symmetrie

Die Macht der Symmetrie
Warum Schönheit Wahrheit ist

Ian Stewart
Spektrum Akademischer Verlag, 2008, 304 Seiten, 29,95 €

ISBN: 3-827-42019-9

Es folgen die Rezensionen von: Joerg Beyer und Kornelia Fischer


Das Konzept der Symmetrie ist ein fundamentaler Baustein heutiger Naturwissenschaften. Sowohl die Relativitätstheorie als auch die Quantenmechanik, das heißt das ganz Große sowie das ganz Kleine in der Welt, beruhen auf Symmetrieprinzipien.
Mathematisch beschreibt Symmetrie eine Transformation eines Objekts, welches nach der Transformation genauso aussieht wie vorher. Stellt man sich beispielsweise einen Kreis vor, so ist jede beliebige Drehung eine Symmetrie. Hat man jedoch ein regelmäßiges Fünfeck, so handelt es sich bei einer Drehung nur dann um eine Symmetrie, wenn diese eine Drehung um ein Vielfaches von 72° ist.
Die historische Entwicklung der Beschreibung von Symmetrien stellt Ian Stewart in diesem Buch dar, beginnend im zehnten vorchristlichen Jahrhundert, bis in die Gegenwart. Dass dabei die Geometrie, wie es in den obigen Beispielen des Kreises und des regelmäßigen Fünfecks der Fall ist, nicht im Mittelpunkt der Darstellungen steht, hat den Grund, dass sich das Konzept der Symmetrie mathematisch eher aus algebraischen Untersuchungen denn aus geometrischen Beobachtungen entwickelte. Der Hauptgesichtspunkt war hier die Frage, ob man Gleichungen beliebigen Grades durch algebraische Ausdrücke lösen kann, wie uns dies für quadratische Gleichungen aus der Schule durch die p-q-Formel allgemein bekannt ist.
Der norwegische Mathematiker Nils Henrik Abel zeigt im 19. Jahrhundert dann, dass sich solche Gleichungen fünften und höheren Grades nicht allgemein durch algebraische Ausdrücke lösen lassen. Sein Beweis war jedoch sehr indirekt und kompliziert, so dass ein entscheidender Schritt zur Weiterentwicklung der Theorie von Evariste Galois vollbracht wurde. Sein Beweis fußte dabei auf bestimmten Symmetrien, die für eine Gleichung gelten müssen, um eine algebraische Lösung zu besitzen, welche im Allgemeinen jedoch für diese Gleichungen ab dem Grad fünf nicht erfüllt sind. Dieses Ergebnis, welches die gesamte Mathematik von da an maßgeblich beeinflusste, stellt somit einen gewissen Höhepunkt der Entwicklung des Symmetriekonzepts in der Mathematik dar, und auf dieses Ergebnis läuft auch der erste Teil von Stewarts Buch hinaus. Galois selbst ist auch deswegen so bekannt, da er bereits mit 20 Jahren bei einem Duell um eine Frau sein Leben ließ.
Auf dem Weg zu Galois' Ergebnissen erfährt man vieles über geschichtliche Entwicklungen in der Mathematik. So wird das 60-er System, welches im antiken Babylon verwendet wurde erklärt, ebenso wie Euklids herausragende Ergebnisse. Bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. gelang es ihm, einen beliebigen Winkel nur unter Zuhilfenahme von Zirkel und Lineal zu teilen oder nachzuweisen, dass es genau fünf platonische Körper (LINK) gibt: Tetraeder, Hexaeder (Würfel), Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder. Auch dass der Begriff Algebra sich aus dem Buchtitel eines arabischen Mathematikbuches des Astronomen Muhammad ibn Musa al-Khwarizmi ableitet (aus dessen Namen sich im übrigen auch der Begriff Algorithmus gebildet hat) und die Methode des Mathematikers Omar Khayyam (dieser wiederum ist eigentlich noch weitaus berühmter für seine Lyrik), Kegelschnitte zur Lösung kubischer Gleichungen zu verwenden, wird ausführlich geschildert. Im Anschluss wird die Entwicklung der Algebra und des Symmetriekonzepts weiterverfolgt, über die Einführung des Wurzelbegriffs und die Betrachtung von Permutationen, bis eben zu den bahnbrechenden Erkenntnissen von Evariste Galois.
Neben den Darstellungen der mathematischen Verfahren und Verbesserungen gelingt es Ian Stewart auch, durch die Schilderung der Personen und deren Biographien, ein lebendiges und spannendes Bild der jeweiligen Zeit zu zeichnen. So entsteht an keiner Stelle der Lektüre Langeweile, beispielsweise durch trockene Aufzählungen von Fakten, was dieses Buch auch dem Leser, der über wenig mathematische Kenntnisse verfügt, zu einem Genuss macht.
Nachdem im 19. Jahrhundert mittels der Theorien, welche auf den Arbeiten Galois' basieren, unter anderem gezeigt werden konnte, dass die Quadratur des Kreises und andere bekannte Probleme, wie die Dreiteilung des Winkels, mittels Zirkel und Lineal nicht möglich ist (diese Beweise waren dem oben angesprochenen Euklid durch seinen damaligen Kenntnisstand noch nicht möglich), widmet sich Stewart in den abschließenden Kapiteln auch der Bedeutung der Symmetrie in der modernen Physik, wo sie, wie bereits angedeutet, ein unverzichtbares Konzepts für das heutige Verständnis des Aufbaus des Universums darstellt. Weder Einsteins Relativitätstheorie noch die moderne Quantenmechanik wären ohne diese Konzepte zu formulieren gewesen.

