Math up your Life
Schneller rechnen, besser leben
Christian Hesse
C.H.Beck; Auflage: 1 (10. Februar 2016), Taschenbuch,142 Seiten, 9,95 €
ISBN-10: 3406681379
ISBN-13: 978-3406681370
Es folgen die Rezensionen von: Hartmut Weber und Roland Pilous
Schon wieder hat Christian Hesse, seines Zeichens Professor für mathematische Stochastik, ein kleines Bändchen Unterhaltungsmathematik veröffentlicht und auch diesmal ist ihm meist Kurzweiliges gelungen. Den Titel des Buches allerdings finde ich etwas albern, den Untertitel ziemlich daneben.
Zusammengestellt hat er auf rund 130 Seiten kleine „Happy-Hour-Häppchen … zur Lektüre für Minuten“ – so charakterisiert er selbst im Vorwort diese kurzen Geschichten. Diese Häppchen sind (teils überarbeitete) Beiträge, die der Autor für einen Blog mit dem gleichen Titel „Math up your life!“ bei ZEIT ONLINE geschrieben hat und dessen Untertitel „Mathematik macht Spaß“ die Sachlage genau trifft.
Manche Inhalte sind alte Bekannte, die auch in anderen Büchern dieses Genres auftauchen. Dazu gehören beispielsweise die Benford-Verteilung und ihre Anwendung in der Steuerprüfung, das Ziegenproblem (hier in zwei Varianten), die Problematik von statistischen Tests bei AIDS und Verfahren zum mündlichen Schnellrechnen für Multiplikation und Wurzelziehen (wie sie von Rechenkünstlern verwendet werden). Letztere insbesondere sind meiner Ansicht nach nicht von größerem Reiz.
Umso mehr verblüffen andere Beiträge, die wie fast alle in diesem Buch auch vergnüglich und geistreich präsentiert werden.
Warum etwa ist die Regel beim Elfmeterschießen unfair, nach der die beiden Mannschaften jeweils abwechselnd dran sind? Dem würde eine Schuß-Reihenfolge abhelfen, die mit Hilfe der Thue-Morse-Folge einfach aufzustellen ist. In weiteren Beiträgen zeigt sich, dass diese Folge auch in ganz anderen Zusammenhängen auftritt, z. B. bei der Schneeflockenkurve.
Dass der Zufall beim Toreschießen im Fußballspiel eine große Rolle spielt, ist wohl einsichtig. Dass die Anzahl der Tore und die Art der Spielausgänge aber strengen statistischen Gesetzen folgt, ist doch bemerkenswert. Die Poisson-Verteilung, gültig für relativ seltene Ereignisse – und Tore fallen in einem Fußballspiel im Vergleich zum Handball etwa doch verhältnismäßig selten – führt hier zu den verblüffenden Ergebnissen. Aber keine Angst: der Autor mutet dem Leser keine Formeln zu, sondern erläutert nur anschaulich die Resultate. (Das gilt im Übrigen für alle Beiträge dieses Bändchens!) Und wie die Thue-Morse-Folge erscheint auch die Poisson-Verteilung nochmals in einem ganz anderen Umfeld. Es ist immer wieder überraschend, wenn in unterschiedlichen Situationen auf einmal ein altbekannter mathematischer Ansatz die Lösung bringt.
Wussten Sie, dass in jedem Jahr mindestens ein Freitag auf den 13. fällt? Hesse erklärt es. Können Sie berechnen, an welchem Datum in den nächsten Jahren Ostern ist? Hier wird die vom berühmten Gauss stammende Formel vorgeführt.
Und wer die Mathematik genauer verstehen will, die hinter den Geschichten steckt, findet im Anhang ein Literaturverzeichnis.
Rezension: Hartmut Weber (Kassel)
„Happy-Hour-Häppchen“ nennt Christian Hesse seine kurzen, oft nur ein bis zwei Seiten langen Texte, in denen es um die Faszination der Mathematik geht. Der erfolgreiche Mathematiker, Schachspieler und Sachbuchautor bündelt im vorliegenden Werk diverse Beiträge, die er ursprünglich für seinen Mathematikblog bei „Zeit Online“ geschrieben hat. Wie kaum ein anderer schafft er es darin, seinen Lesern eine neue, ungewohnte Perspektive auf das Fach zu eröffnen. Es stellt sich heraus: Mathematik ist witzig, unterhaltsam und überaus anregend. Die gut verständlichen „Happy-Hour-Häppchen“ eignen sich tatsächlich für Zwischendurch, etwa als Lektüre vor dem Einschlafen oder nach dem Aufstehen.
Unter den behandelten Themen sind Klassiker wie das „Ziegenproblem“ oder das „Geburtstagsparadoxon“. Letzteres dreht sich um die Frage, warum die eigenen Freunde im Schnitt mehr Kontakte haben als man selbst. Der durchschnittliche Facebooknutzer beispielsweise ist mit 190 "Freunden" vernetzt. Diese haben aber im Durchschnitt je 635 „Freunde“. Wen das unzufrieden macht, dem kann die Mathematik helfen. Denn bereits eine einfache Überlegung zeigt: Da es umso wahrscheinlicher ist, mit einer Person befreundet zu sein, je mehr Freunde diese hat, sind gut vernetzte Menschen im Bekanntenkreis eines Nutzers stärker vertreten als solche mit wenigen Kontakten.
Im Geld schwimmen oder im Sarg liegen?
Dass die Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns gering ist, sollte jedem klar sein. Aber wie klein genau? Dies kann man verdeutlichen, indem man jene Wahrscheinlichkeit mit der anderer Ereignisse vergleicht. Die Chance, den Hauptgewinn abzuräumen, ist in etwa so groß wie die, auf dem Weg zur Lottoannahmestelle zu sterben. Einem Menschen, der sich entscheidet mitzuspielen, ist die Lottomillion also ungefähr so sicher wie der Grabstein.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen: Mit Mathematik bekommt man einfach mehr Durchblick. Und den vermitteln Hesses Texte mit viel Witz. Es gibt aber auch Passagen, die zum Nachdenken anregen – etwa die Erläuterungen zum ersten Gödel’schen Unvollständigkeitssatz, wonach es Wahrheiten geben kann, die sich nicht beweisen lassen. Zum Beispiel ist die Aussage „Ich bin nicht beweisbar“ nur dann wahr, wenn sie nicht bewiesen werden kann.
Hesse wählt interessante mathematische Themen gekonnt aus und setzt sie knapp und humorvoll in Szene. Sein Buch setzt bei den Lesern keine Vorkenntnisse voraus und lässt sich deshalb allen Interessierten empfehlen. Allerdings sollte man sich darauf einstellen, dass der Autor fachlich bisweilen an der Oberfläche bleibt und Begründungen mitunter übergeht.
Quelle/Copyright: Spektrum Verlag, http://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-math-up-your-life/1410130
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags
Rezension: Roland Pilous (Fachhochschule Nordwestschweiz)