Stellungnahme der Deutschen Mathematiker-Vereinigung vom 27. Mai 2000

Thesen

Nur durch die Master-Studiengänge werden die Bachelor-Studiengänge sinnvoll ergänzt, so dass nur in dieser Kombination eine harmonische Weiterentwicklung der bestehenden Diplomstudiengänge denkbar wird.
Die Master-Studiengänge bieten die Chance, weit über die bisherigen Möglichkeiten hinaus qualifizierte mathematische Ausbildung mit anderen wissenschaftlichen oder praxisbezogenen Inhalten zu kombinieren.
Derzeit bestehen Probleme bei der Regelung der Zugangsvoraussetzungen für die Master-Studiengänge, insbesondere auf internationaler Ebene; hier muss auf Standardisierung hingewirkt werden.
Aus diesen Gründen sieht die Deutsche Mathematiker-Vereinigung wesentliche Vorteile für die mathematische Lehre und Forschung in der Einführung der Master-Studiengänge und empfiehlt nachdrücklich allen Mathematischen Instituten eine aktive Mitarbeit.

1. Stellung der Master-Studiengänge

Das System gestufter Studiengänge sieht die Bachelor-Studiengänge für das Grundstudium und Master-Studiengänge für das Hauptstudium vor; dies entspricht der Gliederung des Diplomstudiengangs in das Grundstudium bis zum Vordiplom und des Hauptstudiums bis zum Diplom. Die Einführung der Bachelor-Studiengänge bleibt deshalb sinnlos, wenn die aufbauenden Master-Studiengänge nicht ebenfalls eingerichtet werden. Die bisherige Erfahrung in der Bundesrepublik belegt zudem, dass Kurzstudiengänge oder reine Bachelor-Studiengänge mit berufsqualifizierendem Abschluss ohne darauf aufbauende Studienangebote nicht angenommen werden.

Die derzeitige Planung bzw. ihre Umsetzung tragen dieser Tatsache Rechnung, ebenso wie die kürzlich vorgelegte Stellungnahme der Deutschen Mathematiker-Vereinigung zu den Bachelor-Studiengängen, die nun durch eine Stellungnahme zu den Master-Studiengängen ergänzt wird. Die Akzeptanz von Master-Studiengängen scheint in den Universitäten allgemein größer zu sein als die von Bachelor-Studiengängen, so dass gelegentlich sogar alleinstehende Master-Studiengänge eingerichtet werden. Die Situation in den Mathematischen Instituten dürfte ähnlich einzuschätzen sein.

Die Akzeptanz der Master-Studiengänge unter den Studenten ist schwieriger einzuschätzen, zumindest für den Bereich der Mathematik und der Naturwissenschaften. Es scheint aber klar zu sein, dass wegen der angenäherten Äquivalenz des Master-Grades zum Diplom von Arbeitgeberseite keine Schwierigkeiten für Absolventen von Master-Studiengängen zu erwarten sind, möglicherweise sehr im Gegensatz zu den Berufsanfängern, die lediglich Bachelor-Studiengänge absolviert haben.

2. Master und Diplom

Es ist weithin üblich, ausländische Master-Grade und das deutsche Diplom gleichzusetzen. Eine eher formale Gleichsetzung des bisherigen Diplomstudienganges nach dem Vordiplom mit einem Master-Studiengang dürfte deshalb auch auf keine Schwierigkeiten stoßen, abgesehen davon, dass die Diplomstudiengänge an die neuen Mindestanforderungen anzupassen sind. Insoweit geht von der Einführung von Master-Studiengängen ohne begleitende Maßnahmen zu einer Neugestaltung des Studiums kein inhaltlicher Gewinn für die Mathematikstudenten aus. Ein naheliegender Ansatz dazu könnte in der Betonung der Differenzierungsmöglichkeiten liegen, wie sie faktisch ja schon jetzt innerhalb des "klassischen" Diplomstudienganges bestehen. Es würde die Realitäten an vielen Instituten richtig wiedergeben, wenn dem Diplom bzw. Master die jeweils erarbeitete Spezialisierungsrichtung hinzugefügt würde. Dementsprechend könnte aus diesen Spezialisierungen ein jeweils eigener Master-Studiengang in Mathematik mit besonderer Prägung hervorgehen. Dies ist ein Vorteil, insoweit detaillierter über den Schwerpunkt des Hauptstudiums Auskunft gegeben wird und zugleich in der universitären Öffentlichkeit und darüber hinaus die Vielgestaltigkeit der Mathematik deutlicher hervortritt, die für viele Fachfremde nach wie vor wie ein monolithischer Block von abstrakten Denkergebnissen wirkt.

Eine weitere positive Möglichkeit eröffnen die Master-Studiengänge dadurch, dass es problemlos möglich wird, im Rahmen eines wohldefinierten Themenkomplexes mit anderen Fächern in der Lehre zusammenzuarbeiten, was natürlich in der Regel einen entsprechenden Vorlauf in der Forschung erfordert. Hier bietet sich für die Mathematiker die Chance, die Bedeutung ihres Faches über die internen Entwicklungen hinaus sichtbarer zu machen und zugleich aus anderen Fragestellungen Anregungen für eigene Überlegungen aufzunehmen. Für die Absolventen solcher Master-Studiengänge bietet sich andererseits die Chance, schon im Laufe des Studiums mit fachübergreifenden - und das heißt oft praxisnäheren - Problemen vertraut zu werden und so Qualifikationen zu erwerben, die eine breitere und vielleicht auch interessantere Berufsperspektive eröffnen. Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung sieht in diesen neuen Möglichkeiten das wesentliche Argument zurm Einführung von Master-Studiengängen in der Mathematik.

3. Randbedingungen

Die Einführung der Master-Studiengänge wie die der Bachelor-Studiengänge legt einige gleichzeitige Veränderungen nahe. Bereits in der Stellungnahme zu den Bachelor-Studiengängen hat sich die Deutsche Mathematiker-Vereinigung positiv zu den Konzepten "Modularisierung" und "Creditpoints" geäußert. Weitere technische Einzelheiten werden in den einschlägigen Empfehlungen unterschiedlich beurteilt. Wir verweisen hier insbesondere auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrates und die Stellungnahme der Kultusminister-Konferenz.

Für die mathematischen Studiengänge wird vor allen Dingen das Problem der Zugangsvoraussetzungen wichtig. Wie die Erfahrung zeigt, ist es kaum möglich, vorbehaltlos jeden Absolventen eines mathematischen Bachelor-Studiums, z. B. aus den Vereinigten Staaten oder aus Großbritannien, zu einem Master-Studiengang zuzulassen, weil wesentliche Wissensvoraussetzungen fehlen. Die tatsächlich kaum vorhandene Vergleichbarkeit dieser unter der Flagge internationaler Durchlässigkeit propagierten Studiengänge macht eine Standardardisierung notwendig in der Form von Äquivalenzkriterien oder Zulassungsprüfungen; hier sieht die Deutsche Mathematiker-Vereinigung weiteren Klärungsbedarf.

Die Deutsche Mathematiker-Vereinigung sieht die Schwierigkeiten, die die Einführung neuer gestufter Studiengänge für die Mathematischen Institute bedeutet, insbesondere auf der Ebene von Bachelor-Studiengängen ohne weiterführendes Masterangebot. Die Masterstudiengänge hingegen bieten jedoch bei Ausschöpfung der faktisch schon vorhandenen Differenzierungsmöglichkeiten im Hauptstudium eine Fülle neuer Chancen, so dass die Deutsche Mathematiker-Vereinigung allen Mathematischen Instituten empfiehlt, an der Entwicklung der Masterstudiengänge aktiv mitzuarbeiten.

Verabschiedet vom DMV-Präsidium am 27.05.2000