(Rezension: Joerg Beyer)



Ian Stewart hat sich in „Die Macht der Symmetrie“ nicht etwa eines kleinen Teilgebietes der Mathematik angenommen. Letzlich zeigt sich, dass Mathematik, wenn sie Bestand haben soll, von Symmetrie durchwoben sein muss. Symmetrie ist also immer der Schlüssel gewesen, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Dieses unterhaltsam und außerordentlich anschaulich geschriebene Buch ist nicht nur eines über Symmetrie, es ist gleichermaßen eine Reise durch die Geschichte der Mathematik. Und so beginnt die Geschichte der Symmetrie für Stewart im alten Babylon, als die Menschen sich geometrisch dem Phänomen der Quadratwurzeln näherten, und führt später ins alte Griechenland und nach Persien.

Das Problem der Quadratwurzeln führt auf natürliche Weise auf das Lösen Gleichungen höherer Ordnung und so versuchten sich über die Jahrhunderte viele Mathematiker – mögen sie arm, reich, glücklich, unglücklich, scheu oder prahlend gewesen sei – an des Rätsels Lösung.

Zur Zeit der Renaissance geschah ein großer Durchbruch, was die allgemeine Lösung von kubischen und quartischen Gleichungen anbelangt. Und doch: gerne wurden auch damals schon Lösungen geraubt und für die eigenen ausgegeben, was zeigt, dass das Gebiet der Autoren- und Urheberrechte schon immer im Fokus gestanden hat.

So langsam kristallisierte sich heraus, dass man sich der ganzen Angelegenheit abstrakter nähern sollte. Ruffini war der erste, der sich mit Permutationen beschäftigte und darin ein Schlüsselprinzip erkannte. Abel ging Ruffinis Weg weiter und schloss verbliebene Lücken. Galois war es endlich, der das Problem des Gleichunglösens auf eine neue Ebene hob. Er arbeitete mit Permutationsgruppen. So bewertet Stewart seine Leistung wie folgt: „Die Mathematik begann Strukturen zu untersuchen. Aus der Beschäftigung mit Dingen wurde eine Beschäftigung mit Prozessen.“

Im fortgeschrittenen Teil des Buches begegnet der Leser dann Hamilton, der erkannte, dass in unterschiedlichen physikalischen Kontexten doch dieselbe Mathematik zu Werke ist. Er hob die Mathematik von der anschaulichen auf eine abstrakte Ebene und entwarf geeignete Darstellungsmechanismen. Zudem fand er die Quaternionen, deren Bedeutung erst viel später erschlossen wurde und womöglich noch aussteht, wer weiß. Der Leser macht Bekanntschaft mit Lie und Killing, die den mächtigen Begriff der Lie-Algebra prägten. Natürlich darf auch Einstein nicht vergessen werden wie noch viele weitere namhafte Größen der modernen Physik. Und schließlich öffnet sich die Welt der Quanten. Alles wird unscharf und folgt doch Gesetzmäßigkeiten.

Einen Satz aus dem Buch kann man den Forschern der Zukunft mit auf den Weg geben: „Der Schlüssel zur Struktur der Materie auf sehr kleinen Skalen ist die Symmetrie.“

Stewart spannt den Bogen weit in seinem Buch: zum einen liefert er eine fundiert recherchierte Geschichte der Mathematik, die zu Ende mit den historischen Größen der theoretischen Physik in eine Geschichte der mathematischen Physik übergeht. Zum anderen erreicht er gerade den nichtstudierten Leser durch die einfachen und doch treffenden Abbildungen, welche Symmetrie, dieses abstrakte Unfassbare, wieder greifbar machen. Manchmal rudert er etwas weit hinaus, wenn der Leser den Eindruck gewinnt, die Biografien von mehreren Dutzend Mathematikern gleichzeitig vorzufinden und auch noch einen Kurs in alter Geschichte gebucht zu haben.

Zum Schluss ist es aber eine runde Sache und der Leser muss zugeben, dass Schönheit Wahrheit ist, so nämlich der Untertitel dieses vielfältigen Buches.

Rezension: Kornelia Fischer (Kassel)