grenzen der Mathematik

Grenzen der Mathematik
Eine Reise durch die Kerngebiete der mathematischen Logik

Dirk W. Hoffmann
Spektrum Akademischer Verlag, (2011), ix + 409 Seiten, 29,95 €

ISBN: 978-3-8274-2559-1

Es folgen die Rezensionen von: Thomas Sonar und Dirk Werner


Logik ist langweilig! Das war meine feste Überzeugung vom Studium bis heute. Dann kam mir Dirk Hoffmanns Buch über die Grenzen der Mathematik auf den Schreibtisch und veränderte mein Weltbild. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich vorher nur mit Oliver Deisers Buch „Einführung in die Mengenlehre“. Hoffmann beginnt mit historischen Notizen. Vom Rätsel des Kontinuums geht es über die Grundlagenkrise, die axiomatische Mengenlehre und dem Hilbert-Programm zu Fragen der Grenzen der Berechenbarkeit. Schon auf diesen ersten – immerhin mehr als sechzig – Seiten packt die Leserschaft die Fähigkeit des Autors, spannende Geschichte(n) mit klaren Erläuterungen zur Mathematik zu verbinden. Gleich zu Anfang fällt auch der Sinn des etwas ungewöhnlichen Buchformats auf, es ist nämlich ungewöhnlich breit: Randstreifen dienen dazu, Zusatzinformationen, Abbildungen und weiteres Material bereitzustellen. Dadurch, und durch die konsequente Verwendung blau gefärbter Tabellen, Merkkästen, usw., wirkt das Druckbild in schöner Weise aufgelockert und verhindert so den Eindruck, man würde sich in einer Bleiwüste befinden. Historisch wichtige Entwicklungen werden mit Kalenderblättern angezeigt, „Aha-Erlebnisse“ mit einer Glühbirne.

Am Ende der Einführung versteht man, warum die Arbeiten von Gödel und Turing ein „Frontalangriff auf die Grundfesten der Mathematik“ waren und warum das Hilbert’sche Programm „in Trümmern“ lag. Aber das war kein Grund zur Verzweiflung: Im letzten Abschnitt „Auferstanden aus Ruinen“ führt uns Hoffmann zu relativen Beweisen der Widerspruchsfreiheit (Gödel) und folgerichtig zur Kontinuumshypothese und dem Cohenschen Unabhängigkeitsbeweis. Bei diesem Ausklang der Einleitung erscheint der Titel „Grenzen der Mathematik“ fast zu restriktiv.

Im zweiten Kapitel geht es um formale Systeme, also Aussagenlogik und Prädikatenlogik erster und zweiter Stufe. Wie überall im Buch weicht der Autor den Schwierigkeiten der Materie nicht aus. Für einen der Logik eher fern stehenden Mathematiker ist das Kapitel „hart“, aber wieder hilft die Befähigung des Autors, auch komplizierte Zusammenhänge anschaulich darzustellen. Außerdem gibt es wieder zahlreiche historische Bemerkungen, Erklärungen und Beispiele. Am Ende von Kapitel 2 hat man jedenfalls die Grundlagen (und noch ein bißchen mehr) der Logik verstanden.

Im dritten Kapitel geht es um nichts weniger als die „Fundamente der Mathematik“. Dazu zählen die Peano-Arithmetik und die axiomatische Mengenlehre, wobei die Zermelo-Fraenkelschen Axiome sehr detailliert besprochen und illustriert werden. Hoffmann scheut sich auch nicht, Ordinalzahlen wie ω+2 und ω+ω zu visualisieren und so ein Verständnis auf allen Ebenen zu ermöglichen.

In Kapitel 4 geht es dann um Beweistheorie, d.h. im Wesentlichen um die Gödel’schen Unvollständigkeitssätze. Kapitel 5 ist der Theorie der Berechenbarkeit gewidmet und hier lernt man nicht nur Automatentheorie, sondern auch etwas über die Church’sche These und die Grenzen der Berechenbarkeit. Die Folgen für die Mathematik werden ausführlich diskutiert: Unvollständigkeit der Arithmetik, Unlösbarkeit des Entscheidungsproblem und die Unlösbarkeit des zehnten Hilbert’schen Problems. Im sechsten Kapitel kommt die algorithmische Informationstheorie zum Zuge und endet mit dem Korollar, dass jedes korrekte formale System, das stark genug ist, um die Peano-Arithmetik zu formalisieren unvollständig ist.

