematik: Der Verlag bietet Ihnen als pdf Titelseite, Inhaltverzeichnis und das Kapitel 6, d.h. die Seiten 82 bis 91.

Dort können Sie sich objektiv informieren und z.B. auch ein Bild machen über die Qualität der Grafiken, etwa auf den Seiten 87 und 89. Weiterhin ist auf der Verlagsseite zum Buch zu lesen:

  • Ian Stewart ist der internationale Star unter den Mathematikautoren
  • seine Werke liegen in 170 übersetzten Ausgaben in 20 Sprachen vor
  • dieses Buch wollte Stewart schon immer schreiben – die definitive Geschichte der Mathematik.

Zum Leserkreis: Stutzig macht der Hinweis Content Level »Research«. In anderen Rezensionen, etwa bei Amazon heißt es Geschrieben für: mathematisch-naturwissenschaftlich interessierte Laien; Studenten und Dozenten der Mathematik; wissenschaftshistorisch interessierte Laien. Müssen diesem Leserkreis einerseits die elementar geometrischen Definitionen von sin und cos geboten werden, er dreimal (S. 87, 107, 149) mit der Definition einer Funktion gelangweilt werden, andererseits aber die Moden bei der Wellen- bzw. Wärmegleichung (S. 130) nicht erklärt werden?

Andere Rezensionen: Wie heute üblich gibt es einen Link darauf und dort u.a. einen Hinweis aus Spektrum der Wissenschaft: Die Übersetzung ist von hoher sprachlicher Qualität und wahrt den mitreißenden und erzählenden Stil des Originals. Da auch in der kritischen und lesenswerten Besprechung im Zentralblatt der Mathematik formuliert wird: Die Übersetzung ist gut gemacht; einzig die durchgängige Übersetzung von simple mit simpel ist mir unangenehm aufgefallen kommt der Rezensent ins Grübeln und fragt sich, ob die beiden anderen Rezensenten in den Genuss von speziellen Vorabrezensionsexemplaren gekommen sind, stößt er doch beim Lesen seines Exemplars auf banalste Fehler: „Das Fünfzehnfache von 5000 ist 250000 findet sich auf Seite 35, Zeile 16 von oben. Dieses Rechenergebnis ergibt aber sich im Buch völlig logisch!!! Zu den Sätzen der klassischen Logik, die in verschiedenen Kapiteln erwähnt werden (etwa Seiten 36 / 37, 231 ff.), gehört auch der auf Seite 241 ausführlich benutzte Satz Ex falso quodlibet: also Aus einem logisch – nicht bloß faktisch – falschen Satz folgt jede beliebige Aussage. In der hier zu besprechenden deutschen Fassung wird nämlich vier Zeilen vor dem eben zitierten Rechenergebnis one fiftieth mit einem Fünfzehntel übersetzt. Dann muss doch auch mit 15 multipliziert werden, selbst wenn im englischen Original die hier zitierte Multiplikation gar nicht textlich zu finden ist. Das wäre ja auch noch schöner!

Beim Weiterlesen stößt man dann auf Wertungen, wie …von Euklid, der seinen Ideen ein dünnes geometrisches Mäntelchen umhängte… [S. 93] und darauf, dass Fermat Bemerkungen dazukritzelte [S. 98]. Einige Seiten weiter [S. 105] wird man belehrt, dass sich früher oder später …doch die meisten selbstgenügsamen Spielereien der Mathematiker als durchaus nützlich auch für andere Leute… erwiesen. Der …Gedanke, den gemütlichen reellen Strahl durch einen imaginären Strahl zu einer komplexen Ebene aufzufächern… [S. 141] bereitet dann sicherlich jenen Meilenstein der Mathematik vor, der die Aufschrift trägt: The real and imaginary parts of a complex function satisfy the Cauchy-Riemann equations [p. 144]. Übungsaufgaben lösende Mathematikstudenten werden da vielleicht ins Grübeln kommen, nicht jedoch die die Aufgaben stellenden Professoren!
Um die geduldige Leserschaft nicht viel länger zu quälen, will der Rezensent nur noch eine Stelle anführen: Bei der Beschreibung des Möbius-Bandes schildert Stewart zuerst das klassische Rezept: 1. Nehmen Sie einen Streifen Papier: Kleben Sie ihn „normal“ zusammen und Sie erhalten dann einen Zylinder; 2. verdrehen Sie die Enden des Papierstreifens und kleben Sie sie nun zusammen; Sie erhalten ein Möbiusband.

Im englischen Original (page 206) heißt es dann kurz, knapp und falsch: Another difference appears if you cut along the centre line of the band. It falls into two pieces [Hervorhebung vom Rezensenten] but they remain connected. Übersetzt wird daraus auf Seite 206 versehen mit etwas Garnierung: Etwas Interessantes passiert auch, wenn Sie an der Mittellinie entlangschneiden. Den Zylinder teilen Sie damit in zwei separate Kreise, während die Kreise, die Sie aus dem Möbiusband erhalten, aneinander hängen bleiben. Versuchen Sie es doch mal! Wenn Sie wiederholt zwei „Kreise“ bzw. two pieces erhalten, haben Sie eine neue Erfindung gemacht!

Hätte hier die Übersetzerin doch zu Papier, Schere und Leim gegriffen, sie wäre eines Besseren belehrt worden. Bei der oben zitieren Multiplikation Das Fünfzehnfache von 5000 ist 250000 hätte ein Blick in ein Wörterbuch oder auch nur der Griff zum Taschenrechner genügt!

Sind das nun Alles nur Petitessen? Nein, es gibt sehr viele weitere ähnliche Stellen! (Siehe dazu den Hinweis am Ende dieser Rezension.)

Vielleicht sollte der Verlag überlegen, ob es seinen Ruf verbessern würde, wenn er ganz klammheimlich die noch vorhandenen Exemplare vom Markt nähme, die Übersetzung überarbeiten ließe und es dann als verbesserte, zweite Auflage neu heraus brächte. Vielleicht treffen dann die freundlichen Rezensionen zu der englischen Ausgabe auch für die deutsche zu.

Abschließend kurz doch noch eine Bemerkung zur schon erwähnten Anpreisung des Verlages: die definitive Geschichte der Mathematik? Unter Springer Imprint firmiert nicht nur Spektrum Akademischer Verlag, sondern auch – nun sagen wir mal – der gute alte, hoch renommierte Springer-Verlag: Dort erscheinen neben 6000 Jahre Mathematik auch noch 5000 Jahre Geometrie, 4000 Jahre Algebra; alles fundierte, lesenswerte Bücher, deren Rezensionen hier zu finden sind: 6000 Jahre Mathematik, 5000 Jahre Geometrie und 4000 Jahre Algebra.

Eine 15-seitige Liste merkwürdiger Stil-übersetzungs-blüten kann beim Rezensenten angefordert werden unter E-Mail (rascha[at]mathematik.uni-kassel.de).

Rezension: Ralf Schaper, Kassel