die enttäuschte Erkenntnis

Die enttäuschte Erkenntnis
Paramathematische Denkzettel

Alfred Schreiber
Edition am Gutenbergplatz Leipzig; Auflage: 1 (11. September 2013), 19,50 €

ISBN-10: 3937219684
ISBN-13: 978-3937219684

Das Büchlein enthält in seinem Hauptteil 36 voneinander unabhängige Texte von jeweils durchschnittlich vier bis fünf Seiten. Die Texte stammen aus den Jahren 2002 bis 2012, wurden in den „Mitteilungen der Deutschen Mathematikervereinigung“ unter der Kolumne „Denkzettel“ veröffentlicht und sind nun in drei Gruppen zu je einem Dutzend zusammengefasst. Die Titel dieser Gruppen, auf die wir unten noch exemplarisch zu sprechen kommen wollen, lauten „Kulturtechnik“, „Vorspiegelungen“ und „Enttäuschungen“.

Dem Hauptteil vorangestellt ist ein „erster Denkzettel“. Darin erläutert der Autor genauer, wie er den Titel des Buches verstanden wissen will. Grob zusammengefasst geht es um bedenkenswerte („Denkzettel“) Aspekte der Mathematik, dargestellt nicht in Form fachwissenschaftlicher Abhandlungen, sondern gewissermaßen neben der mathematischen Forschung herlaufend („Paramathematik“), wobei manch weit verbreitete Fehleinschätzungen der Mathematik korrigiert (d.h. auch „Hoffnungen enttäuscht“) werden.

Zum Beispiel thematisiert unter „Kulturtechnik“ ein Text mit dem Titel „Irgendwie ein Dichter“ Analogien und Unterschiede zwischen der Tätigkeit von Mathematikern und Dichtern. Eingangs wird Weierstraß zitiert: „Ein Mathematiker, der nicht irgendwie ein Dichter ist, wird nie ein vollkommener Mathematiker sein.“ Welcher Mathematiker wollte dem ad hoc widersprechen? (Der Rezensent sicher nicht!) Umso interessanter ist es, sich auf die sehr differenzierten Gedanken des Autors zur Weierstraß’schen These einzulassen.

Unter „Vorspiegelungen“ finden sich vor allem Texte, wo scheinbar Offensichtliches in Frage gestellt, wenn nicht gar als trügerischer Schein entlarvt wird. Wer sich beispielsweise um eine aufrichtige und nicht oberflächliche Antwort auf die Frage „Warum Mathematik?“ bemüht, dem sei als Denkanregung der Text mit dem Titel „Mathematik – aus guten Gründen?“ ans Herz gelegt.

Besondere Würdigung verdienen auch in der dritten Gruppe („Enttäuschungen“) die allerletzten beiden Texte, welche die Titel „Das Herstellen einer gemeinsamen Überzeugung“ und „Enttäuschte Erkenntnis“ tragen. Auf wenigen Seiten findet sich darin sehr Grundlegendes zu den erkenntnistheoretischen Möglichkeiten und Grenzen von Mathematik im Besonderen und Wissenschaft im Allgemeinen, noch dazu in sehr klarer und leicht zugänglicher Darstellung.

Dieser Vorzug in der Darstellung gilt für das gesamte Buch, so dass die Lektüre mathematischen Laien, sofern sie der Mathematik aufgeschlossen gegenüber stehen, kaum mehr Mühe kosten wird als Fachmathematikern. Die wertvollste Wirkung kann das Buch vermutlich dann erzielen, wenn manche seiner reichhaltigen Anregungen auch in den Schulunterricht getragen werden.

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, April 2014, Band 61, Heft 1
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Rezension: Michael Drmota (TU Wien)