Die Mathematik hat zahlreiche Anwendungsgebiete. Eines davon ist die Weltraumforschung; ein Beispiel: die großen und vielfältigen Daten(mengen), die im Zuge der nationalen und internationalen Weltraummissionen anfallen. Abgesehen von den hohen Kosten dieser Missionen teilen sie alle einen entscheidenden Nachteil: Sie bleiben sich selbst überlassen. Aufgrund der Komplexität der Weltraumforschung werden Instrumente und Software jeweils individuell gebaut und programmiert, die Datensammlung und -verarbeitung erfolgt durch individuelle Protokolle. Das hat zur Folge, dass der Austausch, der Vergleich und die gemeinsame Nutzung verschiedener Beobachtungsdaten mit aufwändigen Computermodellen von Drittpartnern beinahe unmöglich wird - manche sprechen gar von einer "Mission Impossible". Doch ein Konsortium österreichischer, finnischer, französischer und russischer Wissenschaftler hat vor drei Jahren den Kampf aufgenommen und inzwischen ein nützliches Tool entwickelt, das Abhilfe schaffen könnte.
Das europaweite Konsortium IMPEx hat ein neues Datenmodell designed, das Simulationsergebnisse mit Beobachtungsdaten verschiedener Weltraummissionen direkt verknüpft. Dieser lang erwartete Fortschritt ermöglicht die einfache Kombination von Computermodellen mit In-situ-Messungen. So wird es den Wissenschaftern erleichtert, ein besseres Verständnis komplexer Beobachtungsdaten zu gewinnen, Daten-Lücken durch numerische Simulationen zu schließen, aber auch beides - Beobachtungen und Simulationen - leichter zu verifizieren. Das Hauptanwendungsgebiet des neuen Datenmodells wird die Erforschung von Plasma- und Magnetfeldumgebungen verschiedener Objekte unseres Sonnensystems sein.
Dr. Maxim Khodachenko, Projekt-Koordinator und Senior Scientist am Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz, kommentiert diesen Erfolg folgendermaßen: "Unser Datenmodell, das von unseren französischen Kollegen der Institute LATMOS und CDPP in Zusammenarbeit mit russischen und finnischen Projektpartnern entwickelt wurde, wird in großem Maße dazu beitragen, planetare Phänomene zu simulieren und Messungen von Weltraummissionen zu interpretieren. Darüber hinaus schafft es die Möglichkeit, Modelle mit experimentellen Daten zu verifizieren und Beobachtungslücken mit passenden Simulationsläufen aufzufüllen. Diese Errungenschaften bringen wichtige Vorteile bei der Vorbereitung neuer Weltraummissionen, aber auch beim Lösen technologischer Herausforderungen."
Schon jetzt ist absehbar, dass zahlreiche Weltraummissionen direkt von der Forschung des Projektes IMPEx profitieren werden. Dies sind zum Beispiel die Merkur-Mission BepiColombo, aber auch Venus Express und Mars Express, Cluster und Themis für die Erde, Galileo, Juno und Juice für Jupiter und seinen Mond Ganymed, oder Cassini für Saturn und seinen Mond Titan. Auch die Kometen-Mission Rosetta, die ihr Ziel - den Kometen Churyumov-Gerasimenko - im November 2014 erreicht, wird durch das neue Datenmodell bereichert.
Jede Mission erzeugt jede Menge Daten. Hier Oberflächendaten des Saturnmondes Titan, entstanden 2008 während der Weltraummission Cassini-Hugens. (Bild: NASA/Jet Propulsion Laboratory, ESA, ASI, DLR)
Eine der größten Herausforderungen, die das IMPEx-Team zu bewältigen hatte, war die große Diversität der verschiedenen Software-Systeme, die in all den Missionen zum Einsatz kommen. "Es ist eine Vielzahl verschiedener Systeme da draußen", erklärt Dr. Esa Kallio vom finnischen Partnerinstitut FMI. "Die Kombination dieser Systeme unter einem einzigen gemeinsamen Kommunikations-Protokoll stellte eine wirkliche Herausforderung dar. Wir mussten ein ganzes Set an Methoden definieren, von denen mehrere von unterschiedlichen Datenbanken geteilt werden." Vincent Génot, Project Scientist von IMPEx, ergänzt: "Tatsächlich stellen diese Methoden das Herz des IMPEx-Protokolls dar. Dieses bietet nun mehrere webbasierte Tools zur Kombination, Analyse und Visualisierung von Simulations- als auch Beobachtungsdaten an."
Das IMPEx-Datenmodell wurde kürzlich auch erfolgreich von der University of California (UCLA), Los Angeles, angewandt, um komplexe magnetohydrodynamische Modelle diverser weltraumphysikalischer Phänomene zu entwickeln.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter: impex-fp7.oeaw.ac.at
Einen Einblick in die Visualisierungsmöglichkeiten von IMPEx gibt dieses Video.
Das FP7-Projekt IMPEx (Integrated Medium for Planetary Exploration / Integriertes Medium für Planetare Forschung) wird von der EU unter der Grant Agreement Nummer 262863 gefördert.
Das IMPEx Kern-Team aus Österreich:
Maxim Khodachenko (Koordinator)
Tarek Al-Ubaidi (Projektmanager and IT-Experte)
Florian Topf (IT-Experte)
Manuel Scherf (Wissenschaftlicher User-Support und Validierung)
Internationales Konsortium:
Esa Kallio (stellvertretender Koordinator), FMI, Finland
Vincent Génot (Project Scientist), CNRS/IRAP, France
Michel Gangloff (Work Package Leader), CNRS/IRAP, France
Walter Schmidt (Work Package Leader), FMI, Finland
Igor Alexeev (Work Package Leader), SINP-MSU, Russia
Ronan Modolo (Task Leader), CNRS/LATMOS, France
Wissenschaftlicher Kontakt:
Maxim Khodachenko
Institut für Weltraumforschung
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Schmiedlstraße 6
8042 Graz
Telefon: +43/(0)316/4120-661
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Quelle: Presseinform. der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vom 5. März 2014.