Im siebten und letzten Kapitel wagt sich der Autor dann noch in die Modelltheorie, beschreibt Meta-Resultate zur Prädikatenlogik, Nichtstandardmodelle der Arithmetik und Boolesche Modelle.

Das Buch von Dirk W. Hoffmann hat mir ausgesprochen gut gefallen. Der Schreibstil des Autors – stets auf Verständlichkeit bedacht – die vielen historischen Bezüge, die wohldurchdachte Aufmachung des Buches mit seinen vielen Bildern, Beispielen und Merkkästen und nicht zuletzt die jedem Kapitel beigegeben Aufgaben machen das Buch zu einer Perle.

Rezension: Thomas Sonar, Braunschweig

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Oktober 2011, Band 58, Heft 2, S. 243
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags



Manchen Zeitgenossen gilt die Mathematik als hermetisch, trocken und weltfremd. Aber auch unter Mathematikern gibt es Vorurteile gegenüber einzelnen Teildisziplinen. So wird von vielen Wissenschaftlern das Gebiet der mathematischen Logik – wenn überhaupt – nur mit spitzen Fingern angefasst, denn sie wird als hermetisch, trocken und weltfremd wahrgenommen. In seinem lebendig geschriebenen Buch Grenzen der Mathematik entkräftet der Autor, Professor für Informatik in Karlsruhe, diese Vorurteile.

Die mathematische Logik untersucht, vereinfacht gesagt, welche Aussagen mit welchen Hilfsmitteln beweisbar sind. Als mathematische Disziplin muss sie klar definieren, mit welchen Begriffen sie operiert; die dabei benötigte Präzision unterscheidet sie von einer philosophischen Disziplin. Eines der herausragenden Ergebnisse der mathematischen Logik ist der Unvollständigkeitssatz von Gödel, von dem es zwei Versionen gibt. Gödels Sätze machen es klar, dass die Wahrheit und die Beweisbarkeit einer Aussage zu unterscheiden sind, denn in (fast) jedem formalen mathematischen System gibt es wahre Aussagen, die innerhalb dieses Systems nicht herleitbar sind.

Es ist ein zentrales Anliegen dieses Buches, die Gödelschen Sätze zu erklären, zu beweisen und Missverständnisse über sie auszuräumen. Im Unterschied zu D. Hofstadters Bestseller Gödel, Escher, Bach: Ein endloses geflochtenes Band, der vor ca. 25 Jahren einem breiteren Publikum die Gödelschen Sätze nahebringen wollte, handelt es sich bei Hoffmanns Buch um ein mathematisches Fachbuch, und es ist frei von Spekulationen. Es ist jedoch lebendig geschrieben, sehr ausführlich gehalten und reich illustriert wie ein Sachbuch, und erfolgreich ist es darüber hinaus.

Der Autor beginnt sein Buch mit einem historischen Überblick, in dem unter anderem die Grundlagenkrise der Mathematik Anfang des 20. Jahrhunderts und das Hilbertsche Programm geschildert werden. Das nächste Kapitel erklärt, was unter einem formalen System zu verstehen ist und was es bedeutet, dass eine Aussage innerhalb dieses Systems herleitbar ist. Beispiele solcher Systeme sind die Peano-Arithmetik, also die elementare Theorie der natürlichen Zahlen, und die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre. Schließlich werden die Gödelschen Sätze ausführlich besprochen. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit Berechenbarkeitstheorie, die es schon lange vor den ersten Computern gab, aber mit deren Entwicklung neue Anwendungsmöglichkeiten erfuhr, und mit Modelltheorie.

Wenngleich Hoffmanns Buch ein Fach- und kein Sachbuch ist, verlangt es doch vom Leser keinerlei mathematische Vorkenntnisse (einmal wird motivationshalber der Begriff der Stetigkeit einer Funktion erwähnt); was man jedoch mitbringen sollte, ist die Bereitschaft, Gedanken sehr penibel nachzuvollziehen. In den Text eingestreut sind biographische Skizzen von Mathematikern wie von Neumann, Turing, Church, Gödel etc., und jedes Kapitel enthält Übungsaufgaben, deren Musterlösungen auf den Internetseiten des Autors zu finden sind.

Dieses Buch wird auch der mathematischen Logik skeptisch Gegenüberstehende überzeugen.

PS: Wer sich intensiver mit den Gödelschen Sätzen beschäftigen möchte, wird an dem Buch Die Gödel’schen Unvollständigkeitssätze. Eine geführte Reise durch Kurt Gödels historischen Beweis, Springer-Spektrum 2013, desselben Autors interessiert sein.

Rezension: Dirk Werner