der klang der pyramiden

Der Klang der Pyramiden
Platon und die Cheopspyramide -
das enträtselte Weltwunder


Friedrich Wilhelm Korff
Georg Olms Verlag (2008), 324 Seiten, 48,00 €

ISBN: 978-3-487-13539-7

Die ägyptischen Pyramiden haben seit Jahrtausenden die Menschen fasziniert. Die Diskussionen, wie es die alten Ägypter schaffen konnten, solche Bauwerke mit so hoher Präzision zu erschaffen, halten ungebrochen bis heute an. Dabei ist einer Form von Esoterik Tür und Tor geöffnet, die schon manchmal absurde Blüten trägt, wovon man sich bei einem Spaziergang über einige einschlägige Seiten des Internets überzeugen kann. Hier werden die Pyramiden als Startbahnen für intergalaktische Raumschiffe gesehen (Erich von Däniken lässt grüßen und auch Hollywood hat hier schon zugegriffen!), in ihrem Inneren herrschen angeblich geheimnisvolle, der Physik dieser Welt entrückte Strahlungen, man kann stumpfe Messer darin schärfen (einfach liegenlassen und abwarten!) oder rohes Fleisch beliebig lange darin konservieren. Selbst wenn kleine Roboterfahrzeuge wie Upuaut in den 1990er Jahren in kleine Schächte der Cheops-Pyramide einfahren und nach einigen Metern an einen Verschluss gelangen, schlägt die Weltpresse die Trommel und orakelt über die „Geheimnisse“, die sich wohl hinter einem solchen Verschluss verbergen mögen. Als Pseudowissenschaft hatte sich im 19ten Jahrhundert gar die „Pyramidologie“ entwickelt, und zwar ganz wesentlich durch den in Neapel geborenen Schotten Charles Piazzi Smyth (1819–1900), der aus seinen Messungen an und in der Cheops-Pyramide Prophezeihungen für die Zukunft der Menschheit zu erkennen glaubte.

An Smyth musste ich denken, als ich das Buch des Philosophen und Literaten Friedrich Wilhelm Korff in die Hand bekam. Der Titel „Der Klang der Pyramiden“ machte mich noch nicht unruhig, wohl aber der Untertitel „Platon und die Cheopspyramide – das enträtselte Weltwunder“. Ein neuer Smyth oder von Däniken? Mitnichten!

Ich will nicht beurteilen, ob Korffs Thesen wahr sind, sondern vielmehr die Inhalte dieses wunderschön gemachten Buches besprechen. Korff startet mit der These, dass sich in den Abmessungen der Pyramiden die pythagoräische Klanglehre wiederspiegelt, wie sie Platon in seinem Timaios-Dialog beschreibt. Mit anderen Worten: Für Korff sind die Pyramiden steingewordene Musik. Wer nun gleich hochmütig darauf hinweist, dass zu Pythagoras’ Zeiten die Pyramiden bereits lange standen dem sei gesagt, dass es nicht so unwahrscheinlich ist, dass Pythagoras seine Musiktheorie aus dem alten Ägypten mitbrachte! Korff ist ganz offensichtlich ein Spezialist der antiken Philosphie (das war eines seiner Fachgebiete in seiner aktiven Zeit als Professor für Philosophie an der Universität Hannover) und er beherrscht die klassische Musiktheorie. Beides merkt man dem Buch in erfreulicher Weise an. Hier werden keine „magic numbers“ konstruiert wie bei Smyth, sondern es geht um echte Vermessungen vieler verschiedener Pyramiden (sogar die Knickpyramide des Snofru in Dahschur, an der Piazzi Smyths’ „Theorie“ letztlich scheiterte) und den Vergleich einiger weniger Kennzahlen der Geometrie wie z. B. das mit „Rücksprung“ bezeichnete Verhältnis von Pyramidenhöhe zur Basishälfte, mit der Musiktheorie der Antike. Die Übereinstimmungen, die Korff an zahlreichen Pyramiden feststellen kann, sind schon beeindruckend. Allerdings ergibt sich, dass die Basis der Cheopspyramide nicht 440 ägyptische Ellen lang sein kann, sondern 441, da die Zahl 440 nicht in das zugrundegelegte Zahlenschema (Dreieckszahlen bzw. Produkte aus den Primzahlen bis 10) passt. Spätestens hier erfasst den Leser wieder die Skepsis: Muss die Realität zugunsten einer Theorie angepasst werden? Nein! Korff war klug genug, seine Theorie mit erstklassigen Ägyptologen wie Rainer Stadelmann zu diskutieren und das Buch erst dann zu publizieren, als diese Ägyptologen sich zu seiner Theorie bekannten. Aus einer Bemerkung über die Pyramidologie und Esoterik auf Seite 8 und aus dem Abdruck des Stadelmannschen Gutachtens zur Korffschen Theorie kann man erkennen, dass der Autor sich keinesfalls auch nur in die Nähe der oben von mir geschilderten Pseudowissenschaften gerückt wissen will. In seinem Gutachten scheibt Stadelmann, die Korffsche Theorie sei für ihn „zwingend“, und als Mathematiker sollten wir das Gutachten eines erstklassigen Ägyptologen, der seit Jahrzehnten an Pyramiden forscht und über sie publiziert, ernst nehmen.

Mathematisch ist der Korffsche Band ein Muss für alle, die sich für die Musiktheorie der Antike und klassische Geometrie interessieren (auch wenn Korff die Zahl 1 noch zu den Primzahlen zählt; die 1 haben wir erst lange nach den Pyramiden aus dem Primzahlreich verbannt!) und unabhängig davon, ob seine Theorie wahr ist (was wir nie erfahren werden). Etwas negativ stößt dem Rezensenten von Zeit zu Zeit die etwas arrogant erscheinende Art des Autors auf, etwa wenn er gleich zu Beginn in der Vorrede die Ägyptologen bittet, ihm nicht böse zu sein, weil sie nicht selbst auf die Korffsche Theorie gekommen sind. Das Buch ist vom Olms Verlag wunderbar ausgestattet worden. Es ist großformatig, enthält zahlreiche Abbildungen – im Anhang befindet sich van der Waerdens klassische Arbeit „Die Harmonielehre der Pythagoreer“ – und es liegt dem Buch neben einer Falttafel zu den Maßen der Cheopspyramide eine CD bei, auf der man die Pyramidenklänge tatsächlich hören kann.

Rezension: Thomas Sonar, Braunschweig

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, September 2009, Band 56, Heft 1, S. 260
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags