Pythagoras‘ Rache
Ein mathematischer Thriller
Arturo Sangalli, aus dem Englischen übersetzt von Peter Wittmann
Spektrum Akademischer Verlag; Auflage: 1., Auflage (Januar 2011), 236 Seiten, 19,95 €
ISBN-10: 3827425476
ISBN-13: 978-3827425478
Originaltitel: Pythagoras' Revenge
ISBN: 978-0-691-04955-7
Das Buch Pythagoras‘ Rache – Ein mathematischer Thriller vereinigt eine fiktive Erzählung und die historische Geschichte der Mathematik zwischen der Zeit des Pythagoras (ca. 500 v.Chr.) und dem Jahr 1998. Dabei verwendet der Autor A. Sangalli, der selbst Mathematiker ist, gezielt den Genre Thriller. Sein Ziel ist, „mathematische Konzepte und Erkenntnisse“ und einige philosophische Aspekte der Mathematik den Lesern auf eine anziehende und spannende Art näher zu bringen. Die mir bekannten Rezensionen der englischen Ausgabe Pythagoras' Revenge loben die spannende Handlung und den lockeren Stil, der das Lesen (und Verstehen) der dargestellten mathematischen Erläuterungen vereinfache. In den folgenden zwei Absätzen skizziere ich kurz den Ablauf des Thrillers, wer sich vom Inhalt eher überraschen lassen möchte, sollte weiter unten weiterlesen.
Die Geschichte des Buches beginnt vor der Jahrtausendwende im Jahr 1998 in Amerika mit der Suche nach einem mathematisch begabten Menschen. Jule Davidson ist ein Mathematiker, der mit Leidenschaft mathematische Rätsel löst. Als er im Internet mehrere Rätselstufen bewältigt hat, wird er von einer neupythagoreischen Sekte als Auserwählter in deren Vorhaben eingeweiht. Er soll für die Sekte den wiedergeborenen Pythagoras ausfindig machen. Dessen Aufenthaltsort (oder Hinweise darauf) ist angeblich auf den letzen Seiten eines halben mittelalterlichen Buches verschlüsselt aufgeschrieben. Zeitgleich wird auf der anderen Seite der Erde einem Antiquar in Großbritannien die vordere Hälfte dieses alten Buches zum Kauf angeboten. Er lässt es von Professor Elmer Galway begutachten, der in der Schrift einen Hinweis auf ein Manuskript des Philosophen und Mathematikers Pythagoras von Samos aus dem 500. Jhd. vor Christus vermutet. Das Buch wurde kurz zuvor von einem Ordensbruder der Franziskaner in einer Kapelle entdeckt, die bei einem Erdbeben bei Assisi in Italien eine bisher verborgene Kammer freigab. Das Buch wurde in zwei Teile geteilt, um bei Sammlern antiker Schriften einen doppelten Preis zu erzielen, mit dem das Gotteshaus repariert werden soll.
Die Sektenmitglieder erfahren von der Versteigerung der ersten Buchhälfte in Großbritannien und stehlen eine Übersetzung der Schrift aus dem Arbeitszimmer des Professors. Jule Davidson vermutet, darin weitere Hinweise auf die Wiedergeburt zu finden. Andererseits besitzt Professor Galway eine Kopie der zweiten Buchhälfte. Nun beginnt ein Wettlauf um das Manuskript des Pythagoras. Die Sekte sieht in einem hochrangigen Wissenschaftler den gesuchten Pythagoras und lässt diesen von einem zwielichtigen Team entführen. Auf einer Autobahn verunglücken sie mit dem Entführten auf tragische Weise. In der Zwischenzeit macht sich der Professor im Alleingang auf und findet die versteckte Handschrift des Pythagoras in einer Kapelle in Rom. Er weiht einen italienischen Wissenschaftler ein und wird als Entdecker des Manuskripts hoch gelobt. Zum Schluss sucht Jule Thomson den Professor auf. Was der Gegenstand dieser Unterhaltung ist, werde ich nicht verraten, damit das Lesen spannend bleibt.
Im Verlauf der Handlung müssen die Hauptpersonen mathematische Rätsel lösen (wie zum Beispiel das Fünfzehn-Puzzle), oder es wird der mathematische Zahlbegriff aus der Sicht des Pythagoras oder der heutigen Sicht anhand mathematischer Beispiele erklärt. Unter anderem werden ein Beweis zur Unendlichkeit der Primzahlen, ein Rechenbeispiel zur Wahrscheinlichkeit, Zufallsfolgen, ein Beweis des Satzes von Pythagoras, vollkommene Zahlen, Dreieckszahlen und Quadratzahlen angesprochen. Im Anhang des Buches werden diese mathematischen Themen knapp erläutert. Die mathematischen Erläuterungen sind trotz der interessanten Beispiele und spannenden Lösungen meiner Meinung nach noch zu „mathematisch“ erklärt. Vielleicht liegt das aber auch an der Übersetzung aus dem Englischen. Zwar sind die Erklärungen für manche nicht verständlich, allerdings werden Mathematikstudenten sich an einigen Stellen vielleicht langweilen. Dennoch ist der Versuch, Mathematik innerhalb des Thrillers zu platzieren, größtenteils gelungen.
Bestätigen kann ich die positiven englischen Rezensionen, denn auch mich hat die Spannung der Geschichte bis zum Ende gefesselt. Besonders interessant waren die historischen Erklärungen zum Leben des Pythagoras von Samos und seiner Anhänger. In einem Kapitel macht man sogar eine Zeitreise zu einem Anhänger von Pythagoras und findet sich mitten im altertümlichen Italien wieder. Aber auch der Umgang der Archäologen und Wissenschaftler mit altertümlichen Funden wird präzise und interessant beschrieben.
Die Fiktion von der Entdeckung eines echten Manuskriptes, das Pythagoras zugeschrieben wird, empfinde ich als großes Manko der Geschichte. Weil der gesamte Handlungsablauf sehr logisch erscheint, ertappt man sich als Leser am Ende dabei, dass man die Echtheit der Geschichte kaum mehr bezweifelt. Andererseits fragt man sich, welche Dinge – neben den Hauptpersonen – der Autor wohl noch erfunden haben mag. Die Wahrheit und Fiktion in diesem Thriller kann man also nur noch schwer entwirren. Aber vielleicht ist dies ja „Pythagoras‘ Rache“? Was jedoch Pythagoras‘ Rache wirklich ist, sollte hier nicht verraten werden ...
Rezension: Sarah Henne