die reise zum mittelpunkt der mathematikRobert Resel

Herausgeber: Logos Berlin (15. März 2014), Taschenbuch, 312 Seiten, 44 €

ISBN-10: 3832536728
ISBN-13: 978-3832536725

„Dieses Buch bietet allen Interessenten und Liebhabern der Mathematik eine Sammlung mathematischer Leckerbissen …“ schreibt der Verlag auf dem hinteren Buchdeckel. Leckerbissen für alle Interessenten – davon allerdings dürfte man in diesem Buch nicht so viel finden. Und Liebhaber müssen auch schon besondere Vorlieben für die doch recht speziellen Themen haben. Das wird schon deutlich, wenn man in der Verlagsbeschreibung weiter liest: „Beginnend mit je einem Dutzend Zugängen zum skalaren bzw. vektoriellen Produkt zweier Vektoren …“ (womit dann knapp 40 Seiten gefüllt werden).

Der Autor ist Gymnasiallehrer an einer höheren Schule in Wien und unterrichtet auch im Wahlpflichtfach Mathematik, das in Österreich für interessierte und besonders motivierte Schülerinnen und Schüler vorgesehen ist. Zusätzlich ist er in der Begabtenförderung engagiert. Diese beruflichen Erfahrungen spielen wohl eine wichtige Rolle bei der Auswahl und der Darstellung der Themen.

Die Geometrie bildet für Resel den Mittelpunkt der Mathematik – so stellt er dem Buch auch das Zitat „Kein der Geometrie Unkundiger möge hier eintreten“ voran (Schrift über dem Eingang der Philosophenschule von Platon). So beschäftigt er sich hauptsächlich mit ihr und betrachtet dabei vor allem nicht zum Oberstufen-Lehrplan gehörenden Stoff. Abbildungen wie perspektive Affinitäten, Zentralprojektionen, auch mathematische Sätze wie der Grassmann‘sche Entwicklungssatz, der Satz von Desargues oder Eigenschaften über Gram‘sche Matrizen sind doch sehr ausgefallene Beispiele. Auch drei als neu bezeichnete Beweise des Satzes von Pythagoras sind sicher nur etwas für Fans (wobei ich bei der für mich unübersehbaren Fülle solcher Beweise nicht einschätzen kann, wie neu die hier vorgeführten sind). Meistens nutzt Resel für die Behandlung Methoden der analytischen Geometrie, die oft aufwendigen Koordinaten-Rechnungen werden ausführlich  notiert, alle Zwischenschritte angegeben, so dass Leser die Überlegungen gut nachverfolgen können (die in Lehrbüchern manchmal genutzte Floskel „wie man leicht sieht“ kommt bei ihm nicht vor).

Den Kegelschnitten ist ein langes Kapitel gewidmet. In der Oberstufe der Gymnasien in Deutschland gehört es seit langem nicht mehr zum obligatorischen Kanon. Auch wenn man diese Thematik für wesentlich angemessener halten würde als die derzeit vorgeschriebenen Inhalte der linearen Algebra (und analytischen Geometrie), überzeugen mich die hier im Buch vorgestellten Probleme mit ihren seitenlangen Rechnungen doch nur selten.

Der Autor ist offensichtlich ein Fan der reinen Mathematik. Eine einzige Anwendung (auf die kognitive Psychologie) scheint – der Überschrift nach – vorzukommen, entpuppt sich auf den drei dafür zur Verfügung gestellten Seiten aber doch als wenig relevant.

Engagierte Lehrerinnen und Lehrer können in diesem Buch teilweise ungewöhnliche und wenig bekannte Zugänge zu schulrelevanten Themen finden, die Mehrzahl der Vorschläge wird allerdings im standardisierten Unterricht keinen Platz haben. Zwar hielte ich eine stärkere Betonung geometrischer Sachverhalte im Schulunterricht für wünschenswert, aber die vorgestellten Inhalte und Methoden scheinen mir dafür doch zu speziell. Allenfalls könnten sie in Arbeitsgemeinschaften z. B. für Teilnehmer von Mathematikwettbewerben von Interesse sein.

Rezension: Hartmut Weber (Kassel)