Mathematik - das ist doch keine Kunst!
Günter M. Ziegler
Albrecht Knaus Verlag (16. September 2013), 24,99 €
ISBN-10: 3813505847
ISBN-13: 978-3813505849
Mathematik, das ist doch keine Kunst? Gewiss nicht für Günter Ziegler, denn der ist kein Künstler, sondern ein Mathematiker, und zwar einer von Weltrang. Darüber hinaus zählt er zu den führenden Autoren, die für ein breites Publikum über Mathematiker und die Mathematik (und auch deren Verächter) schreiben. Auch sein neuestes Buch geht in diese Richtung. Anders als bei vielen anderen Publikationen dieses Genres ist der visuelle Aspekt hier der Dreh- und Angelpunkt. Jedes der 24 Kapitel nimmt als Ausgangs und Bezugspunkt ein Bild: ein Foto eines mathematischen Objekts (z.B. des Ishango-Knochens) oder eines Mathematikers (Grigori Perelman), ein Faksimile (z.B. von Adam Ries’ Buch), eine Bleistiftskizze (z.B. Martin Grötschels Aufzeichnungen zu seiner berühmten Dissertation), ein Diagramm (das auf Putins Wahlfälschungen hinweist), etc. Dankenswerterweise taucht der röhrende Hirsch der Computergraphik, das Apfelmännchen, das es zwar auf die Rückseite des Umschlags gebracht hat, im Text nur en passant und mit einem ironischen Kommentar auf.
Diese Bilder sind Aufhänger für reich illustrierte Geschichten aus der und über die Mathematik, Geschichten über Fehler und mathematische Durchbrüche, über Verwechslungen und Spekulationen, über bildende Kunst und Architektur, über Politik und Werbung und und und... Man erfährt – und sieht –, dass selbst einem Genie wie Leonardo da Vinci auf seinen Skizzen von Polyedern Fehler unterlaufen sind, dass ein angebliches Bild des Mathematikers Legendre aus dem frühen 19. Jahrhundert einen ganz anderen Legendre darstellt, dass Banken dubiose mathematische Modelle als Träger ihrer Werbebotschaften einsetzen und – durchaus zum Wohl ihrer Kunden – geometrisch falsche Abbildungen von EC-Karten an ihren Geldautomaten anbringen, dass manche Mathematiker unflätige Kommentare in Büchern hinterlassen, wie Mathematik bei der Chip-Konstruktion hilft und vieles vieles mehr.
Wie schreibt der Autor: „Der Vorteil von Bildern ist natürlich, dass man etwas sieht.“ Aber es bedarf auch jemandes, der die Bilder sammelt, ausbreitet und interpretiert. All dies ist Günter Ziegler in diesem informativen, kurzweiligen und schön gestalteten Buch (durchweg farbige Reproduktionen auf gutem Papier) hervorragend gelungen.
Rezension: Dirk Werner (FU Berlin)