sternstunden der mathematikPaul Curzon, Peter W. McOwan

Springer 2018, XIII + 230 Seiten
ISBN 978-3-662-56773-9, 19,99 €
E-Book: ISBN 978-3-662-56774-6, 14,99 €

Computational Thinking wurde durch die Beiträge von Jeannette Wing populär. In „Wing, Jeannette (2014). Computational Thinking Benefits Society. 40th Anniversary Blog of Social Issues in Computing“ beschreibt sie diesen Begriff wie folgt: „Informally, computational thinking describes the mental activity in formulating a problem to admit a computational solution. The solution can be carried out by a human or machine. This latter point is important. First, humans compute. Second, people can learn computational thinking without a machine. Also, computational thinking is not just about problem solving, but also about problem formulation.“ Seitdem wird Computational Thinking weit über die Informatik hinaus diskutiert; es findet zurzeit Einlass in Curricula von Grund- und weiterführenden Schulen. Um genauere Definitionen dieses Begriffs wird nach wie vor in vielen Abhandlungen gerungen

Peter Curzon und Peter W. McOwan wählen in ihrem Buch einen anderen Zugang zur Erklärung dieses Begriffes. Sie sehen wie die meisten anderen auch das algorithmische Denken als zentralen Baustein (und verwenden diesen Begriff sogar im Untertitel), bringen dem Leser das Computational Thinking aber dadurch näher, dass sie in sehr unterhaltsamer Weise eine Reihe von Beispielen für diese Art zu Denken vorstellen. Dabei geht es u. a. um Themen wie Logikrätsel oder Rundreisen, die sehr stark algorithmisch geprägt sind. Weitere Themen wie Sprechen aus der Taucherglocke oder Magie und Algorithmen haben einen stärkeren Fokus auf der Interaktion zwischen menschlichem Verhalten und algorithmischen Lösungen. Darüber hinaus werden Anwendungen der Künstlichen Intelligenz in verschiedenen Szenarien thematisiert. Zur Illustration gehe ich hier kurz auf das Kapitel 2 „Sprechen aus der Taucherglocke“ ein, da es bei mir beim Lesen den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen hat und überzeugend herausarbeitet, dass Computational Thinking weit mehr als algorithmisches Denken beinhaltet. Es geht um den realen Fall eines am Locked-in-Syndrom erkrankten Mannes, dessen einzige Kommunikationsmöglichkeit im Augenzwinkern besteht. Hier beschreiben die Autoren sehr anschaulich den Prozess, wie durch Interaktion zwischen Patient und Helfer ein iterierter Prozess entstanden ist, der es dem Patienten schließlich sogar ermöglicht hat eine Autobiografie zu verfassen. Dieser Prozess besteht u. a. aus Problemerkennung, Abstraktion, Modellierung, Algorithmenentwicklung und Evaluation. Nebenbei werden viele interessante algorithmische Methoden wie z. B. Suchverfahren oder Wortergänzungssysteme vorgestellt. Im letzten Kapitel kommen die Autoren auf die Ausgangsfrage zurück: Was also ist Computational Thinking? Auch hier verfolgen sie nicht das Ziel einer Begriffsdefinition, sondern beschreiben es als einen „Sammelbegriff für lose zusammenhängende Problemlösungsstrategien“. Auf Basis der zuvor vorgestellten Beispiele beschreiben sie eine Reihe von weiteren je nach Anwendungsgebiet notwendigen Disziplinen, deren Zusammenspiel mit algorithmischem Denken erst die verschiedenen Ausprägungen von Computational Thinking ausmachen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Nicht-Informatiker, die Interesse und Spaß an Rätseln und Problemlösungsstrategien haben, und liefert durch die vielen Beispiele sehr gute Argumente für auf Computational Thinking basierende Problemlösungsstrategien.

Rezension: Friedhelm Meyer auf der Heide (Uni Paderborn)

Quelle: Springer Verlag, Mathematische Semesterberichte, Oktober 2019, Band 66, S. 259–260
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags