Gemeinsame Stellungnahme Deutschen Mathematiker-Vereinigung und der GDM zur Vergleichsstudie TEDS-M - Ausbildung von Mathematiklehrerinnen und -lehrern im internationalen Vergleich (2010)

TEDS-M (Teacher Education and Development Study: Learning to Teach Mathematics) ist eine internationale Vergleichsstudie über die fachlichen und didaktischen Kompetenzen in Mathematik, an der etwa 20.000 angehende Mathematiklehrerinnen und -lehrer aus 16 Ländern im letzten Jahr ihrer Ausbildung (in Deutschland also im letzten Jahr des Referendariats) teilgenommen haben. Die Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) und die Deutsche Mathematiker-Vereinigung (DMV) nehmen die Veröffentlichung der beiden Berichtsbände zum Anlass, Anregungen für die Lehrerausbildung im Kernfach Mathematik in die aktuelle Diskussion in Deutschland einzubringen.

Der internationale Vergleich durch TEDS-M fördert viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sowie relative Stärken und Schwächen der deutschen Mathematiklehrerausbildung zu Tage.

In der Grundschule gilt in Deutschland wie fast überall in der Welt das Klassenlehrerprinzip. Aufgrund des Föderalismus findet man in Deutschland nahezu alle Ausbildungsstrukturen dieser Welt wieder, vom verpflichtenden grundschulbezogenen Mathematikstudium (mit unterschiedlichen Fachanteilen) bis zum „mathematikfreien" Studium für Grund-, Haupt- und Realschule. Das erstere bringt zukünftige Grundschullehrkräfte hervor, die im internationalen Vergleich sehr gut dastehen. Das Gegenteil gilt für Absolventinnen und Absolventen einer Ausbildung ohne mathematische und mathematikdidaktische Studieninhalte. Nach Aussage der Studie sind sie mehrheitlich nicht in der Lage, Lehrstrategien für spezifische Lernprozesse abzuwägen und Lösungsansätze und Fehlvorstellungen von Kindern zu interpretieren. Ihre fachliche und fachdidaktische Kompetenz dürfte nicht ausreichen, einen anregenden und erfolgreichen Mathematikunterricht zu geben.

Angesichts der Tatsache, dass Primarstufenlehrkräfte in der Praxis durchweg täglich Mathematik unterrichten, fordern GDM und DMV alle Bundesländer auf, im Studium für das Grundschullehramt das Kernfach Mathematik (ebenso wie Deutsch) mit einem Studienanteil von mindestens 20 Prozent im Bereich mathematischer und vor allem mathematikdidaktischer Grundlagen verpflichtend vorzusehen. Für die nicht hinreichend ausgebildeten, bereits tätigen Lehrkräfte ist ein bundesweites Weiterqualifikationsprogramm mit fachlichen und fachdidaktischen Anteilen einzurichten, um bestehende Schwierigkeiten aufzufangen.

In der Sekundarstufe I wird der Mathematikunterricht fast überall in der Welt durch Fachlehrer erteilt, die aber unterschiedlich ausgebildet sind, je nachdem ob das Schulsystem gegliedert ist oder nicht. In Deutschland starten künftige Gymnasiallehrkräfte ihr Mathematikstudium mit Abiturnoten deutlich über dem Durchschnitt und zu 85 % mit Mathematik als Leistungskurs, künftige Lehrkräfte im Haupt- und Realschulbereich ihr meist kürzeres Studium mit der bundesdeutschen Durchschnittsnote 2,4 und nur zu 50% mit einem Leistungskurs Mathematik. Am Ende ihres Referendariats zeichnen sich angehende Gymnasiallehrer im internationalen Vergleich der Lehrkräfte für die Sekundarstufen I durch hervorragende fachliche und fachdidaktische Kompetenzen aus. Dagegen haben nach TEDS-M fast die Hälfte der künftigen deutschen Haupt- und Realschullehrkräfte selber Schwierigkeiten, mathematische Nichtstandardaufgaben zu lösen, die auf dem Niveau der zu unterrichtenden Schülerinnen und Schüler liegen.

GDM und DMV sehen hier zum einen ein gesellschaftliches Problem, dem man in begrenzter Weise mit Imagekampagnen begegnen kann, um Abiturienten mit sehr guten Mathematiknoten auch für Lehrämter der unteren Schulstufen einzuwerben. Um wirksam zu sein, müsste das allerdings mit einer Revision der Gehaltspolitik von Lehrkräften und einer Verlängerung des Studiums für diese Lehrämter einhergehen.

Zum anderen sind Ministerien und Hochschulen gefordert, Rahmenbedingungen und Konzepte für eine Lehrerausbildung zu entwickeln, die in ihren fachlichen und fachdidaktischen Inhalten besser auf die Bedürfnisse des Berufsfeldes abgestimmt ist. Solche Konzepte wären besonders hilfreich für Studierende mit schlechteren fachlichen Ausgangsbedingungen. Hinsichtlich der zu erreichenden Kompetenzen von Mathematiklehrkräften haben GDM und DMV bereits 2008 mit ihren Empfehlungen „Standards für die Lehrerbildung im Fach Mathematik" Anregungen für konzeptionelle Weiterentwicklungen gegeben.

Prof. Dr. Wolfgang Lück, Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung
Prof. Dr. Hans-Georg Weigand, erster Vorsitzender der Gesellschaft für die Didaktik der Mathematik

Die Stellungnahme im PDF-Format finden Sie hier.

Ihre Ansprechpartner:

Deutsche Mathematiker Vereinigung
Prof. Dr. Jürg Kramer
Mathematik und ihre Didaktik
Humboldt-Universität Berlin
Tel. +49 (0)30 2093-5842
Tel. +49 (0)30 2093-5815 (Sekretariat)
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Gesellschaft für Didaktik der Mathematik
Prof. Dr. Hans-Georg Weigand
Didaktik der Mathematik
Universität Würzburg
Tel. +49 (0)931 31-85091
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