Vor 200 Jahren, am 10. Mai 1822, starb der italienische Mathematiker, Arzt und Philosoph Paolo Ruffini. Er leistete wichtige Beiträge in der Algebra und verwandten Gebieten. Der nach ihm und Nils Henrik Abel benannte Satz von Abel-Ruffini über die allgemeine Unlösbarkeit von Gleichungen fünften oder höheren Grades gilt als eines der bedeutendsten Resultate in der Algebra.

ruffiPaolo Ruffini

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Geboren wurde Ruffini 1765 in der latinischen Kleinstadt Valentano. Er wuchs in Reggio in der Emilia-Romagna auf, wo sein Vater als Arzt praktizierte. An der nahegelegenen Universität Modena studierte er von 1783 bis 1787 Mathematik, Medizin, Philosophie und Literatur. Unmittelbar nach seinem Abschluss wurde er an seiner Alma Mater zum Professor für Mathematik ernannt. Darüber hinaus war er wie sein Vater als Arzt tätig.

Der Einfall Napoleons in Norditalien und die Ausrufung der cisalpinischen Republik 1797 blieben für Ruffini nicht folgenlos: Nachdem er zum Delegierten der Nationalversammlung ernannt wurde, weigerte er sich aus religiösen Gründen, einen Eid auf die junge Vasallenrepublik zu leisten. Diese Entscheidung kostete ihn nicht nur sein Amt als Delegierter – er verlor auch seine Professur an der Universität Modena.

Doch ließ sich Ruffini nicht unterkriegen. 1798 fand er eine Anstellung als Lehrer für angewandte Mathematik an einer Militärschule, war jedoch vom akademischen Mathematikbetrieb weitestgehend isoliert. Briefe an Joseph-Louis Lagrange, dem er seine Forschungsergebnisse mitzuteilen versuchte, blieben unbeantwortet. Erst nach dem Sturz Napoleons 1814 wurde Ruffini rehabilitiert und nahm seine Lehrtätigkeit an der Universität Modena wieder auf.

Ruffinis größte mathematische Leistung war seine Arbeit zu Polynomialgleichungen fünften oder höheren Grades[1], von denen er richtigerweise vermutete, dass sie keine allgemeinen Lösungsformeln, vergleichbar etwa mit der aus der Schule bekannten p-q-Formel für Polynome zweiten Grades, besitzen. Auch Gauß stellte diese Vermutung auf, nachdem 200 Jahre nach den bedeutenden Ergebnissen Cardanos und anderer norditalienischer Mathematiker zu Lösungsformeln von Gleichungen dritten und vierten Grades auf diesem Gebiet keinerlei Erfolge mehr verzeichnet worden waren.

Satz von Abel-Ruffini

Die Lösungsmenge einer Polynomialgleichung \(x^n+a_{n-1}x^{n-1}+ a_{n-1}x^{n-1}+\dots+a_1x+a_0=0\) von Grad \(n\geq 5\) lässt sich im Allgemeinen nicht mit Hilfe von Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division, dem Ziehen \(k\)-ter Wurzeln aus den Koeffizienten \(a_{n-1},\dots, a_0\) bestimmen.

Ein erster Beweis Ruffinis aus dem Jahr 1799 erwies sich als fehlerhaft; er konnte die Lücke jedoch 1813 schließen. Allgemein anerkannt wurde die Aussage allerdings erst 1824, als der in der mathematischen Gelehrtenwelt deutlich besser vernetzte Norweger Nils Henrik Abel einen Beweis vorlegte. Abels und Ruffinis Arbeiten wurden später von Evariste Galois im Rahmen seiner Theorie zu Symmetrien von Lösungen von Polynomialgleichungen neu formuliert; dieser Galoistheorie genannte Zweig der Algebra gilt als eine der bedeutendsten Neuerungen der modernen Mathematik und war unter anderem ein entscheidendes Werkzeug für den Beweis der Unmöglichkeit der Quadratur des Kreises.

Neben der Algebra beschäftigte sich Ruffini auch mit der Philosophie Laplace‘ und dem seinerzeit in den Kinderschuhen steckenden Zweig der Wahrscheinlichkeitsrechnung.  

,Gesundheitlich angeschlagen durch eine fünf Jahre zuvor zugezogene Typhusinfektion, starb Ruffini 1822 in Modena.

 

[1] Eine Polynomialgleichung \(n\)-ten Grades ist eine Gleichung der Form \(x^n+a_{n-1}x^{n-1}+ a_{n-1}x^{n-1}+\dots+a_1x+a_0=0\)

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