Codierungstheorie
Algebraisch-geometrische Grundlagen und Algorithmen
W. Lütkebohmert
Vieweg Verlag, Braunschweig, Wiesbaden, 2002, 49,95 €
ISBN 3-528-03197-2
Vorliegendes Buch entstand aus einer einsemestrigen Vorlesung des Autors an der Universität Ulm. Sie war an Hörer mit Grundkenntnissen in Algebra gerichtet. Ziel der Vorlesung war es, den Studenten einen Rundblick über algebraisch konstruierte lineare Codes zu vermitteln. Das aus der Vorlesung mit demselben Ziel entstandene Buch wurde dann noch durch einige für die geometrischen Goppa-Codes notwendige Grundlagen aus der kommutativen Algebra und der Geometrie algebraischer Kurven angereichert.
Das Buch besteht aus drei Teilen. Der erste Teil mit den Kapiteln 1 bis 5 enthält die Elementare Codierungstheorie. Er umfasst allgemeine Standardresultate über lineare Codes inklusive der Behandlung einiger wichtiger Codeklassen wie Hamming- und Golaycodes, zyklische Codes mit BCH-Codes sowie Reed-Solomon-Codes, eingerahmt von Codekonstruktionen wie Spreizung und Verkettung sowie den klassischen Schrankensätzen: Singleton-Schranke, Plotkin-Schranke, Hamming- und Eliasschranke sowie als untere Schranke die Gilbert-Varshamov-Schranke. Wohl auf Grund fehlender Vorkenntnisse der Hörer auf dem Gebiet der Elementaren Zahlentheorie wurde auf die Behandlung der Quadratische-Reste-Codes verzichtet.
Der zweite Teil des Buches umfasst die für die Behandlung der geometrischen Goppa-Codes notwendigen geometrischen Grundlagen und besteht aus Kapitel 6.1, 8 und 7. Dabei enthält Abschnitt 6.1 eine kurze Zusammenfassung (ohne Beweise) der für die Einführung der Goppa-Codes notwendigen Sätze wie Satz von Riemann-Roch, Residuensatz und Hurwitzsche Relativgeschlechtsformel. Kapitel 8 enthält die dazugehörigen Beweise und die Konstruktion singularitätenfreier Modelle von Kurven. In Kapitel 7 werden speziell Kurven über endlichen Körpern studiert und die Riemannsche Vermutung für die zugehörigen Zetafunktionen bewiesen, was schließlich auf die für das Studium der Goppa-Codes unverzichtbaren Schrankensätze für die Anzahl der rationalen Punkte führt.
Der dritte Teil, bestehend aus den Kapiteln 6 und 9, enthält die angestrebten Resultate über geometrische Goppa-Codes. Nach der allgemeinen Einführung konzentriert sich der Autor auf die Konstruktion langer Codes, zuvor behandelt er aber noch zum Vergleich die klassischen Goppa-Codes, die auch schon im Rahmen der elementaren Theorie hätten vorgestellt werden können. Darauf folgt – und das ist sicher ein Höhepunkt dieses Buches – eine geometrische Konstruktion der 1996 von Garcia und Stichtenoth gefundenen Artin-Schreier-Türme, deren Punktanzahl die Drinfeld-Vladut-Schranke erreichen. Dies führt schließlich zu einem elementaren Beweis des Satzes von Tsfasman-Vladut-Zink, der besagt, dass man mit geometrischen Goppa-Codes die Gilbert-Varshamov- Schranke übertreffen kann. In meiner Vorlesung Galoistheorie im vergangenen Wintersemester habe ich diesen Teil noch durch einige allgemeine Strukturaussagen über selbstduale Codes und Automorphismen sowie durch die Untersuchung spezieller Codeklassen wie elliptische und hermitesche Codes ergänzt. (Entsprechende Resultate sind in den Büchern von Tsfasman-Vladut: Algebraic-Geometric Codes bzw. Stepanov Codes on Algebraic Curves: zu finden.) Schließlich enthält das letzte Kapitel 9 noch die Standardalgorithmen zur Codierung und Decodierung geometrischer Goppa-Codes mit praktischen Hinweisen zur Implementierung.
Am Ende des Buches hat der Autor in zwei Anhängen noch einige benötigte Resultate aus der Kommutativen Algebra und der Algebraischen Geometrie zusammengestellt, die zumeist in weiterführenden Algebra-Vorlesungen behandelt werden.
Insgesamt ist das Buch als Grundlage für Vorlesungen und auch zum Selbststudium geeignet, wünschenswerte Ergänzungen sind in der Besprechung der einzelnen Teile angemerkt. Es ist ein geometrisches Pendant zu dem inzwischen über 10 Jahre alten bewährten Buch von Stichtenoth: Algebraic Function Fields and Codes, das geometrische Goppa-Codes in der zahlentheoretischen Sprache algebraischer Funktionskörper behandelt (und ganz auf die Elementare Codierungstheorie verzichtet, wofür aber z.B. das Büchlein von Willems: Codierungstheorie herangezogen werden kann). Ein Pluspunkt der vorliegenden Ausgabe ist der auch für Studierende erschwingliche Preis. Bei den konkurrierenden Büchern von Tsfasman-Vladut und Stepanov vom Kluwer-Verlag stellt der Preis selbst für Fachbibliotheken gelegentlich ein Anschaffungshindernis dar.
Rezension: Bernd Heinrich Matzat (Heidelberg) aus Computeralgebra-Rundbrief, Nr. 34 - März 2004