Mathematik durch die Hintertür
Das Schubfachprinzip, der Vier-Farben-Satz und viele andere Denkwürdigkeiten aus der Welt der Zahlen
Adrián Paenza
Heyne TB; Aufl. 2007, 288 Seiten, 8,95 €
ISBN-10: 3453600576
ISBN-13: 978-3453600577
Die Originalausgabe des Buches erschien 2005 in Argentinien, die deutschsprachige Ausgabe von „Mathemàtica … estàs ahì?“ ist seit 2008 erhältlich. Nach dieser unterhaltsamen Lektüre werden Sie einen umfassenden Einblick in die Welt der Mathematik bekommen und erfahren, dass Mathematik mehr ist als die Wissenschaft, die sich nur mit Zahlen beschäftigt. Der Mathematiker und freie Journalist Adrián Paenza versteht es nämlich den Leser so in den Bann der Zahlen und Muster zu ziehen, dass man die vorgestellten Probleme aus der Mathematik lösen will (und muss). Man muss sich in die mathematischen Probleme und Situationen „hineindenken“ und mit Hilfe der Hinweise des Autors daraufhin selbstständig Lösungen finden (oder man liest die Lösungen des Autors im Lösungsteil nach). Aber gerade weil der Autor keinerlei Bilder oder Skizzen bei seinen Erläuterungen über mathematische Probleme benutzt, kann (muss) man sich als „Mitdenker“ eigene Vorstellungen machen und erlebt, wie das Lösen von Problemen und das mathematische Beweisen abläuft. Der Erzählstil des Textes erweckt dabei den Anschein, als säße man dem Autor direkt gegenüber oder lese einen persönlichen Brief.
Das Buch ist in fünf große Kapitel gegliedert: „Zahlen“, „Persönlichkeiten“, „Wahrscheinlichkeiten und Schätzungen“, „Probleme und Überlegungen“ und „Kuriositäten“. Im ersten Kapitel kann man seine eigenen Vorstellungen über Zahlen erweitern. Es tauchen zum Beispiel folgende Fragen auf: „Wie groß ist eine Milliarde?“ oder „Was sind Primzahlzwillinge?“. Außerdem erklärt Adrián Paenza, warum es unendlich viele Zahlen gibt und beweist die Behauptung, dass alle Zahlen interessant sind.
Im zweiten Kapitel stellt er unter anderem ungelöste mathematische Probleme vor wie z.B. die Goldbach-Vermutung. (Jede gerade positive Zahl größer 2 kann als die Summe zweier Primzahlen geschrieben werden.) Außerdem erzählt er über spannende mathematische Entdeckungen einiger herausragender Personen, aber immer so, dass man von Anfang bis Ende der kurzen Erzählung gedanklich gefordert ist.
Besonders alltagsnah sind die Themen im Kapitel „Wahrscheinlichkeiten und Schätzungen“. Wer wissen will, wie man am besten sein Geld anlegt oder wie man am ehesten gewinnt, sollte hier besonders gut aufpassen und mitdenken.
Mit dem Kapitel „Probleme“ kann man sehr gut das logische Denken an lustigen Rätseln testen, das man beim Lesen bis hierher erworben – oder neu entdeckt – hat. Vielleicht ist es eines Tages von Nutzen „Das Problem der drei Personen, die in eine Bar kommen und mit 30 Pesos eine Rechnung von 25 bezahlen müssen“ zu kennen. In jedem Fall kann man lustige Geschichten in einer fröhlichen Runde zum Besten geben.
Das letzte Kapitel hat einen stark philosophischen Aspekt. Nach der Frage „Was ist Mathematik?“ beantwortet Adrián Paenza die Frage, warum er dieses Buch geschrieben hat. Seine Ausführungen dazu sind ungewöhnlich. Beispielsweise vertritt er die Meinung, dass die Lehrenden (Mathematiklehrer und -dozenten) ihren Schülern alle Freiheiten geben müssen, selbst Probleme zu entdecken, die sie dann lösen wollen, anstatt ihnen konstruierte Rätsel vorzusetzen. Außerdem sollten Tests und unangekündigte Leistungsüberprüfungen in der Schule abgeschafft werden, denn sie würden das Vertrauen zwischen Schülern und Lehrer behindern. Meiner Meinung nach möchte er damit auch sagen, dass schlechte Schülerleistungen eher auf schlechten Unterricht und mangelhafte Ausbildung der Lehrer zurückzuführen sind als auf mangelndes Wissen. Die Leistungsüberprüfungen seien auch überflüssig, da die Lehrer die Schülerleistungen sowieso aus dem Unterricht kennen würden.
Aus diesem Buch nehme ich viele interessante Geschichten mit, die ich gerne weitererzählen möchte. Selbst längere mathematische Beweise erscheinen von Adrián Paenza mit wenigen Worten in Umgangssprache erklärbar. Dennoch vermute ich, dass einige Erläuterungen manchem Leser unverständlich sein könnten. Trotzdem regen insbesondere die kuriosen Probleme zu eigenem Nachdenken an, so dass keine Langeweile beim Lesen aufkommt. Ich empfehle dieses Buch zum Lesen, denn es motiviert das selbstständige Denken zu üben und sich über den Sinn von Mathematik Gedanken zu machen. Jedenfalls hoffe ich, dass das Buch vielen weiteren Lesern eine vergnügliche Zeit beschert.
Rezension: Sarah Henne, Uni Kassel