bundeswettbewerb mathematikHanns-Heinrich Langmann, Erhard Quaisser, Eckard Specht (Hrsg.)

Springer Spektrum (10. Mai 2016); 304 Seiten; 29,99 €
ISBN-10: 3662495392
ISBN-13: 978-3662495391

Der Bundeswettbewerb Mathematik hat mich als Mathematiklehrer 30 Jahre lang Jahr für Jahr begleitet. Jedes Mal verbuchte ich es als Erfolg, wenn ich es wieder geschafft hatte, einen Schüler oder eine Schülerin bis zur Einreichung der Lösungen zu bringen. Selten gelang es einigen, auch die zweite Runde zu erreichen – einen Bundessieger oder eine -siegerin allerdings konnte ich nicht vorweisen. Aus Spaß am Tüfteln und Testen des eigenen Vermögens sowie auch um doch gewisse Hinweise weiter geben zu können, versuchte ich mich häufig selbst einmal an den Problemen, nicht immer mit Erfolg.

So habe ich mir jetzt gespannt dieses Buch zur Rezension vorgenommen. In ihm sind 45 Jahre des Wettbewerbs dokumentiert: Es enthält alle Aufgaben der ersten und zweiten Runde aus den Jahren 1970 - 2015, jeweils vier Aufgaben pro Termin. 32 der insgesamt 360 Aufgaben werden hier als „schönste“ Aufgaben mit ihren Lösungen präsentiert. Zehn Autoren, darunter drei ehemalige Bundessieger und eine Bundessiegerin dieses Wettbewerbs, haben sich dafür große Mühe gegeben.

Sicher lässt sich trefflich streiten über die Schönheit mathematischer Probleme (auch die als „allerschönste“ Aufgabe – nach Mehrheit der Autoren des Buches – bezeichnete findet nicht meine Zustimmung; da halte ich es mit Prof. Ziegler, der die für ihn schönste, die er schon 1981 als Schüler gelöst hat, jetzt hier vorstellt). Die Autoren nennen stets Gründe, warum die Aufgabe zu den schönsten gehört. Aber nicht streiten lässt sich wohl darüber, dass die Darstellung der Aufgabenlösungen ganz hervorragend gelungen ist. Die Aufgaben selbst sind in nur wenigen Zeilen formuliert, teils reichen zwei; mehr als 10 Zeilen benötigt keine. Mit der einfachsten oder kürzesten Lösung aber haben sich die Autoren nicht zufriedengegeben, vielmehr werden häufig verschiedene Möglichkeiten dargestellt. Für besonders lehrreich halte ich es, dass teilweise auch erfolglose Ansätze diskutiert werden. Die grafischen Darstellungen wie überhaupt das ganze Layout sind hervorragend gelungen.

Gerade bei den Aufgaben zur Geometrie gibt es stets Lösungsvarianten, es kommen alle Themen des Schulstoffs vor (u. a. Kongruenz- und Strahlensätze, Pythagoras, Sinus- und Kosinussatz, Kongruenzabbildungen, Vektorrechnung). Da kann man richtig Elementar-Geometrie lernen! (Diese wird im Schulunterricht nach meiner Erfahrung leider stiefmütterlich behandelt – das mechanische algebraische Rechnen aber sehr ausgedehnt.) In den Lösungen wird häufig die Fragestellung erweitert, es werden Verallgemeinerungen formuliert und bewiesen bzw. auch auf daraus sich ergebende bis heute offene ungelöste Probleme verwiesen.

Das Aufgabenspektrum überdeckt weite Bereiche (Algebra, Geometrie, Parkettierungen, Polyeder, Kombinatorik, Zahlenfolgen, Zahlentheorie, Spiele) – bei allen wird zwar keine Mathematik benötigt, die erst in der Universität vermittelt wird, aber die aus der Schule vorhandenen Kenntnisse müssen virtuos gehandhabt und natürlich weit über Schulniveau gehoben werden – und der Wille und die Ausdauer zum Problemlösen müssen vorhanden sein.

Grundlegende Beweisverfahren wie die vollständige Induktion oder der indirekte Beweis und Strategien wie Fallunterscheidung und Invarianzprinzip können bzw. müssen in vielen Aufgaben angewandt werden. So kann, wer sich mit den Aufgaben ernsthaft befasst, wichtige mathematische Verfahren kennen lernen, die im Schulunterricht oft nicht mehr Thema sind. Dieses Buch soll daher auch „etwas Rüstzeug für eine erfolgreiche Teilnahme an mathematischen Wettbewerben vermitteln“.

„Wenn wir wirklich Mathematiker vorbereiten wollen, ist der Bundeswettbewerb der erste Test. Schüler, die darüber nicht nachdenken wollen, die sich der Herausforderung nicht stellen wollen oder können, sollten sehr vorsichtig auf ein Mathestudium schauen.“

„Aus den Splittern der Erkenntnis, gewonnen durch Versuche, Ahnungen, Systematisierungen, ergibt sich ein von hinten aufgeschriebenes Ergebnis. Ein Beweis kondensiert einen Denkprozess, der ganz anders abgelaufen ist. Das zu begreifen und zu akzeptieren ist ein Sinn des Bundeswettbewerbs. Das zu üben ein zweiter. Der dritte, Herausforderungen anzunehmen.“

Für all jene Schülerinnen und Schüler, die sich auf eine solche Herausforderung einlassen wollen, und alle Lehrerinnen und Lehrer, die dafür motivieren wollen, ist dieses Buch Pflichtlektüre und wärmstens zu empfehlen.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)