expresso mit archimedesStefan Buijsman

Verlag: C.H.Beck; Auflage: 1 (19. September 2019), 2019 Seiten
Hardcover: 18 €, Kindle-Ausgabe: 12,99 €
ISBN-10: 3406739512
ISBN-13: 978-3406739514

Soll uns der Buchtitel etwas über den Inhalt sagen? Vielleicht soviel+-: Man kann das Buch bequem im Sessel bei einem Espresso lesen, muss sich nicht überaus geistig anstrengen, schon gar nicht sich auf Zahlen und Formeln konzentrieren und nicht mit Papier und Bleistift Rechnungen nachvollziehen.

Letzteres ist in der Tat nicht möglich, da das Buch solche gar nicht enthält – und es ist für weite Teile auch gar nicht nötig. Der junge Autor und Wissenschaftler (Astronomie, Informatik und Philosophie) von gerade einmal 25 Jahren beschäftigt sich hier nämlich mit grundlegenden wissenschaftstheoretischen Fragen: Wird Mathematik entdeckt oder erfunden? Warum ist Mathematik so nützlich? Ist diese Nützlichkeit Zufall? Und warum passt Mathematik so gut auf die Realität? Ausgehend von Platon und seiner Denkschule werden in den ersten Abschnitten diese Fragen entwickelt und eine kleine Philosophie der Mathematik dargestellt.

Danach folgt ein exkurs-artiges Kapitel, in dem von indigenen Volksgruppen (Amazonien und Neuguinea) berichtet wird, die nicht einmal über ein einfaches Zahlensystem verfügen, ihren Alltag auch ohne ein solches meistern. Offensichtlich brauchen diese Menschen keinerlei Mathematik. Auf weiteren 25 Seiten wird über die Entstehung der Zahlen in Mesopotamien und die Entwicklung der Mathematik bei Ägyptern, Griechen und Chinesen informiert und gezeigt, wie allmählich mathematische Gesetzmäßigkeiten für das Zusammenleben der Menschen in größeren staatlichen Verwaltungen notwendig und hilfreich wurden.

Auch in den nächsten Kapiteln vermeidet der Autor fast vollständig Zahlen, Formeln und Abbildungen. Hier geht es um drei große mathematische Teilgebiete (nämlich die Differential- und Integralrechnung, die Stochastik und die Graphentheorie), mit denen aufgezeigt werden soll, wie anwendbar und hilfreich die Mathematik für die Technik und unser heutiges alltägliches Leben ist. Während der Autor zu den ersten beiden Disziplinen im wesentlichen nur die zugrundeliegenden Ideen skizziert, werden bei der jüngsten, der Graphentheorie, konkrete Algorithmen beschrieben (wobei zwei Abbildungen falsch zugeordnet sind). Damit will der Autor dem Leser eine Vorstellung von der Funktionsweise der digitalen Medien vermitteln, wie z. B. die Suchmaschine von Google oder die Algorithmen von Facebook oder Netflix funktionieren.

Das führt dann im letzten Abschnitt wieder zu den eingangs gestellten Fragen zurück, in dem versucht wird, Antworten darauf zu geben.

Mancher Leser wird bei dem durchgehenden Text – weitgehend ohne Fachsprache und Formeln – vielleicht weitergehende Fragen an die referierte Mathematik haben und Literatur zu den beschriebenen Sachverhalten suchen. Die Literaturliste im Anhang enthält zwar über 100 Titel, aber leider fast ausschließlich solche in englischer Sprache. Dabei gibt es zu diesen Themen auch gute deutsche Bücher, die hätte der Verlag finden und in die Liste aufnehmen sollen!

Noch einmal zum Titel: „Unglaubliche Geschichten“ habe ich eigentlich nicht gefunden.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)