wer falsch rechnet den bestraft das Leben

Wer falsch rechnet, den bestraft das Leben
Das kleine Einmaleins der Alltagsmathematik

Christian Hesse
C.H.Beck; Auflage: 1 (11. März 2014), 12,95 €

ISBN-10: 3406644724
ISBN-13: 978-3406644726

Christian Hesse, Professor für Mathematik an der Universität Stuttgart, legt hiermit das sechste populärwissenschaftliche Buch innerhalb weniger Jahre vor.
Dass es sich hier um das kleine Einmaleins der Alltagsmathematik handelt – wie der Untertitel behauptet – ist etwas missverständlich: im Alltag kann man die diskutierten Sachverhalte wohl kaum gebrauchen. Allerdings sind die benötigten Kenntnisse schon „alltäglich“: man benötigt keinerlei höhere Mathematik, was man bis zur 7. Klasse gelernt hat, reicht zum Verständnis völlig aus.

Der  Inhalt des Buches lässt sich mit den beiden Begriffen „Mittelwerte“ und „Paradoxien“ zusammenfassend beschreiben. Die erste Hälfte widmet sich in vielen verschiedenen Beispielen der Berechnung von Mittelwerten, während die Vorstellung und erklärende Auflösung einer Reihe von Paradoxien sich über das ganze Buch, insbesondere die zweite Hälfte, hinzieht.

Das arithmetische (einschließlich des gewichteten arithmetischen), das geometrische und das harmonische Mittel – alle drei in der populären Mathematik-Literatur häufig vertreten - werden nicht systematisch eingeführt, sondern an Beispielen erläutert und es wird diskutiert, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Fällen die jeweilige Durchschnittsbildung die passende ist. Immer wieder zeigt der Autor sehr geschickt, wie man durch falsche Wahl zu falschen Ergebnissen kommt. Der Median wird motiviert mit dem bekannten Beispiel der Haushaltseinkommen in einem kleinen Ort, dem nur 8 „normale“ und ein Millionärshaushalt angehören. Des weiteren werden – in solch populären Darstellungen weitgehend unbekannt – das Eigengewichtsmittel und das Ampère’sche Mittel vorgestellt. Für den, der Rat sucht in alltäglichen Rechen-Problemen, wahrscheinlich weniger spannend, wohl aber für den mathematischen Liebhaber reizvoll ist es, wenn immer wieder Vergleiche sowie Beziehungen zwischen den verschiedenen Konstrukten hergestellt werden. Dem Autor kann man nur zustimmen, wenn er begeistert feststellt: „Großartig: diese wunderbar filigranen Beziehungen zwischen den diversen Mitteln, oder?“

Mit mathematischen Paradoxa kann man stets Verblüffung hervorrufen. Hesse stellt uns hier mehrere weniger bekannte Beispiele vor. Zwei ganz spezielle werden von ihm das Freundschafts- und das Geburtsgewichtsparadoxon genannt und durch Datenanalyse aufgeklärt. Mehrfach wird auf das Simpson’sche Paradoxon eingegangen. Es kann dann auftreten, wenn mehrfach Mittelwerte gebildet werden: also dann, wenn Mittelwerte von schon gemittelten Teilmengen berechnet werden. In der Realität trat dieses Paradoxon wohl erstmals in den fünfziger Jahren bei einer statistischen Auswertung an einer amerikanischen Universität auf; Hesses Beispiele mit fiktiven Zahlen sind leicht nachzuprüfen und daher kann man seinen Erklärungen zur „Auflösung“ des scheinbaren Widerspruchs gut folgen.

Mit dem Braess-Paradoxon und dem Benford-Gesetz werden weitere paradoxe Ergebnisse beschrieben. Das letzte Kapitel ist dem schwierigen Thema der Regression gewidmet. Auch hier treibt Simpson abermals sein erstaunliches Spiel und mit der sogenannten Symmetrie-Paradoxie taucht ein weiterer scheinbarer Widerspruch auf.

Das Nachwort über Fehler an und für sich ist unabhängig von den Kapiteln genauso lesenswert wie die vielen lose in den Text eingestreuten kleinen – oft nur wenige Zeilen, manchmal aber auch einige Seiten umfassenden – „Schnipsel“, die – ähnlich wie in dem von Hesse veröffentlichten mathematischen Sammelsurium – meist den fortlaufenden Sachtext ergänzen, oft aber auch nur unterhaltsam, witzig den Leser erheitern.

Rezension: Hartmut Weber (Uni Kassel)