Algebra für Einsteiger
Von der Gleichungsauflösung zur Galois-Theorie
Jörg Bewersdorff
Verlag: Springer Spektrum; Auflage: 5., erw. Aufl. 2013 (24. Mai 2013), 29,99 €
ISBN-10: 3658022612
ISBN-13: 978-3658022617
Das Buch „Algebra für Einsteiger“ liegt hier in der 5. Auflage (2013) vor. Offensichtlich findet es immer noch viel Nachfrage, sonst wäre es nicht regelmäßig neu aufgelegt worden (erschienen ist es erstmals 2005).
Gleich vorweg: der Begriff „Algebra“ im Titel ist vielleicht etwas irreführend, denn im wesentlichen wird eine ausführliche Einführung in die Galois-Theorie gegeben, die sich an der historischen Entwicklung im 19. Jahrhundert orientiert. Das wird auch im Untertitel deutlich. Wer hingegen eine Einführung in die „moderne Algebra“ erwartet, wie sie im 20. Jahrhundert entstanden ist (und etwa im klassischen Lehrbuch von van der Waerden schon erstmals 1930 beschrieben wurde), wird hier erst im im letzten Kapitel fündig.
Welche Inhalte werden geboten?
In den Kapiteln 1 bis 4 wird ein geschichtlicher Abriß gegeben von den Lösungsformeln für Gleichungen 3. und 4. Grades im 16. Jahrhundert (Tartaglia, Cardano), der Einführung der komplexen Zahlen (notwendig geworden durch den sogenannten casus irreducibilis bei Gleichungen 3. Grades) hin zum Beweis des Fundamentalsatzes durch Gauß (1799).
Das Kapitel 5 („Die Suche nach weiteren Auflösungsformeln“) ist im wesentlichen den Fortschritten gewidmet, die Lagrange (Ende des 18.) und Ruffini (Anfang des 19. Jahrhunderts) erzielt haben. Hier werden erstmals symmetrische Polynome und Permutationen ins Spiel gebracht, die später für die Galois-Theorie wichtig werden. Ruffini zeigte, dass die allgemeine Gleichung 5. Grades nicht mit Radikalen auflösbar ist – sein Beweis ist allerdings noch unvollständig. Erst Abel gelang dies einige Jahre später.
Die Kapitel 6 bis 8 beschäftigen sich mit einigen Nebenschauplätzen, u. a. dem klassischen Problem der Konstruierbarkeit (mit Zirkel und Lineal) der regelmäßigen Vielecke, dessen Lösung dem jungen Gauß zu verdanken ist.
Danach kommt der Autor auf den Kern zurück. Im 9. Kapitel werden die Ideen der Galois-Theorie entwickelt – allen voran die entscheidende geniale (da bis dato ohne Vorbild) Idee, jeder Gleichung ein völlig anderes mathematisches Objekt zuzuordnen, nämlich eine Gruppe. Diese heute sogenannte Galois-Gruppe wird von Bewersdorff „elementar unter Verwendung der bisher entwickelten Terminologie definiert“. Er folgt dabei im wesentlichen dem von Galois selbst beschrittenen Weg (den dieser allerdings so knapp beschrieben hat, dass dessen Zeitgenossen seine neuartigen Gedankengänge nicht verstanden haben). Bewersdorff zeigt dies an fest gewählten Gleichungen konkret und rechnet z. B. mit den dazu gehörigen Permutationen detailliert vor.
Das 10. Kapitel soll – wie der Autor schreibt – „dazu dienen, eine Brücke zu schlagen zwischen zwei Sichtweisen der Galois-Theorie, nämlich der im vorherigen Kapitel dargelegten ‚elementaren’, das heißt stark an Polynomem orientierten Sichtweise einerseits und der ‚modernen’, das heißt zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts begründeten Sichtweise andererseits. Dabei wird sich zeigen, dass die ‚moderne’ ... einfacher verständlich ist, sofern man auf einem bestimmten Grundwissen aufbauen kann.“
Von diesem Grundwissen werden dann Begriffe wie Gruppe, Normalteiler, Faktorgruppe, Körper, Körpererweiterung, Vektorraum, Homomorphismus und Automorphismus knapp eingeführt und schließlich allgemein gezeigt, dass eine Gleichung mit Radikalen lösbar ist, wenn ihre Galois-Gruppe auflösbar ist.
Neu in der 5. Auflage ist ein letztes Kapitel, in dem eine von Emil Artin stammende Version des Hauptsatzes der Galois-Theorie aus dem Jahre 1942 dargestellt wird, die einen völlig anderen Weg als den im Buch beschriebenen einschlägt. In einem Epilog resümiert Bewersdorff noch einmal die Vorteile der abstrakten Methoden der „modernen“ Algebra.
Jedes Kapitel endet mit einer Reihe von Aufgaben (ohne Lösung).
Rezension: Hartmut Weber (Kassel)