Communicating Mathematics in the Digital Era
Jonathan M. Borwein, Jose Francisco Rodrigues, E. M. Rocha
AK Peters, (2008) 325 Seiten, 36,99 €
ISBN-10: 1568814100
ISBN-13: 978-1568814100
„Das digitale Zeitalter hat die Art, in der Forscher wissenschaftliche Arbeiten suchen, erstellen, veröffentlichen und verbreiten, dramatisch verändert.“ So beginnt – natürlich! möchte man ausrufen – das Vorwort des Buches, in dem sich insgesamt 19 Beiträge mit den verschiedenen Facetten des Themas der digitalen Publikation mathematischer Arbeiten beschäftigen. Nun gibt es in der Tat enorme Vereinfachungen und sicherlich auch ganz neue, noch nicht ausgelotete Möglichkeiten sowie etliche ebenfalls neue Gefahren. Aber „dramatische Veränderung“ klingt in meinen Ohren einfach zu – naja, einfach zu dramatisch. Denn auch wenn ich mit Hilfe von Datenbanken und Online-Zugriffen viel mehr Artikel zu einem Thema in viel kürzerer Zeit vorliegen habe: Lesen und verstehen muss ich diese nach wie vor selber. Und ein noch so hübsch gestalteter Multimedia-Online-Artikel kann einen Fehler im Beweis der zentralen Aussage nicht wettmachen.
Einen Beitrag des Buches möchte ich allerdings von meinem eben getroffenen Einwand ausnehmen: J. Ewing beschreibt in „The Digital Downside“ eindrucksvoll die nun doch dramatischen Gefahren der Konzentration elektronischer Journale bei einer kleinen Gruppe großer Verlage zum Zweck des Geldverdienens. Diesen Beitrag (den man auch bei Google-Books findet – ein Hoch auf das digitale Zeitalter) sollte man unbedingt lesen, da die mathematische Gemeinschaft hier gegensteuern sollte und muss.
Wer sein eigenes Journal mit einem elektronischen Zugang ausstatten oder eine digitale Bibliothek einrichten möchte, der findet in dem ersten Drittel des Buches etliche Beschreibungen bereits existierender Projekte. Aber auch der gewöhnliche Leser kann sich hier zumindest einen Überblick über die Ideen hinter Einrichtungen dieser Art verschaffen. Im zweiten Teil des Buches geht es um technische Möglichkeiten der Verbreitung mathematischen Wissens. Hier finde ich den Beitrag über die kanadischen „Coast-to-Coast-Seminare“ am lehrreichsten, da die erheblichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur erfolgreichen gleichzeitigen Durchführung von Seminaren an mehreren Standorten beschrieben werden – ein paar Webcams und Mikrofone sowie das Verschicken einiger Einladungsmails reicht bei weitem nicht aus. Die hierauf folgenden Artikel über digitale Erweiterungen elektronischer Manuskripte etwa durch interaktive Grafiken oder Vernetzung mit anderen Informationsquellen sind zumindestens informativ, auch wenn man nicht alles gleich in den eigenen Arbeiten umsetzen möchte.
Im letzten Teil dreht sich alles um das mir recht suspekte „E-Learning“. Glücklicherweise sind die Autoren zurückhaltend und nutzen die Gelegenheit bis auf wenige Ausrutscher nicht zur Propaganda für eine schöne neue (natürlich digitale) Welt. Vielmehr kann man sich auch hier einen Überblick über Möglichkeiten verschaffen. Ob und wie man diese einsetzen mag, das bleibt einem selbst überlassen.
Fazit: Wer sich über die mittlerweile doch stark gewachsenen Möglichkeiten des digitalen Publizierens mathematischer Inhalte umfassend informieren will oder muss, der kann bei diesem Buch bedenkenlos zugreifen.
Rezension: Harald Löwe, Braunschweig
Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, April 2010, Band 57, Heft 1, S. 146
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags